Kühler Unterschlupf seit Urzeiten
Die Weinberghöhlen bei Mauern sind ein Geotop und eine archäologische Fundstätte von Rang
Im Sommer, wenn es heiß ist, sucht der Mensch nach Abkühlung. Im Schatten, im Wald oder im Wasser. Allerdings gibt es auch – und gerade im Sommer – Orte, die alles andere als angenehm kühl sind. Die Redaktion der Neuburger Rundschau hat sich auf die Suche gemacht, eine Auswahl getroffen und nimmt die Leser in einer Sommerserie mit dem Titel „Heiß & Kalt“mit auf mal frostige, mal schweißtreibende Exkursionen. Die heutige Etappe unserer Reise führt zu den Weinberghöhlen nach Mauern.
Rennertshofen Mauern Ein angenehm kühler Hauch empfängt uns am Höhleneingang und vertreibt die drückende Schwüle der sommerlichen Vormittagsstunde. Wir stehen am Tor und Horst Schwark zückt den Schlüssel, der uns Eintritt verschaffen wird in die größte Kaverne des Mauerner Höhlensystems, das schon seit 1977 mit schweren Eisengittern gesichert ist, um ein Betreten von Unbefugten zu verhindern.
Einerseits ist ein Betreten der Kavernen nicht ganz ungefährlich, aus dem brüchigen Jurakalkgewölbe können, das haben Fachleute des Geologischen Landesamtes bestätigt, sich jederzeit Felsenbrocken lösen. So wurde bei archäologischen Ausgrabungen ein Arbeiter von einem herabstürzenden Stein erschlagen, die Josef-Barth-Linde vor dem Höhleneingang erinnert an den Unfall anno 1948. Andererseits soll die vorgeschichtliche Fundstätte vor Raubgräbern geschützt werden. Der Neuburger Heimatforscher und Naturschützer allerdings hat einen Draht zur unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt, die für das Geotop zuständig ist, und ist der Türöffner für unsere kleine Exkursion in die normalerweise nicht zugängliche, kühle Grottenwelt am Hang des Weinbergs.
Die Weinberghöhlen liegen am Eingang des Urdonautals beim Dorf Mauern. Die Landschaft ist ein geologisches Freiluftmuseum, in der Urzeit prägten gewaltige Flüsse das Tal, das heute trocken gefallen ist. Bis zum Meteoriteneinschlag im Nördlinger Ries vor 15 Millionen Jahren nahm die Urdonau über Rennertshofen den Umweg nach Norden, wo die Mündung der Uraltmühl lag, und strömte von dort weiter in Richtung Osten. Durch die kosmische Katastrophe entstand der sogenannte Altmühl-Rezat-See. Während der Eiszeiten im Quartär kam es zu einem wiederholten Eintiefen und Aufschottern der Urdonau. Dadurch schnürte sich der Strom vor 125000 Jahren den Weg nach Norden ab. Im Schuttertal, einem rechten Seitental, fand das Wasser einen neuen Weg und wurde so zur Urschutterdonau. Der ehemalige Flusslauf fiel dafür trocken. Vor 70000 Jahren verlegte die Urdonau dann nochmals ihren Lauf weiter nach Süden und die Entstehung des Trockentals in seinem heutigen Verlauf war abgeschlossen. Ihr mediterran anmutendes Gepräge erhalten hat die Jura-Landschaft durch die seit Alterszeit betriebene Wanderschäferei, die Planzenfresser halten noch heute die Trockenrasenflächen an den Talhängen offen.
In den Weinberghöhlen selbst haben seit der Altsteinzeit Hominide ihre Spuren hinterlassen. Die natürlichen Grotten waren ihr Unterschlupf, der Neandertaler zog bereits vor 80000 Jahren dort entlang. Aus den untersten Fundschichten bargen Archäologen primitive Faustkeile, Schaber und Hornsteinklingen. In vier Ausgrabungsepochen wurden dort, erstmals 1937/38, bedeutende Funde gemacht. Neben tierischen Überresten fand man neben Werkzeugen auch eine Kalksteinstatuette, die ein zweigeschlechtliches Wesen darstellt und mythologische Bedeutung hatte – die „Rote von Mauern“. Das Original ist heute in der Prähistorichen Staatssammlung München ausgestellt, ein Duplikat ist im Neuburger Schlossmuseum ausgestellt.
Doch auch Horst Schwark besitzt eine Abbildung. Er hat sie selbst aus Plastilin gefertigt, zieht sie aus der Tasche und drapiert sie zusammen mit Hornsteinsplittern zur Anschauung auf einem Felsen. „Messerscharf“seien diese Klingen, warnt er und schwärmt vom handwerklichen Geschick der Frühmenschen. Warum es schon die Urmenschen in die Höhlen zog, wird bei einem Rundblick schnell klar: Die Grotten liegen geschützt über der Talsohle, schützen vor Wetterunbilden und drinnen herrscht ein angenehm temperiertes Klima, im Sommer um etliche Grad kühler als draußen. 21 Grad zeigt heute das mitgebrachte Thermometer. Selbst im Winter blieben die tieferen Teile der Höhlen frostfrei, wenn der Höhleneingang mit Fellen, Holz und Strohabdeckungen geschützt wurde. Ganz finster ist es nur in den hintersten Winkeln, das vorne einfallende Restlicht sorgt für eine gedämpfte Atmosphäre.
Die Höhlen haben Menschen auch später fasziniert. Es gibt etliche Überlieferungen, die Horst Schwark in seinem Buch „Donaugeschichten zwischen Neuburg und Ingolstadt“zusammengetragen hat. So soll eine verirrte Gans in einem Gang verschwunden sein, der vom Weinberg tief in den Berg hinein führen soll. Der Hirte hatte das abgängige Federvieh schließlich in fünf Kilometer Entfernung am Burgfelsen bei Hütting wiedergefunden. Unermessliche Reichtümer sollen nach einer anderen Sage dort schlummern. Nur während der Christmette öffnet sich ein Felsentor. Ein armer Hirt aus Rohrbach hatte ihn einst gefunden, doch als der Eingang sich wieder zu schließen begann, verließ er die Höhle fluchtartig – ohne Schätze. „Dieser Ort hat schon immer die Fantasie der Menschen beflügelt“, schmunzelt Horst Schwark.