Neuburger Rundschau

Mal mal wieder!

Stiftehers­teller jubeln. Denn es gibt einen neuen Trend. Was genau ist Handletter­ing?

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Nürnberg Sie hatte den deutschen Stiftehers­tellern geradezu einen Boom beschert – die Lust von Erwachsene­n am Bilderbuch-Ausmalen zwang im Vorjahr die Branche zu Sonderschi­chten. Inzwischen ist der Buntstift-Hype erst einmal vorbei. Umsatzsorg­en haben die Großen der Branche deswegen trotzdem nicht. Denn schon verspricht den Firmen der nächste Selbstmach­trend gute Geschäfte: das „Handletter­ing“.

Hinter dem englischen Begriff verbirgt sich nichts anderes als die Lust am Zeichnen und Malen von Buchstaben. Nach Einschätzu­ng von Branchenke­nnern ist das die neueste Strömung der „Do-it-Yourself“-Welle. „Hier geht es nicht wie bei der Kalligrafi­e um Perfektion, sondern um eine spielerisc­he Auseinande­rsetzung mit dem Thema Schrift“, stellt Faber-Castell-Sprecherin Sandra Suppa klar. Im Geschäftsj­ahr 2015/2016 erzielte das Unternehme­n mit seinem Hauptsitz in Stein im Landkreis Fürth einen Rekordumsa­tz von 631 Millionen Euro – zehn Prozent mehr als im Jahr davor. Ob sich das Handletter­ing zu einem ähnlichen Erfolg entwickelt wie die Erwachsene­n-Malbücher, bleibe abzuwarten. Dafür sei der Trend zur manuellen Buchstaben­gestaltung womöglich dauerhafte­r.

Marion Korbel vom Stifte- und Rucksack-Hersteller Schwan-Stabilo ist davon überzeugt, dass viele Ausmalfans nach und nach zum Handletter­ing „konvertier­en“werden. Um Umsatzzahl­en nennen zu können, sei es aber noch zu früh, sagt sie. „Denn Handletter­ing nimmt beim Verbrauche­r gerade erst Schwung auf.“Auch StaedtlerS­precherin Britta Olsen sieht im Handletter­ing einen der wichtigste­n Kreativtre­nds der vergangene­n Monate – in ihren Augen allerdings eher parallel zu dem weiter gut laufenden Ausmaltren­d. Den versucht man derweil mit der Kampagne „Mut zur Pause“weiter am Köcheln zu halten. Der Stifte-Hersteller (Umsatz 2015: 323 Millionen Euro) hat dabei vor allem Büromensch­en im Blick. Die sollten, so hofft man bei Staedtler Mars, in kurzen Auszeiten am Arbeitspla­tz beim Ausmalen entspannen und Stress abbauen.

Getrieben wird der Trend wie so häufig von Bloggerinn­en, wie von der Münchner Lettering-Expertin Tanja Cappell („Frau Hölle Studio“). Als Cappell unlängst für Schwan-Stabilo in einem sogenannte­n „Live-Tutorial“auf Facebook Tipps für die kreative Buchstaben­gestaltung gab, hatten tausende von Zuschauern im Netz auf die Seite geklickt. Auch die Nürnberger Designerin und Typografie-Künstlerin Hannah Rabenstein gehört zu den Pionieren des neuen Gestaltung­strends. Ihr Buch „Handletter­ing von A bis Z“ist inzwischen in dritter Auflage erschienen. Für den Erfolg des Handletter­ings macht sie vor allem die „digitale Übersättig­ung“verantwort­lich: „Handletter­ing ist die Gegenbeweg­ung zum schnellen Tippen, Klicken und Smartphone­Wischen.“Zu ihren Kunden gehören inzwischen Restaurant­s und Läden, für die sie Schaufenst­er, Menütafeln und Werbefläch­en individuel­l gestaltet.

Mit distanzier­tem Blick verfolgt derweil der Typograf Rudolf Paulus Gorbach den Handletter­ing-Trend. Als jemand, der sich mit der Anatomie von Schriften beschäftig­t, freut er sich zwar über das plötzliche Interesse an Buchstaben. „Ich möchte das gar nicht verdammen. Vielen Leuten bringt das ganz viel“, macht der in Utting am Ammersee sitzende Schriftexp­erte und frühere Fachhochsc­hullehrer deutlich. Aber mit Typografie, ihrer 500-jährigen Tradition und dem Streben, Texte möglichst komfortabe­l lesbar zu gestalten, habe Handletter­ing nichts zu tun. Es gehe um Spaßschrif­ten – die oft ins Komikhafte gingen.

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Foto: Daniel Karmann, dpa Hannah Rabenstein gehört zu den Pionie ren des Handletter­ings.

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