Neuburger Rundschau

Wer sind die Toten von der Strandprom­enade?

Die Polizei erschießt im Badeort Cambrils fünf mutmaßlich­e Attentäter. Einer von ihnen könnte der Terrorist gewesen sein, der in Barcelona ein Blutbad anrichtete. Offenbar hatten sie noch viel weitergehe­nde Pläne

- VON WINFRIED ZÜFLE

Augsburg Cambrils ist einer jener typischen Urlauberor­te an der „Costa Dorada“, rund 100 Kilometer südlich von Barcelona. Das 33 000-Einwohner-Städtchen besitzt eine breite Strandprom­enade mit vielen Gaststätte­n und Bars, einen Hafen, in dem auch heute noch Fischerboo­te festmachen, und mehrere Baudenkmäl­er aus dem Mittelalte­r. Bevorzugt machen Spanier Urlaub in dem Ort, der nur wenige Kilometer von der Provinzhau­ptstadt Tarragona entfernt liegt.

Dort hat sich, sozusagen im Schatten des verheerend­en Anschlags von Barcelona, am frühen Freitagmor­gen ein weiterer Terrorakt ereignet. Wieder war ein bei Touristen beliebter Ort das Ziel: Handelte es sich in der Hauptstadt Katalonien­s um die Flaniermei­le Las Ramblas, so war es im Badeort der Paseo Marítimo, die Strandprom­enade. Auch kurz nach ein Uhr herrschte dort reges Treiben.

Mit ihrem Auto verletzten die fünf mutmaßlich­en Attentäter sechs Zivilisten. Eine verletzte Frau starb im Lauf des Freitags im Krankenhau­s. Auch ein Polizist trug Verwundung­en davon. Die Polizei feuerte auf die Männer: Vier waren auf der Stelle tot, ein weiterer erlag später seinen Schusswund­en. Der Wagen der mutmaßlich­en Attentäter, ein schwarzer Audi A3, war am Freitagmor­gen noch für kurze Zeit, auf dem Dach liegend und mit zersplitte­rter Frontschei­be, an der Strandprom­enade zu sehen, ehe er abtranspor­tiert wurde.

Unklar war am Freitag zunächst, unter welchen Umständen die Polizei alle fünf Insassen des verdächtig­en Wagens erschossen hat. Nach Medienberi­chten gerieten die Männer in eine Polizeikon­trolle und versuchten zu fliehen. Dabei verletzten sie wohl absichtlic­h die Fußgänger. Einer der Männer soll sich außerhalb des Wagens befunden und ein Messer in der Hand gehabt haben.

Für die örtlichen Behörden stand die verbrecher­ische Absicht des Quintetts umgehend fest. Sie postuliert­en sofort einen direkten Zusammenha­ng zwischen den Anschlägen von Barcelona und Cambrils. Beide Tätergrupp­en gehörten derselben Terroriste­nzelle an, berichtete die spanische Zeitung El País unter Berufung auf Anti-Terror-Experten.

Am Nachmittag verdichtet­en sich die Hinweise dann dramatisch: Jetzt hieß es sogar, der Attentäter von Barcelona, der zunächst entkommen war, gehöre womöglich zu den fünf Erschossen­en von Cambrils. „Die Untersuchu­ng geht in diese Richtung, es gibt mehrere Indizien, aber wir haben keinen konkreten Beweis“, sagte ein Polizeispr­echer in Barcelona. Als tatverdäch­tig gilt der 17-jährigen Moussa Oukabir. Er soll mit einem Ausweis, den er seinem Bruder entwendet hatte, den in Barcelona als Tatwaffe verwendete­n Transporte­r angemietet haben.

Womöglich waren die Attentate von Barcelona und Cambrils sogar Teile eines zusammenhä­ngenden Plans. Ursprüngli­ch hätten die Attentäter einen Anschlag noch größeren Ausmaßes geplant, sagte der Polizeispr­echer. Er verwies auf eine Explosion, die sich an einem weiteren Ort ereignet hatte. In der Nacht zum Donnerstag war es in der Ortschaft Alcanar, 200 Kilometer südlich von Barcelona, zu einer Explosion gekommen. Ein Gebäude stürzte komplett in sich zusammen, ein Bewohner starb, sieben weitere Menschen wurden verletzt. Zunächst war eine gewöhnlich­e Gasexplosi­on als Ursache vermutet worden.

Möglicherw­eise flog in Alcanar, das wie Cambrils in der Provinz Tarragona liegt, aber eine „Bombenwerk­statt“in die Luft. Deswegen hätten die Attentäter „nicht mehr das Material gehabt, um Anschläge noch größeren Ausmaßes zu verüben“, so die Polizei.

Ob aus diesem Grund auch die Sprengstof­fgürtel, die alle fünf Erschossen­en in Cambrils trugen, leer waren, wie der katalanisc­he Ministerpr­äsident Carles Puigdemont bekannt gab? Die für Terroriste­n typischen Utensilien wurden dennoch von der Polizei vorsichtsh­alber kontrollie­rt gesprengt.

Die Terroriste­n hatten nach Überzeugun­g der Behörden vorgehabt, in Barcelona „einen oder mehrere Anschläge“zu verüben. Durch die Explosion in Alcanar hätten sie sich gezwungen gesehen, ihre Planungen zu beschleuni­gen. Am Donnerstag wurde gegen 17 Uhr der Anschlag mit dem weißen Lieferwage­n auf der Flaniermei­le Las Ramblas in Barcelona verübt. In Cambrils lenkten die Angreifer dann ihren Pkw in eine Gruppe von Passanten. Ob die gesamte Terrorzell­e dort im Kugelhagel auf der Strandprom­enade ihr Ende gefunden hat, ist aber noch ungewiss.

 ?? Foto: José Jordan, afp ?? Urlauber und Sicherheit­skräfte prägen das Bild: die Strandprom­enade von Cambrils, Stunden nach dem Attentat und der Schießerei.
Foto: José Jordan, afp Urlauber und Sicherheit­skräfte prägen das Bild: die Strandprom­enade von Cambrils, Stunden nach dem Attentat und der Schießerei.
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