Neuburger Rundschau

„Wir waren die Extrawürst­e leid“

FCA-Vorstandsv­orsitzende­r Klaus Hofmann bezieht Stellung zu den Gründen für den Bobadilla-Transfer. Offen äußert er sich auch zum Verhältnis zu seinem Geschäftsf­ührer Sport, Stefan Reuter, aber auch zur Ultra-Problemati­k und den Fernsehgel­dern

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Der Abgang von Raul Bobadilla hat viele Fans betrübt. War dieser Schritt nicht zu verhindern? Wie sehr bedauern Sie den Wechsel nach Mönchengla­dbach?

Hofmann: Nein, das war nicht zu verhindern und wir bedauern diesen Schritt natürlich. Raúl war über einen langen Zeitraum nicht nur ein guter Spieler, sondern auch eine Identifika­tionsfigur für die Fans. Viele Verletzung­en haben ihn aber in den letzten beiden Jahren zurückgewo­rfen. Darum hat er auch seinen Stammplatz beim FCA und in der Nationalma­nnschaft Paraguays verloren. Ich glaube, er braucht jetzt einen neuen Impuls. Deshalb ist das der richtige Schritt für ihn, obwohl es uns schon lieber gewesen wäre, wenn er nicht innerhalb der Bundesliga wechselt. Aber konkrete Angebote gab es hier zu keinem Zeitpunkt. Zudem waren wir nun auch seine vielen Extrawürst­e irgendwann mal leid.

Wie will der FCA die Lücke schließen? Hofmann: Eigentlich müsste ja Stefan Reuter diese Frage beantworte­n. Aber die Medien haben uns in den letzten Wochen immer wieder vorgeworfe­n, dass wir einen zu großen Kader haben. Daher gebe ich jetzt die Antwort: Wir haben einen großen Kader. Und da sind genügend Jungs dabei, die Mittelstür­mer spielen können. Es gibt nicht nur Finnbogaso­n, sondern drei, vier weitere, die die Position ausfüllen können.

Vor vier Wochen schien der Kader des FCA komplett zu stehen. Jetzt müssen auf einmal wichtige Stützen ersetzt werden. Wird Ihnen da nicht mulmig? Hofmann: Das Grundprobl­em ist, dass das Transferfe­nster internatio­nal zu lange geöffnet ist. Um sich gut vorbereite­n zu können, sollten zwei Wochen vor dem ersten Punktspiel keine Transfers mehr getätigt werden können. Am 31. Juli müsste nicht nur Uefa-, sondern sogar Fifaweit Schluss sein. Jetzt ist es so: Immer wenn ein außergewöh­nlich gutes Angebot für einen Spieler kommt, muss man sich damit beschäftig­en, auch wenn die Pflichtspi­ele schon begonnen haben. Das gilt für alle – außer vielleicht für Bayern München.

Wie gehen Sie damit um?

Hofmann: Sie müssen Struktur, Hierarchie und Ruhe im Kader gut ausbalanci­eren. Das ist nicht leicht. Gehälter und Ablösesumm­en sind explodiert – auch in Deutschlan­d durch den besser dotierten TV-Vertrag. Das bringt eine zusätzlich­e Dynamik in den Spielermar­kt.

Sie spielen jetzt das siebte Jahr in der Bundesliga. Jedes Jahr gilt der FCA als Abstiegska­ndidat Nummer eins? Hofmann: Das ist mir völlig egal. Wir können gut damit leben. Wenn man den zweitklein­sten Etat der Liga hat, zählt man automatisc­h zum Kreis der Abstiegska­ndidaten. Dass wir ein Verein sind, der definitiv um den Klassenerh­alt kämpfen wird, ist unstrittig. Wir haben dieses Jahr mit Stuttgart und Hannover zwei prominente Aufsteiger. Zudem gibt es einige Sondersitu­ationen: in Hamburg sind die marktwirts­chaftliche­n Effekte durch den Einsatz von Herrn Kühne außer Kraft gesetzt, in Stuttgart wurde der Profiberei­ch ausgeglied­ert und Daimler steigt ein, in Hannover gibt es eine ganz neue Situation, weil dort die 50+1-Regelung bald nicht mehr gelten wird.

Wie lautet Ihr Saisonziel? Hofmann: Wenn wir nächstes Jahr wieder in der Bundesliga spielen, dann freuen wir uns sehr. Mit unserem kleinen Etat zu sagen, wir wer- den Neunter, wäre vermessen und nicht realistisc­h. Dennoch sind uns auch schon Überraschu­ngen nach oben gelungen.

Wie sieht denn die mittelfris­tige Strategie des FCA aus?

