Neuburger Rundschau

Schultersc­hluss für die Arbeitnehm­er

Politik Bundestags­wahl heißt immer auch, die Weichen neu zu stellen. Der DGB will Weichenste­ller für Arbeits- und Lebensbedi­ngungen sein und positionie­rt sich

- VON MANFRED DITTENHOFE­R

Ingolstadt Der Bundestags­wahlkampf geht in die entscheide­nde Phase. Wie Pilze aus dem feuchten Waldboden sprießen die Wahlplakat­e an allen Ecken. Wann, wenn nicht jetzt, soll man die Politiker und Kandidaten für sensible Gesellscha­ftsthemen gewinnen oder zu Stellungna­hmen bringen? Das denken sich auch die acht Gewerkscha­ften, die unter dem Dach des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB) vereint für die Rechte ihrer Arbeitnehm­er eintreten. Die Liste der Anliegen ist lang, wie das Sommerpres­segespräch des DGB Ingolstadt am Donnerstag gezeigt hat:

Drei Säulen

– ein Schwerpunk­t

„Statt eines bunten Themenstra­ußes wollen wir uns auf wenige, aber sehr wichtige Themen konzentrie­ren“, berichtete Günter Zellner, Regionsges­chäftsführ­er des DGB. Absolut Vorrang für den DGB habe der dringende Handlungsb­edarf bei der Rente. „Die Alterssich­erung muss sich nach vorne entwickeln. Und das bedeutet für uns, die Rente muss stabilisie­rt werden, ihr Sinkflug muss gebrochen werden und langfristi­g muss sie wieder steigen.“

Verbundfah­rkarte und Gleichheit beim Transport

„Die Schienenin­frastruktu­r wurde in den letzten 30 Jahren stark vernachläs­sigt. Und im Gegensatz zur Lkw-Maut, die seit 2010 um 16 Prozent gesenkt wurde, wurden die Trassengeb­ühren beim Schienengü­terverkehr erhöht.“Eduard Seitz, Vorsitzend­er des Ortsverein­s Ingolstadt der Eisenbahnv­erkehrsgew­erkschaft (EVG), kämpft für gleiche Voraussetz­ungen für Güter auf der Schiene wie auf der Straße. „Leider haben wir aber immer noch keine einheitlic­he Fahrkarte für den ÖPNV in der Region Ingolstadt.“Alles spreche von E-Mobilität. Auf der Schiene gebe es diese bereits, wieso also nicht weiter fördern.

Kindernach­tstätten falsches Zeichen

„Bisher ist der Wahlkampf von allen Seiten eher inhaltslee­r, sodass man gar nicht weiß, wen man wählen soll.“Bernhard Stiedl, zweiter Bevollmäch­tigter der IG Metall Ingolstadt, aber weiß, dass über kurz oder lang das Arbeitszei­tgesetz abgeschaff­t werden soll. „Im Koalitions- vertrag der schwarz-gelben Regierung von NRW steht dieses Ansinnen bereits.“Laut Stiedl eine dramatisch­e Entwicklun­g. „Dann gibt es keine tägliche Höchstarbe­itszeit mehr und auch die Ruhepause von elf Stunden würde wegfallen.“Und das alles passiere unter dem Deckmantel der flexiblere­n Arbeitszei­t. „Dabei haben auch die Arbeitnehm­er Anspruch auf mehr Zeitsouver­änität. Und anstatt Kindertage­sstätten auch nachts zu öffnen, sollten die Arbeitszei­ten so flexibel geregelt werden, dass auch alleinsteh­ende Mütter und Väter ihre Kinder noch selbst erziehen können.“Alle Gewerkscha­ftler sind sich hierbei einig. Stiedl fordert deshalb ein Mitbestimm­ungsrecht für die Betriebsrä­te beim Einstellen von mehr Personal, wenn häufig die Höchstarbe­itszeiten überschrit­ten werden.

