Schulterschluss für die Arbeitnehmer
Politik Bundestagswahl heißt immer auch, die Weichen neu zu stellen. Der DGB will Weichensteller für Arbeits- und Lebensbedingungen sein und positioniert sich
Ingolstadt Der Bundestagswahlkampf geht in die entscheidende Phase. Wie Pilze aus dem feuchten Waldboden sprießen die Wahlplakate an allen Ecken. Wann, wenn nicht jetzt, soll man die Politiker und Kandidaten für sensible Gesellschaftsthemen gewinnen oder zu Stellungnahmen bringen? Das denken sich auch die acht Gewerkschaften, die unter dem Dach des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) vereint für die Rechte ihrer Arbeitnehmer eintreten. Die Liste der Anliegen ist lang, wie das Sommerpressegespräch des DGB Ingolstadt am Donnerstag gezeigt hat:
Drei Säulen
– ein Schwerpunkt
„Statt eines bunten Themenstraußes wollen wir uns auf wenige, aber sehr wichtige Themen konzentrieren“, berichtete Günter Zellner, Regionsgeschäftsführer des DGB. Absolut Vorrang für den DGB habe der dringende Handlungsbedarf bei der Rente. „Die Alterssicherung muss sich nach vorne entwickeln. Und das bedeutet für uns, die Rente muss stabilisiert werden, ihr Sinkflug muss gebrochen werden und langfristig muss sie wieder steigen.“
Verbundfahrkarte und Gleichheit beim Transport
„Die Schieneninfrastruktur wurde in den letzten 30 Jahren stark vernachlässigt. Und im Gegensatz zur Lkw-Maut, die seit 2010 um 16 Prozent gesenkt wurde, wurden die Trassengebühren beim Schienengüterverkehr erhöht.“Eduard Seitz, Vorsitzender des Ortsvereins Ingolstadt der Eisenbahnverkehrsgewerkschaft (EVG), kämpft für gleiche Voraussetzungen für Güter auf der Schiene wie auf der Straße. „Leider haben wir aber immer noch keine einheitliche Fahrkarte für den ÖPNV in der Region Ingolstadt.“Alles spreche von E-Mobilität. Auf der Schiene gebe es diese bereits, wieso also nicht weiter fördern.
Kindernachtstätten falsches Zeichen
„Bisher ist der Wahlkampf von allen Seiten eher inhaltsleer, sodass man gar nicht weiß, wen man wählen soll.“Bernhard Stiedl, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Ingolstadt, aber weiß, dass über kurz oder lang das Arbeitszeitgesetz abgeschafft werden soll. „Im Koalitions- vertrag der schwarz-gelben Regierung von NRW steht dieses Ansinnen bereits.“Laut Stiedl eine dramatische Entwicklung. „Dann gibt es keine tägliche Höchstarbeitszeit mehr und auch die Ruhepause von elf Stunden würde wegfallen.“Und das alles passiere unter dem Deckmantel der flexibleren Arbeitszeit. „Dabei haben auch die Arbeitnehmer Anspruch auf mehr Zeitsouveränität. Und anstatt Kindertagesstätten auch nachts zu öffnen, sollten die Arbeitszeiten so flexibel geregelt werden, dass auch alleinstehende Mütter und Väter ihre Kinder noch selbst erziehen können.“Alle Gewerkschaftler sind sich hierbei einig. Stiedl fordert deshalb ein Mitbestimmungsrecht für die Betriebsräte beim Einstellen von mehr Personal, wenn häufig die Höchstarbeitszeiten überschritten werden.
Den Plan B haben
„Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum und kostenlose Bildung für alle.“Kati Koper, DGB Jugendse- kretärin für Oberbayern, stellte die im sogenannten Plan B zusammengefassten Forderungen der DGBJugend dar. So sollen Meisterausbildung und Studium kostenfrei sein. „Und wie soll ein junger Mensch sein Leben planen, wenn er nach der Ausbildung nur auf Zeit- oder Werkverträgen befristet beschäftigt wird? Das ist keine Basis für ein Leben.“
Mangel an allen Ecken
„Zu wenig Lehrer für die Grundund Mittelschulen. Gymnasiallehrer, die keine Anstellung finden. In der Bildung fehlt es an allen Ecken und Enden.“– Manfred Lindner ist Kreisvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Bis 2020 würden in Bayern 25000 Lehrer in Grund- und Mittelschulen fehlen. „Wir brauchen eine gerechtere Bezahlung. Und auch die Ausbildung muss weg von der Schulart und hin zu Jahrgangsstufen: Klassen 1 bis 6 und überlappend 5 bis zur Abschlussklasse – so stellen wir uns das vor.“Ein Gutachten habe ergeben, dass jedes Jahr eigentlich zusätzlich 57 Milliarden Euro für das Bildungssystem benötigt würden. „Schulen verfallen, Unterrichtsstunden fallen massenweise aus.“
Drohende Altersarmut
„Wir betreuen in der Region Ingolstadt rund 3000 Branchen“, berichtete Steffi Kempe, Bezirksgeschäftsführerin Verdi Ingolstadt. Gerade das Pflegepersonal in Krankenhäusern brauche dringend Entlastung. „Viele arbeiten kontinuierlich über ihr Maß hinaus. Oft sind noch nicht mal vernünftige Mittagspausen möglich.“
Angriff auf die Arbeitszeiten
„Die vorgeschobene Flexibilität ist reine Augenwischerei“, analysierte Markus Hautmann, Geschäftsführer der IG Bergbau Chemie Energie (IG BCE) Kelheim das Ansinnen von 31 Arbeitgeberverbänden, die sich zu der Kampagne ’So möchte ich arbeiten’ zusammengeschlossen haben.
Fachwissen geht in Ruhestand
„Eine Welle der Pensionierungen kommt auf die Polizei zu. Das bedeutet, dass sehr viel Fachwissen verschwindet, denn Übergänge mit doppelt besetzten Dienststellen gibt es bei uns nicht.“Peter Schall ist Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Bayern. Bundesweit seien in den letzten 20 Jahren 20000 Stellen abgebaut worden. Nun wolle man 7000 Stellen wieder aufbauen. „Und das in einer Zeit mit weniger Schülerabgängen“Alleine in Ingolstadt fehlten knapp 40 Polizisten. Bei einem Soll von 201 seien 164 tatsächlich vorhanden. „Außerdem haben wir immer noch ein großes Problem mit Datenquellen, die nicht miteinander kommunizieren.“Die Länder würden immer noch ihr eigenes Süppchen kochen. Dabei gehöre die Sicherheit europaweit koordiniert und damit vernetzt.