Eine Predigt zum Feiertag: Der Krieg ist eine Prüfung Gottes!
Weil ich denn dir also tun will, so schicke dich, Israel, und begegne deinem Gott. Amos 4, Z2.
Liebe Kameraden!
[…] Warum ich dieses Bibelwort gerade heute gewählt habe? Es ist der erste Sonntag im eben begonnenen vierten Kriegsjahr! Unsere Gedanken sind freilich von der Gegenwart stark in Anspruch genommen: Von dem herrlichen Vorwärtsstürmen unserer Brüder im Osten, von dem heldenmütigen Standhalten unserer Kameraden in Flandern. Aber sie wandern doch auch unwillkürlich in die Vergangenheit. Es ist 5. August. Heute vor drei Jahren fanden die beiden ersten siegreichen Gefechte statt, bei Soldau und Kibarty. Heute vor zwei Jahren fiel Warschau und ein Teil von Iwangorod. Und vor drei Jahren geschah noch etwas – und das macht mir diesen Tag besonders denkwürdig: Das deutsche Volk stand beichtend und bekennend vor seinem Gott. Allgemeiner Buß- und Bettag. Der Kaiser hatte ihn aus frommem Herzen ausgeschrieben. Die Kirchen vermochten die Massen der Bußfertigen nicht zu fassen. […]
Aber, Kameraden, uns beschleicht auch ein Gefühl der Trauer und der Scham. Wie viele haben ihr Wort nicht gehalten! Eine schwere Anklage, die wir da aussprechen.
Ja! Aber die Tatsachen geben uns ein Recht, verpflichten uns dazu. Ich will nur einige namhaft machen, indem ich einzelne Stichworte nenne: Kriegswucher, Unterschlagung, Parteihader, gegenseitige Verdächtigung von Stadt und Land, schmachvolles Anbändeln deutscher Frauen mit gefangenen Franzosen, Russen usw., ehrloses Sichwegwerfen deutscher Männer an belgische oder französische Dirnen, Ehebruch drinnen und draußen.
Der Krieg ein Gericht, eine Heimsuchung Gottes, auch über unser Volk. Ernste Männer und Frauen haben ihn von Anfang an so angesehen. Dieses Gericht dauert lang, furchtbar lang. Warum? Nur weil unseren Feinden Munition und Lebensmittel noch nicht ausgegangen sind? Nur weil die von dem einen schmachvoll Hintergangenen, verhetzten, der Vernichtung preisgegebenen anderen Völker mit Blindheit geschlagen sind? Ich glaube: [… doch auch sagen: Weil unser Volk noch nicht da ist, wohin es Gott haben will. Weil es noch nicht so einig ist, daß es alle inneren Fehden begrübt; noch nicht so geläutert, daß es allen von außen in es hineingetragenen sittlichen Schmutz von sich stößt, noch nicht so fromm, daß es wirklich zuerst und zuletzt nach Gottes Herrschaft strebt. Und dahin will es Gott haben. Seine Absicht ist ja für jeden, der sehen will aus der wunderbaren Führung deutlich erkennbar. […] Es ist nüchterne, auf klarer Beobachtung der Menschen und der Dinge ruhende Überzeugung: Gott hat unser Volk zu Großem berufen. Sein Bote soll es sein an die Welt, der Träger seiner Heilsgedanken, seiner Liebespläne mit der Menschheit. Es soll wirklich und wahrhaftig am deutschen Wesen noch einmal die Welt genesen. […] Feldpredigt, gehalten am 15. August
1917 von Wilhelm Eisenberg, Felddivisionspfarrer