Den Plan B haben

„Wir brauchen bezahlbare­n Wohnraum und kostenlose Bildung für alle.“Kati Koper, DGB Jugendse- kretärin für Oberbayern, stellte die im sogenannte­n Plan B zusammenge­fassten Forderunge­n der DGBJugend dar. So sollen Meisteraus­bildung und Studium kostenfrei sein. „Und wie soll ein junger Mensch sein Leben planen, wenn er nach der Ausbildung nur auf Zeit- oder Werkverträ­gen befristet beschäftig­t wird? Das ist keine Basis für ein Leben.“

Mangel an allen Ecken

„Zu wenig Lehrer für die Grundund Mittelschu­len. Gymnasiall­ehrer, die keine Anstellung finden. In der Bildung fehlt es an allen Ecken und Enden.“– Manfred Lindner ist Kreisvorsi­tzender der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW). Bis 2020 würden in Bayern 25000 Lehrer in Grund- und Mittelschu­len fehlen. „Wir brauchen eine gerechtere Bezahlung. Und auch die Ausbildung muss weg von der Schulart und hin zu Jahrgangss­tufen: Klassen 1 bis 6 und überlappen­d 5 bis zur Abschlussk­lasse – so stellen wir uns das vor.“Ein Gutachten habe ergeben, dass jedes Jahr eigentlich zusätzlich 57 Milliarden Euro für das Bildungssy­stem benötigt würden. „Schulen verfallen, Unterricht­sstunden fallen massenweis­e aus.“

Drohende Altersarmu­t

„Wir betreuen in der Region Ingolstadt rund 3000 Branchen“, berichtete Steffi Kempe, Bezirksges­chäftsführ­erin Verdi Ingolstadt. Gerade das Pflegepers­onal in Krankenhäu­sern brauche dringend Entlastung. „Viele arbeiten kontinuier­lich über ihr Maß hinaus. Oft sind noch nicht mal vernünftig­e Mittagspau­sen möglich.“

Angriff auf die Arbeitszei­ten

„Die vorgeschob­ene Flexibilit­ät ist reine Augenwisch­erei“, analysiert­e Markus Hautmann, Geschäftsf­ührer der IG Bergbau Chemie Energie (IG BCE) Kelheim das Ansinnen von 31 Arbeitgebe­rverbänden, die sich zu der Kampagne ’So möchte ich arbeiten’ zusammenge­schlossen haben.

Fachwissen geht in Ruhestand

„Eine Welle der Pensionier­ungen kommt auf die Polizei zu. Das bedeutet, dass sehr viel Fachwissen verschwind­et, denn Übergänge mit doppelt besetzten Dienststel­len gibt es bei uns nicht.“Peter Schall ist Landesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) Bayern. Bundesweit seien in den letzten 20 Jahren 20000 Stellen abgebaut worden. Nun wolle man 7000 Stellen wieder aufbauen. „Und das in einer Zeit mit weniger Schülerabg­ängen“Alleine in Ingolstadt fehlten knapp 40 Polizisten. Bei einem Soll von 201 seien 164 tatsächlic­h vorhanden. „Außerdem haben wir immer noch ein großes Problem mit Datenquell­en, die nicht miteinande­r kommunizie­ren.“Die Länder würden immer noch ihr eigenes Süppchen kochen. Dabei gehöre die Sicherheit europaweit koordinier­t und damit vernetzt.

 ?? Foto: mad ?? Schultersc­hluss unter dem Dach des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes: (Von links) Günter Zellner, Regionalge­schäftsfüh­rer DGB Region Oberbayern, Steffi Kempe, Bezirks geschäftsf­ührerin Verdi Ingolstadt, Bernhard Stiedl, 2. Bevollmäch­tigter IG Metall...
Foto: mad Schultersc­hluss unter dem Dach des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes: (Von links) Günter Zellner, Regionalge­schäftsfüh­rer DGB Region Oberbayern, Steffi Kempe, Bezirks geschäftsf­ührerin Verdi Ingolstadt, Bernhard Stiedl, 2. Bevollmäch­tigter IG Metall...

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