Alkoholiker geht mit Messer auf Freundin los
Gericht Der Mann kommt mit Bewährung davon. Warum die Richterin Vertrauen in ihn setzt
Neuburg Ein starker Alkoholiker ist mit rund zwei Promille im Blut mit dem Messer auf seine Freundin losgegangen. Deshalb musste sich der 39-Jährige wegen gefährlicher Körperverletzung am Neuburger Amtsgericht verantworten.
Es war ein Tag im Mai des vergangenen Jahres. Der damals 38-Jährige wohnte bei seiner Freundin in Neuburg. Sie waren beide erst vor einer Woche aus der Entgiftungsklinik entlassen worden. Der Mann machte gerade ein Nickerchen auf der Couch. Da weckte ihn seine Freundin auf, um gemeinsam mit ihm zur Bank zu fahren. Es kam zu einem Streit, weil er nach dem Entzug doch wieder etwas getrunken hatte. Also machte sich die Frau alleine auf den Weg. Als sie wieder in die Wohnung zurückkehrte, ging ihr Freund mit einem Messer auf sie los. Die Frau konnte den Stich in Richtung Bauch allerdings abwehren – und kam mit einer Schnittwunde an der rechten Hand davon. So schilderte Staatsanwältin Rachel Büschken den Vorfall. Richterin Bettina Mora ergänzte noch, dass der Mann laut Blutuntersuchung zum Tatzeitpunkt einen Promillewert zwischen 1,8 und 2,4 hatte.
Der Angeklagte räumte den Sachverhalt ohne Umschweife ein. Auch, dass er nach dem Entzug zunächst Medikamente im Übermaß konsumierte, um „Party zu machen“, bevor er schließlich wieder dem Alkohol verfiel. Mehrfach wiederholte er: „Mir tut das alles wirklich wahnsinnig leid.“Ohne Alkohol und Drogen sei er der friedliebendste Mensch der Welt und könne keiner Fliege etwas zuleide tun. Im Moment der Tat habe er jedoch keine Perspektive mehr gesehen. Darauf ging dann der Gutachter näher ein.
Dieser berichtete, was der Angeklagte ihm in einem Vorgespräch mitgeteilt hatte. Der Mann habe immer wieder Ärger mit seiner ExFrau gehabt, weil er Kontakt zur gemeinsamen Tochter haben wollte. So auch am Tag der Tat. Außerdem habe er das Gefühl gehabt, dass seine Freundin ihn nicht mehr liebe. Da wollte er ihrem und seinem Leben ein Ende setzen. Schon kurz nach dem Stich habe er aber realisiert, dass das ein großer Fehler gewesen sei. Zu spät. Nach kurzer Zeit kam die Polizei. Der Angeklagte sei stark alkoholisiert gewesen und habe sich in einem depressiven Zustand befunden, sagte der Gutachter. Er weise eine instabile Persönlichkeit – also Stimmungsschwankungen – auf und seine Steuerungsfähigkeit könnte erheblich eingeschränkt gewesen sein. Auf eine verminderte Schuldfähigkeit legte sich der Gutachter allerdings nicht fest. Die Chance, dass der Angeklagte den Entzug nun langfristig durchhalte, schätzte er auf 80 zu 20 für den Mann.
Die Staatsanwältin forderte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Verteidigerin Carmen Reicheneder befand sieben bis acht Monate für angemessen. Ihr Mandant sei nicht vorbestraft. Er sei zum Tatzeitpunkt „völlig am Boden gewesen“, habe sein Leben danach aber in die Hand genommen, sich selbst in den Entzug begeben und wohne nun bei einer langjährigen Freundin. Von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt riet sie ab. Stattdessen solle dem Mann zur Auflage gemacht werden, die ambulante Therapie, die er begonnen habe, fortzusetzen.
Richterin Bettina Mora erklärte den Angeklagten schließlich für schuldig der gefährlichen Körperverletzung und verurteilte ihn zu acht Monaten auf Bewährung: allerdings nicht zur Unterbringung im Gefängnis, sondern – entgegen dem Wunsch der Verteidigerin – in einer Entziehungsanstalt. „Mir wäre es lieber, wenn sie es alleine schaffen“, sagte die Richterin. Mora sah die Sozialprognose des inzwischen 39-Jährigen als günstig an. „Ich bin beeindruckt, was Sie alles geschafft haben. Dass Sie an sich gearbeitet haben, sich selbst in die Entzugsklinik eingeliefert haben und eigenständig zum Arbeitsamt gegangen sind. Das ist nicht selbstverständlich.“Der Angeklagte muss sich nun regelmäßig bei seinem Bewährungshelfer melden und sich Urin- und Blutkontrollen unterziehen. Außerdem muss er seine Therapie weitermachen und Arbeit suchen.