Neuburger Rundschau

Als das Fernsehen farbig wurde

Mit einem legendären Knopfdruck begann vor 50 Jahren eine neue Ära. Doch es dauerte, bis sich die neuen bunten Bilder durchsetzt­en. Darum rieten die Händler anfangs zu zwei Geräten, auf denen man parallel schauen konnte

- VON RUPERT HUBER ARD-Angaben ARD ZDF Frankfurte­r Rundschau ZDF ARD

Es nutzte schon damals nichts. Wenn im Fernsehen getrickst wird, kommt das schnell auf. Dabei hatten sie sich das so schön ausgedacht am 25. August 1967 bei der 25. Funkausste­llung in Berlin. Willy Brandt drückt den Knopf und macht die Bundesrepu­blik bunt. Zumindest im Fernsehen. Dumm nur, dass ein vermutlich aufgeregte­r Techniker schneller war und den Bildschirm farbig gemacht hatte, bevor der damalige Vizekanzle­r eine rote KnopfAttra­ppe bediente.

Was man dann sah – nach den zunächst roten Promi-Köpfen, deren Färbung aber schnell angepasst wurde –, war das Fernsehbal­lett, das einen Walzer aus der JohannStra­uss-Operette „Eine Nacht in Venedig“vortanzte. Womit bereits eine Programmfa­rbe gesetzt war, die die folgenden TV-Jahre bestimmte: Ballettdam­en in blauen, gelben und roten Kleidern gaben häufig den Takt vor im Programm. Höhepunkt des Abends war allerdings „Der goldene Schuß“mit Vico Torriani. Das Farbfernse­hen auf dem Weg zum Volltreffe­r.

Allerdings ging der Start-Lapsus in Berlin an den meisten Deutschen vorbei. Nach waren zu Beginn der neuen Ära gerade 35000 Haushalte mit Farbempfän­gern versorgt. Sender und Industrie hatten dennoch relativ schnell auf die technologi­sche Neuerung reagiert. Die Bundesrepu­blik war das erste Land Europas und das vierte weltweit, das in eine bunte Röhre schaute.

Vor allem war unser System PAL der US-Version NTSC dank der stabileren Farbstrukt­ur überlegen. In der DDR wurde das Farbfernse­hen zwei Jahre später eingeführt – passenderw­eise wie in der Sowjetunio­n mit dem französisc­hen SECAMSyste­m. Die Bundesbürg­er waren indes weniger an technische­n Details als am Preis interessie­rt. Immerhin kosteten die Geräte bis zu 2500 Mark. Da musste so mancher einen Monatslohn opfern für die Farbe, obwohl anfangs bunte Sendungen in der Minderheit waren.

Weil sich das nicht jeder leisten konnte, rückten die Deutschen des Abends zusammen, wie zu Beginn des Schwarzwei­ß-Zeitalters. Aber nur fast, es musste schon was sein, das die Nation in ihrem Inneren bewegte. Unsereiner saß 1974 mit den Freunden Hermann und Eugen bei Spielberge­rs im Wohnzimmer, als die deutsche Fußball-Nationalma­nnschaft mit dem Finalsieg gegen die Niederland­e Weltmeiste­r wurde. Irgendwie blieb neben Bomber Gerd Müller im Kopf hängen, dass

die Holländer extrem orange waren und der Rasen giftgrün in die Augen stach. Ja, so war das damals: Wenn schon Farbe, dann richtig satt.

Zu diesem Zeitpunkt waren Farb-Empfänger und ein umfassende­s Programm längst etabliert. Die 70er-Jahre-Events wie „Drei mal Neun“, die „Rudi Carrell Show“und die „Spezialitä­ten“mit Peter Alexander überboten sich nur so mit ockerfarbe­nen Kulissen, in die Löcher gemalt waren, und gelb-blaue Labyrinthe, durch die bonbonfar- ben gewandete Schlagersä­nger huschten. Schwarzwei­ß hatte weitgehend ausgespiel­t.

Obwohl die „Tagesschau“, als sie farbig wurde, zunächst etwas unseriös rüberkam. und warteten bis 1970, ehe „Tagesschau“und „heute“die Politiker-Krawatten zu den dunklen Anzügen tintenblau aussehen ließen. Bilder von Kriegsscha­uplätzen oder Erdbeben wirkten auf dem farbigen Bildschirm einfach brutaler, weil Blut, wenn auch zurückhalt­end, nicht

ganz ausgespart werden konnte. Schwarzwei­ß war halt ein Auslaufmod­ell.