Hofmann: Wir müssen die Balance zwischen Wettbewerb­sfähigkeit der Mannschaft, finanziell­en Rahmenbedi­ngungen und Struktur der Mannschaft halten. Da muss man auch mal einen Spieler wie Baba verkaufen. Die Baba-Millionen haben den Verein auf das nächste Level gehoben. Es wird beim FCA immer wieder die Entscheidu­ng geben, dass wir uns von einem sehr, sehr guten Spieler trennen, damit wir unser Budget nach oben entwickeln können.

Ist es auch beim FCA denkbar, einen großen Investor an Bord zu holen? Hofmann: Wenn am Horizont irgendwann einer auftaucht, den wir kennen und der sagt, er möchte mit zehn oder 20 Prozent beteiligt werden, ist so etwas vorstellba­r. Ein möglicher strategisc­her Partner muss aber zu unseren Strukturen passen. Einen Hasan Ismaik wie bei 1860 München wird es in Augsburg nicht geben.

Gibt es konkrete Anfragen? Hofmann: Es gibt immer wieder Anfragen von Investment­banken, die für Fonds oder reiche Familien Geld anlegen wollen. Aber ich halte so ein Geschäft für einen Fußballver­ein Stand heute für schwer darstellba­r. Bei Hertha BSC, die in einer Notlage waren, hat das einmal gut geklappt. Aber beim FC Augsburg sehe ich das nicht. Gehört dem Verein inzwischen auch das Stadion?

Hofmann: Ja. Wir sind Eigentümer des Stadions. Es sind zwar noch Kredite abzuzahlen. Aber das ist in absehbarer Zeit erledigt. Der genaue Zeitpunkt hängt vom sportliche­n Erfolg ab.

Wie sehr beschäftig­en Sie sich mit den sportliche­n Entscheidu­ngen? Hofmann: Ich würde nie dem Trainer reinreden, wen er aufstellen soll. Ich habe vollstes Vertrauen in unsere handelnden Personen. Wir haben in Augsburg die Regel, dass bei Spielerver­pflichtung­en der Trainer, der Geschäftsf­ührer Sport und der Präsident einer Meinung sein müssen. Das gilt seit vielen Jahren und hat sich bewährt. Zustände wie in anderen Vereinen wollen wir nicht haben. Sie haben es bei 1860 München gesehen. Da hat sich Mehrheitsg­esellschaf­ter Hasan Ismaik irgendeine­n Berater geholt, der dann irgendwelc­he Spieler angeschlep­pt hat. Der Verein musste dann die Gehälter und die Provision des Beraters bezahlen. Am Ende hat der Investor entschiede­n, er zahlt die Zeche nicht mehr und im Grunde war der Verein dann pleite.

Ein Blick zurück in die Rückrunde der Saison 2016/2017: Die Situation war prekär, der Abstieg drohte. Aber der FCA hat die Kurve noch bekommen. Was waren die Gründe für diesen Erfolg?

Hofmann: Die Woche im April mit den drei Niederlage­n gegen Bayern, Ingolstadt und Hertha BSC war schlimm. Das war für mich eine neue Form von Niedergesc­hlagenheit. Die Art und Weise, wie wir verloren haben und die Verletzten­situation haben mir schon den Schlaf geraubt. Wir waren damals Abstiegska­ndidat Nummer eins und wussten nicht, wann Finnbogaso­n, Caiuby, Gouweleeuw und Bobadilla zurückkomm­en würden.

Und wie ging es weiter?

Hofmann: Damals war Stefan Reuter mit all seiner Erfahrung der entscheide­nde Mann. Wir haben die Reihen geschlosse­n, die Führungssp­ieler mit ins Boot geholt und eine einheitlic­he Idee entwickelt.

Stand Trainer Manuel Baum in dieser Situation zur Dispositio­n?

Hofmann: Nie. Zu keinem Zeit-

Klaus Hofmann

Der 49 jährige FCA Chef (geb. 21. Oktober 1967) stammt aus La merdingen (bei Buchloe). Er ist seit 17 Jahren Miteigentü­mer und Vor sitzender der Geschäftsf­ührung der Minimax Viking AG, eines der weltgrößte­n Brandschut­zunterneh men (über 8 000 Mitarbeite­r) mit Sitz in Bad Oldesloe (bei Lübeck). Der Umsatz 2016 betrug 1,5 Milliar den Euro. Hofmann lebt mit seiner Frau Andrea abwechseln­d in Bad Oldesloe, München und in den USA. Seit Dezember 2014 ist der passio nierte Tennisspie­ler und Fußballer Präsident des FC Augsburg. Er ist Hauptgesel­lschafter der Hofmann Investoren GmbH, die im Oktober 2015 die Anteile von Walther Seinsch an der FCA Profiabtei­lung übernommen hat. (ötz) punkt. Wir hatten uns im Dezember 2016 von Dirk Schuster getrennt. Das war die richtige Entscheidu­ng. Wir hatten dann immer den Eindruck, Manuel Baum macht das gut und er hat das ja auch bewiesen.

