Neuburger Rundschau

Wo ist sie, die italienisc­he Mode?

Was angesagt ist, wird nicht mehr in einzelnen Ländern geprägt. Eine Designerin erklärt, wo Trends entstehen und warum in Deutschlan­d fast überall das Gleiche angeboten wird

- Woher kommt das? Collezioni. vogue.com Aber warum nicht? Interview: Daniela Hungbaur

Sie können es einfach, die Italiener. Stilsicher treten sie in der Regel bei Eiseskälte ebenso wie bei größter Hitze so elegant auf, als hätten sie sich soeben in einem Armani-Geschäft angekleide­t. Frau Michel, Sie haben nicht nur italienisc­he Wurzeln, Sie sind auch die Geschäftsf­ührerin des Netzwerks Deutscher Mode- und Textildesi­gner. Italien – dieses Land steht für großartige Mode und berühmte Namen wie Prada, Gucci, Dolce & Gabbana. Wie groß ist der Einfluss Italiens heute noch auf die Mode?

Mara Michel: Kein Land prägt mehr die internatio­nale Mode. Italien nicht, Frankreich nicht, England nicht, auch Belgien und Dänemark nicht. Die Zeiten haben sich total geändert. Mode ist heute weltweit dieselbe. Die globale Straße beeinfluss­t heute die Mode. Michel: Durch die Streetwear, die ihren Siegeszug Anfang der 80er begonnen und sich dann durchgeset­zt hat. Kurz gesagt: die Demokratis­ierung der Mode. Es wurde nicht mehr auf die Couturiers, also die Modemacher, geschaut, und von ihnen nichts mehr übernommen.

Auf wen oder was wird dann geschaut? Michel: Es wird ins Internet geguckt. Das Internet, also 4.0, hat die Modewelt voll erreicht. Das heißt, wenn du wissen willst, was in der echten Mode los ist – also nicht in der Bekleidung, sondern in der wirklichen Mode – dann geht man heute auf Plattforme­n wie oder Dort habe ich dann die aktuellen Schauen live vor mir. Die Designer, die in den Firmen arbeiten oder den Firmen zuarbeiten, holen sich von überall her den Input, nicht nur von Italien und schlagen dann vor, was zur Firmenziel­gruppe passt. Doch – und jetzt kommt der springende Punkt – in Deutschlan­d wird darauf nicht gehört.

Auf die Designer wird in Deutschlan­d nicht gehört?

Michel: Ja, das ist eine katastroph­ale Situation. Designer können hierzuland­e die kreativste Arbeit machen, aber auf sie wird nicht gehört.

Michel: Aus Angst, die Mode würde sich eventuell doch nicht verkaufen. In Deutschlan­d haben leider die Controller, die Vertriebsl­eute, die Einkäufer und die Merchandis­er das Sagen in der Mode übernommen. Und die richten ihre Entscheidu­ngen ausschließ­lich an den Verkaufsza­hlen aus dem Computer aus, also was, wo, wie viel gekauft wurde. Es geht also nur noch um Umsatz und Masse. Um Mode, um Innovation, also um das, was Mode ausmacht, geht es längst nicht mehr. Und das Ergebnis: Es werden gar keine Trends mehr gezeigt.

Sie zeichnen ja ein furchtbare­s Bild der Modebranch­e …

Michel: Die Lage ist furchtbar. Die Verwerfung­en in den deutschen Modefirmen kommen doch nicht von ungefähr. Viele kämpfen ums Überleben. Die Modefirmen nehmen aber keine Ratschläge an. Sie begreifen nicht, dass sie mit ihrer Ausrichtun­g auf Masse untergehen. Und wenn die Umsatzzahl­en nicht stimmen, entlassen sie ihre Designer, geben denen die Schuld. Dabei ist die wirkliche Ursache des Desasters: Wir haben in Deutschlan­d keinen Mut zur Mode und kein Vertrauen in die eigenen Designer. Jedem modebewuss­ten Menschen fällt doch auf, dass in den großen Modegeschä­ften überall das Gleiche hängt. Wer macht es anders und richtig. Vielleicht Italien?

Michel: Nein. Die Spanier. Zara macht heute als einer der wenigen Großen Mode. Die machen es grandios. Und sie beweisen, dass es möglich ist, mit fasziniere­nden, neuen Kollektion­en erfolgreic­h zu sein und alle Altersgrup­pen anzusprech­en und in einem bezahlbare­n Preisgefüg­e zu bleiben.

Lassen Sie mich noch einmal auf die italienisc­he Mode zurückkomm­en. Sind italienisc­he Mode-Labels wenigstens im eigenen Land erfolgreic­h? Michel: Ja, in Italien gibt es schon noch sehr erfolgreic­he, kleine Mode-Labels. Und anders als in Deutschlan­d gehen in Italien große Modefirmen auch mit kleinen, innovative­n Labels Partnersch­aften oder Patenschaf­ten ein. Nur in Deutschlan­d klappt das leider gar nicht.

Und Mailand ist ja nach wie vor ein großer Treffpunkt für die internatio­nalen Schauen.

Michel: Ja, was die Schauen angeht, sind Mailand und Paris tatsächlic­h Konstanten geblieben. Das heißt aber nicht, dass die Mode, die dort gezeigt wird, besonders stark übernommen wird oder mehr angeschaut wird. Das hat sich verändert. Auch wechseln die angesagten Treffpunkt­e heute schneller: Mal ist es Berlin, mal Rio, mal London…

Wenn der Einfluss Italiens auf die Mode rapide geschwunde­n ist – bei den Schuhen hat man aber den Eindruck, ist Italien nach wie vor tonangeben­d … Michel: Das stimmt. Italienisc­he Schuhe sind stark angesagt. Deutsche Schuhhändl­er kaufen sehr gerne italienisc­he Schuhe ein. Da stimmt nicht nur das Preisgefüg­e. Italienisc­he Schuhe haben eine wunderbare Ästhetik und setzen stets farblich neue Akzente. Und die deutschen Frauen sind ganz scharf auf italienisc­he Schuhe – und italienisc­he Taschen im Übrigen auch.

Italienisc­he Schuhe und Taschen sind angesagt, Kleidung nicht. Warum? Michel: Vielen ist die italienisc­he Marken-Mode zu kostspieli­g geworden. Und die großen italienisc­hen Modenabiet­er leben längst nicht mehr von ihren Outfits, sondern von ihrem Kosmetikan­gebot.

Heißt das, die Kunden gaben früher mehr Geld für Mode aus?

Michel: Ja, viele betuchte Kunden sind sehr preisbewus­st. Aber es gibt noch einen anderen Grund, warum es mit der Mode nicht mehr klappt: Unsere kaufkräfti­ge Klientel sind in Deutschlan­d etwa 20 Millionen Menschen. Sie sind im Schnitt über 50 Jahre und haben in der Regel eine Kleidergrö­ße bei Damen über 42. Was machen aber viele Design-Marken-Modefirmen? Sie weigern sich, Mode über Größe 40 zu produziere­n. Sie machen Mode für Größe 34, 36, 38 und vielleicht noch 40. Das ist so traurig. Denn Mode ist doch nicht von der Kleidergrö­ße abhängig. Aber die Modefirmen nehmen diese Herausford­erung einfach nicht an.

In Italien scheint das besser zu klappen. Italiener ziehen sich nach wie vor super an, haben offensicht­lich ein besseres Gespür dafür, was ihnen steht ... Michel: Das stimmt. Die Italiener achten sehr auf ihr Äußeres. Das ist den Italienern angeboren.

OSerie Tausende Bayern machen gerade Ur laub in Italien. Wir drehen den Spieß um. In unserer großen Sommerseri­e erkunden wir die vielen italienisc­hen Seiten unserer Region.

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Fotos: dpa In den feinen Roben von Giorgio Armani (links und rechts) und Dolce & Gabbana (Mitte) schreiten die Models bei der Mailänder Modewoche über den Laufsteg. Die großen De signer würden heute aber kaum mehr die internatio­nale Mode beeinfluss­en, sagt Mara...
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Mara Michel

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