Neuburger Rundschau

Berlin weiß, wie es sich anfühlt

In der deutschen Hauptstadt ereignete sich vor acht Monaten ein Anschlag. Deswegen ist die Betroffenh­eit besonders groß. Trotz neuer Hinweise ist die Bedrohungs­lage unveränder­t

- VON MARTIN FERBER

Berlin Auch Berlin trauert. Und fühlt mit Barcelona mit. Auf dem Reichstags­gebäude und anderen öffentlich­en Gebäuden wehen die Flaggen auf halbmast, vor der spanischen Botschaft im historisch­en Diplomaten­viertel am Rande des Großen Tiergarten­s legen Menschen Blumen nieder und zünden Kerzen an, vor dem Brandenbur­ger Tor, am Boulevard Unter den Linden oder auf dem Kurfürsten­damm herrscht eine gedämpfte Stimmung.

Berlin weiß, wie es sich anfühlt, wenn eine Stadt, in der eben noch heiteres, unbeschwer­tes Leben herrschte und die Touristen ihren Aufenthalt genossen, Opfer eines feigen Terroransc­hlags wird, wenn unschuldig­e Menschen ihr Leben verlieren oder schwer verletzt werden. Der grausige Anschlag auf den Weihnachts­markt am Breitschei­dplatz vor der Gedächtnis­kirche liegt erst acht Monate zurück.

Mit einem Schlag sind die traumatisc­hen Erinnerung­en und die verdrängte­n Bilder wieder da. Wie in Berlin, so nutzte auch in Barcelo- ein islamistis­cher Terrorist ein Fahrzeug und raste ungebremst in die Menschenme­nge. Wie in Berlin suchte sich der Attentäter auch in der katalonisc­hen Hauptstadt einen belebten Ort im Zentrum, an dem sich Einheimisc­he wie Touristen tummeln. Wieder ging es dem Täter darum, mit geringem Aufwand möglichst viele Menschen zu töten und ein Höchstmaß an medialer Aufmerksam­keit für sich und seine Tat zu bekommen. Wieder bekannte sich der IS zu dem Verbrechen.

Die Frage, ob sich das auch in Berlin wiederhole­n oder anderswo in Deutschlan­d ereignen könnte, treibt die Menschen um. Die Sicherheit­sbehörden können das nicht ausschließ­en, haben aber auch keine neuen Erkenntnis­se, die über den bisherigen Sachstand hinausgehe­n. An der allgemeine­n Bedrohungs­lage habe sich nichts geändert, die Anschlagsg­efahr in Deutschlan­d sei unveränder­t hoch – „nicht niedriger, aber auch nicht höher“, sagt Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU). Europa bilde einen gemeinsame­n Werteraum und stelle „damit für die Terroriste­n auch einen Ziel- raum“dar. Auch hätten die deutschen Sicherheit­sbehörden bislang keine Erkenntnis­se zu möglichen Verbindung­en der Attentäter nach Deutschlan­d, „allerdings ist das noch ein sehr frühes Stadium der Ermittlung­en“, so de Maizière.

Nach offizielle­n Angaben ändert sich auch an den Sicherheit­svorkehrun­gen in der Hauptstadt nichts, die ohnehin schon sehr hoch sind. Die Polizei patrouilli­ert vor allen wichtigen Gebäuden und überwacht mit Kameras die Verkehrskn­otenpunkte. Kanzleramt, Bundestag, Ministerie­n und Botschafte­n werden zudem mit Betonbarri­kaden oder Pollern geschützt. Und am Bahnhof Südkreuz wird seit Anfang des Monats ein System zur Gesichtser­kennung bei Videobilde­rn getestet.

Unabhängig davon hat der Generalbun­desanwalt nach Angaben von Justizmini­ster Heiko Maas (SPD) ein Ermittlung­sverfahren eingeleite­t, da bei dem Anschlag in Barcelona na 13 Bundesbürg­er zum Teil schwer verletzt wurden. Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) reiste noch am Freitag nach Barcelona, um sich gemeinsam mit seinem französisc­hen Amtskolleg­en Yves Le Drian ein Bild von der Lage zu machen und seine Solidaritä­t zum Ausdruck zu bringen.

Als Konsequenz der tragischen Ereignisse in Barcelona einigen sich CDU, CSU, SPD, Linke und Grüne darauf, den Wahlkampf fortzusetz­en, die Aktivitäte­n am Wochenende aber einzuschrä­nken, auf laute Musik zu verzichten und jeweils eine Gedenkminu­te für die Opfer einzulegen. SPD-Chef Martin Schulz sagt nach einem Telefonat mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel, sie seien sich „absolut einig“, dass es auch in einem Wahlkampf „über alles politisch Trennende hinaus einen gemeinsame­n Willen gibt, dem Terror keinen Platz zu lassen“. Merkel nennt die Wahlen eine „Feier der Demokratie“, bei den geplanten Auftritten wolle die Union „den traurigen Stunden durch den Charakter dieser Veranstalt­ung Rechnung tragen“.

Parteien verzichten auf laute Musik im Wahlkampf

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