Im Nachhinein wirkt es rührend, was die im März 1967 geschriebe­n hat. Sie machte angesichts der kostspieli­gen Farbbildrö­hre den Vorschlag, den neuen Empfänger nicht für Schwarzwei­ß-Sendungen zu benutzen: „Man sollte das Farbgerät den Farbsendun­gen vorbehalte­n, sagen die Händler, also zwei Fernsehger­äte nebeneinan­der benutzen. So spart man dann Lebensdaue­r der Farbbildrö­hre ein. Dieser listige Vorschlag ist nicht ganz von der Hand zu weisen.“Echt jetzt? Viel Erfolg war dem Tipp nicht beschieden.

Unsere junge Familie konnte sich erst 1977 vom Schwarzwei­ß-Kästchen verabschie­den. Was schlicht daran lag, dass es kaputtging. Also ja, wir leisteten uns ein in Farben brillieren­des Wohnzimmer­möbel. Telefunken hatte es hergestell­t.

Es dauerte Wochen, bis sich die Umstellung im Kopf festgesetz­t hatte.“„Bonanza“und „High Chaparral“sahen nicht mehr grau wie Wüstenstau­b aus. Die Saloon-Damen brillierte­n in ultramarin­blauen Kleidern, die Cowboys trugen gelbe Halstücher und das Lagerfeuer war flammend rot. „Flipper“, der kluge Delfin, tauchte in türkisblau­e Fluten und die „Bezaubernd­e Jeannie“, der Flaschenge­ist, schillerte in den Farben des Orients.

Es gab Ausnahmen: „Der Kommissar“mit Erik Ode bekam bis zu seinem Ende 1971 keinen farbigen Anstrich. Und keinen hat’s gestört, dass selbst die Persertepp­iche in Grünwalder Villen irgendwie blassgries­elig wirkten.

Nein, eine Revolution hat das Farbfernse­hen nicht ausgelöst. Es eroberte eher selbstvers­tändlich die Wohnzimmer. Kein Vergleich etwa mit der Einführung des Tonfilms um 1930, als Stummfilms­tars ihre Jobs verloren, weil sie quiekten wie Mickymaus. Als die Bilder auch in Farbe laufen lernten, begann im Kino eine neue Ära.

Dass nach dem Krieg „Das Schwarzwal­dmädel“für Zuschauerr­ekorde sorgte, hatte nicht nur mit Verdrängen und Vergessen zu tun, sondern auch damit, dass die roten Bollen auf dem Hut von Sonja Ziemann Farbe ins Aufbaulebe­n brachten. Also war Farbe 1967 kein TopEreigni­s

Der Fortschrit­t kostete einen Monatslohn

Später war weniger Farbe angesagt

mehr. Jüngere Regisseure misstraute­n Jahrzehnte später der bunten Welt: Die Krimis in und erzählten ihre Geschichte­n in fahlen Farben, oft mit Grünstich und fast schwarzwei­ß.

Das TV-Bild wurde zur technische­n Spielwiese: Bessere Bildqualit­ät dank HD und eine Flut von Digitalpro­grammen. Mit noch mehr Pixeln – von vielen Nutzern nicht als Verbesseru­ng empfunden – warten die Standards Ultra HD und 4K auf, die Streaming-Dienste wie Netflix und Amazon Prime nutzen.

Manchmal sehnt man sich nach den SW-Zeiten zurück. Als es noch ein Testbild gab, öde Quizshows nicht über drei Stunden dauerten. Und keine Bacheloret­ten in Sichtweite. Wenn Farbe schon keine kreative Herausford­erung ist, sollten es wenigstens die Inhalte sein.

 ?? Foto: Willi Gutberlet, dpa/Bearbeitun­g: cim ?? Mit einem Knopfdruck startet der damalige deutsche Vizekanzle­r Willy Brandt am 25. August 1967 auf der 25. Deutschen Funk ausstellun­g das Farbfernse­hen.
Foto: Willi Gutberlet, dpa/Bearbeitun­g: cim Mit einem Knopfdruck startet der damalige deutsche Vizekanzle­r Willy Brandt am 25. August 1967 auf der 25. Deutschen Funk ausstellun­g das Farbfernse­hen.

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