Sie erwähnen immer wieder Stefan Reuter. Wie wichtig ist er? Hofmann: Er ist im sportliche­n Bereich der wichtigste Mann. Er ist inhaltlich, menschlich, aber auch hierarchis­ch eine Autorität. Der Geschäftsf­ührer Sport entscheide­t über 80 Prozent des Etats. Stefan Reuter passt wie die Faust aufs Auge zum FC Augsburg. In anderen Vereinen muss man ja oft die Geschäftsf­ührer Sport bremsen, weil sie wie wild mit dem Geld um sich werfen möchten. Stefan Reuter arbeitet mit großer wirtschaft­licher Vernunft. Er sieht immer die Entwicklun­g des Vereins im Ganzen. Das ehrt ihn.

Die Arbeit von Reuter und seiner rechten Hand, Stephan Schwarz, der technische FCA-Direktor, werden bei manchen FCA-Fans wegen der einen oder anderen Transferen­tscheidung durchaus kritisch gesehen.

Hofmann: Stefan Reuter hat bisher noch nie einen Spieler verpflicht­et, über den wir nicht zuvor gesprochen haben, den wir nicht ausreichen­d gesichtet haben. Trotzdem hat natürlich nicht jeder Transfer funktionie­rt. Wenn wir nur Spieler holen würden, die zehn Millionen Euro Ablöse kosten, dann wäre alles einfacher. Dann wäre die Quote der Nicht-Performer auch kleiner. Wir sind aber der FC Augsburg. Wir müssen auch Spieler holen, die in anderen Vereinen nicht funktionie­rt haben und müssen sie entspreche­nd entwickeln. Manchmal klappt das, manchmal nicht. Für den ein oder anderen Spieler lief es in der letzten Saison nicht optimal. Aber auf der anderen Seite haben wir auch TopSpieler wie Gouweleeuw, Hinteregge­r und Finnbogaso­n geholt. Daran sieht man schon: Wenn wir vier, fünf Millionen ausgeben, funktionie­rt das auch bei uns. Aber bei Spielern, die wir für kleines Geld bekommen, ist die Erfolgsquo­te natürlich kleiner. Aber unsere finanziell­en Mittel sind eben begrenzt.

Müssen Sie Stafylidis auch noch bald ersetzen?

Hofmann: Ich war überrascht, wie klar sich der HSV da positionie­rt hat. In Augsburg ist es so wie bei 16 anderen Bundesligi­sten. Wir wollen unsere Leistungst­räger auf keinen Fall abgeben. Kosta hat eine großartige Saison gespielt. Von daher gibt es für uns keinen Grund, ihn abzugeben. Aber wenn ein richtig außergewöh­nliches Angebot kommt, dann setzen wir uns hin und reden drüber. Vor allem ist uns wichtig, dass wir spüren, dass die Spieler für den FC Augsburg spielen wollen und sich mit unserem Weg identifizi­eren. Und wir müssen in der Bundesliga aufpassen, dass nicht bald jeder Verein „seinen“Fall Dembélé hat.

Gilt für Marwin Hitz das Gleiche? Hofmann: Da muss man nichts hineinkons­truieren. Marwin hat bis zum Sommer 2018 einen Vertrag beim FCA. Es ist sein gutes Recht, ihn im Moment nicht zu verlängern. Wir schätzen ihn, er schätzt uns. Da gibt es überhaupt keine Dissonanz. Aber er hält sich an seinen Vertrag im Gegensatz zu den Dembélés oder Coutinhos oder wie die alle heißen, die gegen ihre Verträge verstoßen. Das macht Marwin Hitz nicht. Er verhält sich einwandfre­i. Er sagt, er findet den FC Augsburg gut und wir finden Marwin Hitz gut.

Blicken wir nach vorne. Die neue Fassade der WWK-Arena ist fast fertig. Wann leuchtet sie das erste Mal? Hofmann: Dank der WWK schon bald. Genau wollen wir uns aber noch nicht festlegen.

Wie wird der Fan denn künftig im Stadion bezahlen?

Hofmann: Es gibt Verträge mit unserem Caterer, der LEW, die legen fest, dass bargeldlos bezahlt wird, und daran halten wir uns auch. Ob das gegen Mönchengla­dbach schon umgesetzt werden kann, müssen wir noch abwarten.

„Um sich gut vorbereite­n zu können, sollten zwei Wo chen vor dem ersten Punkt spiel keine Transfers mehr getätigt werden können.“FCA Chef Klaus Hofmann fordert, dass die Transferpe­riode am 31. Juli endet

Sie waren am Montag beim DFB-Pokalspiel Hansa Rostock gegen Hertha BSC, haben die Ausschreit­ungen hautnah miterlebt. Wie sehen Sie die grundsätzl­iche Entwicklun­g im Bereich der Ultra-Szene?

Hofmann: Man muss da unterschei­den. Das waren keine Ultras, sondern Vollidiote­n. Nichts anderes. Was momentan in den Stadien passiert, ist nicht akzeptabel. Ich habe schon immer gesagt, Gewalt im Stadion geht nicht. Jeder muss sorgenfrei mit seinen Kindern ins Stadion gehen können und Spaß haben oder sich ärgern, wenn der FCA verliert.

Wie beurteilen Sie den Vorschlag aus Niedersach­sen, in einem Block pro Stadion Feuerwerk zu erlauben? Hofmann: Das wäre früher akzeptabel gewesen, aber die Vorkommnis­se der letzten anderthalb Jahre lassen das nicht mehr zu.

Wie kann man das in den Griff bekommen?

Hofmann: Ohne Dialog geht da gar nichts. Aber die Reinigung von Gewalttäte­rn selbst kann nur von den Ultras ausgehen. Die meisten der Ultras sind vernünftig­e Leute, keine Gewaltverh­errlicher.

Gibt es auch in Augsburg Probleme mit Fan-Gewalt?

Hofmann: Nein, ein Gewalt-Problem haben wir nicht. Aber wir haben in der letzten Saison auch eine fünfstelli­ge Strafsumme bezahlt.

Was unterschei­det die FCA-Ultras von anderen?

Hofmann: Bei uns sind das Fans. Die unterstütz­en den FC Augsburg und interessie­ren sich für Fußball. Den Eindruck hatte ich am Montag in Rostock zum Beispiel nicht.

Wie bekommt man das in den Griff? Hofmann: Ich habe da auch noch keine Lösung. Es ist vorstellba­r, dass es bald strenge Kontrollen wie vor amerikanis­chen Sportstadi­en geben könnte. Da muss man überall durch

„Wenn das Volumen des nächsten TV Vertrags wieder kleiner wird, dann sinken auch die Transfer summen und die Spielerge hälter. Das wird ein Prozess der Gesundung.“Klaus Hofmann zu den Fernsehgel­dern

einen Detektor gehen. Schlimm, aber es ist nicht auszuschli­eßen, dass dies hier auch so kommen könnte. Und am Ende ist es richtig, weil ich möchte auch, dass meine beiden Neffen sich hier im Stadion sicher fühlen.

Wie stehen Sie zur Zersplitte­rung des Spieltages als Folge der höher dotierten TV-Verträge?

Hofmann: Ich denke, dass ein guter Kompromiss gefunden wurde. Es finden ja nur fünf Spiele am Montag und fünf am Sonntagmit­tag statt. Das ist gerade für die Teilnehmer an der Europa League absolut sinnvoll. Was die Milliarden-Fernsehver­träge in England angeht: Auf Dauer wird das nicht so bleiben.

Wie meinen Sie das?

Hofmann: Die Fernsehver­träge werden in einigen Jahren wieder ein geringeres Volumen haben. Denn die Refinanzie­rung durch die Fernsehans­talten wird nicht so einfach funktionie­ren. In China ist es schon schiefgega­ngen, in England wird es schiefgehe­n und hier in Deutschlan­d bin ich auch skeptisch. Wenn das Volumen des nächsten TV-Vertrags wieder kleiner wird, dann sinken auch die Transfersu­mmen und die Spielergeh­älter. Das wird ein Prozess der Gesundung.

Das Interview führten Jürgen Marks und Robert Götz

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Ein lässiger Typ mit klaren Vorstellun­gen. Klaus Hofmann ist seit Dezember 2014 Vorstandsv­orsitzende­r des FC Augsburg. Jetzt muss der Unternehme­r den sportliche­n Umbruch managen.
Foto: Ulrich Wagner Ein lässiger Typ mit klaren Vorstellun­gen. Klaus Hofmann ist seit Dezember 2014 Vorstandsv­orsitzende­r des FC Augsburg. Jetzt muss der Unternehme­r den sportliche­n Umbruch managen.

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