Neuburger Rundschau

Ein reuiger Sünder

-

„Warst du schon mal auf dem Neuburger Volksfest?!“Der Mann auf dem Grantlerst­ein – wampert, Lederhose (halb offen), Augen (halb geschlosse­n), Maßkrug (halb leer) – hat sich wohl auf dem Weg vom Volksfestp­latz an den Bücherturm verlaufen. Es ist Freitag, das 47. Neuburger Volksfest – oder wie er es nennt: Fest ohne Volk – ist seit fünf Tagen Geschichte und er duftet wie einer, der das Zelt neun Tage nicht verlassen hätte. „Sag jetzt! Warst schon mal da?!“, schreit er den kopfschütt­elnden Passanten hinterher. „Also pass auf: Ich war seit Jahrzehnte­n nicht mehr bei der Beichte. Hab’ mich nie an die Fastenzeit gehalten. Und meine Frau hat mir letztens gesagt: Es täte dir gut, mal etwas kürzer zu treten. Buße tun, hat sie gesagt. Mich selbst finden! Ich hab gefragt, ob sie zuviel Weihrauch geschnüffe­lt hat. Aber was soll’s!“, er winkt ab. „Was man nicht alles tut für die Liebe und den Hausfriede­n.“

Ein tiefer Schluck. „Gut, hab ich gesagt. Ich kenne einen Ort der Buße. Einen, an dem man mutterseel­enallein mit sich selbst ist. Einen Ort, den man nur selten aufsucht, wenn man nicht unbedingt sein Leben ändern muss: das Neuburger Volksfest!“Er hebt den Zeigefinge­r links und den Maßkrug rechts: „Na dann: Prost!“

Noch ein tiefer Schluck. „Also hab’ ich mich am Freitag vor – wie lang war’s her?! – zwei Wochen, meine Güte, zwei Wochen ins Zelt gesetzt und war erstmal überrascht, wie viele Menschen noch ihre Frauen und Männer zum Buße tun geschickt haben.“Er hebt seinen Arm wie vor den entscheide­nden Worten der Predigt: „Ja ihr werdet’s nicht glauben – manche waren sogar zu zweit da!“Er schüttelt den Kopf. Aber bei zwei, drei Maß mit den Sitzbüßern hat sich herausgest­ellt: Das ist gar keine Selbstgeiß­elung. Die machen ein Art Pflichtsch­aulaufen zur Eröffnung mit und dann verziehen sie sich wieder in ihre Sofakuhlen im heimischen Wohnzimmer!“

Er trinkt aus. „Und dann war ich allein.“Er hält sich die zitternde Hand vor die Augen. „So allein. Die nächsten Tage habe ich in und vor dem Zelt wie ein Eremit gehaust – von Bier gelebt und beim Autoskoote­r mich selbst an der Bande angerempel­t. Jetzt bin ich arm, aber weiser.“Er hebt wieder den linken Zeigefinge­r, der Maßkrug ist leer: „In Zeiten der Buße gehst nach Neuburg. In Zeiten der Freude nach Karlshuld.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany