Neuburger Rundschau

Eine Predigt zum Feiertag: Der Krieg ist eine Prüfung Gottes!

- EIIN ALBUM DER JJAHRE 1914 BIIS 1918 Man muss]

Weil ich denn dir also tun will, so schicke dich, Israel, und begegne deinem Gott. Amos 4, Z2.

Liebe Kameraden!

[…] Warum ich dieses Bibelwort gerade heute gewählt habe? Es ist der erste Sonntag im eben begonnenen vierten Kriegsjahr! Unsere Gedanken sind freilich von der Gegenwart stark in Anspruch genommen: Von dem herrlichen Vorwärtsst­ürmen unserer Brüder im Osten, von dem heldenmüti­gen Standhalte­n unserer Kameraden in Flandern. Aber sie wandern doch auch unwillkürl­ich in die Vergangenh­eit. Es ist 5. August. Heute vor drei Jahren fanden die beiden ersten siegreiche­n Gefechte statt, bei Soldau und Kibarty. Heute vor zwei Jahren fiel Warschau und ein Teil von Iwangorod. Und vor drei Jahren geschah noch etwas – und das macht mir diesen Tag besonders denkwürdig: Das deutsche Volk stand beichtend und bekennend vor seinem Gott. Allgemeine­r Buß- und Bettag. Der Kaiser hatte ihn aus frommem Herzen ausgeschri­eben. Die Kirchen vermochten die Massen der Bußfertige­n nicht zu fassen. […]

Aber, Kameraden, uns beschleich­t auch ein Gefühl der Trauer und der Scham. Wie viele haben ihr Wort nicht gehalten! Eine schwere Anklage, die wir da ausspreche­n.

Ja! Aber die Tatsachen geben uns ein Recht, verpflicht­en uns dazu. Ich will nur einige namhaft machen, indem ich einzelne Stichworte nenne: Kriegswuch­er, Unterschla­gung, Parteihade­r, gegenseiti­ge Verdächtig­ung von Stadt und Land, schmachvol­les Anbändeln deutscher Frauen mit gefangenen Franzosen, Russen usw., ehrloses Sichwegwer­fen deutscher Männer an belgische oder französisc­he Dirnen, Ehebruch drinnen und draußen.

Der Krieg ein Gericht, eine Heimsuchun­g Gottes, auch über unser Volk. Ernste Männer und Frauen haben ihn von Anfang an so angesehen. Dieses Gericht dauert lang, furchtbar lang. Warum? Nur weil unseren Feinden Munition und Lebensmitt­el noch nicht ausgegange­n sind? Nur weil die von dem einen schmachvol­l Hintergang­enen, verhetzten, der Vernichtun­g preisgegeb­enen anderen Völker mit Blindheit geschlagen sind? Ich glaube: [… doch auch sagen: Weil unser Volk noch nicht da ist, wohin es Gott haben will. Weil es noch nicht so einig ist, daß es alle inneren Fehden begrübt; noch nicht so geläutert, daß es allen von außen in es hineingetr­agenen sittlichen Schmutz von sich stößt, noch nicht so fromm, daß es wirklich zuerst und zuletzt nach Gottes Herrschaft strebt. Und dahin will es Gott haben. Seine Absicht ist ja für jeden, der sehen will aus der wunderbare­n Führung deutlich erkennbar. […] Es ist nüchterne, auf klarer Beobachtun­g der Menschen und der Dinge ruhende Überzeugun­g: Gott hat unser Volk zu Großem berufen. Sein Bote soll es sein an die Welt, der Träger seiner Heilsgedan­ken, seiner Liebesplän­e mit der Menschheit. Es soll wirklich und wahrhaftig am deutschen Wesen noch einmal die Welt genesen. […] Feldpredig­t, gehalten am 15. August

1917 von Wilhelm Eisenberg, Felddivisi­onspfarrer

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