Neuburger Rundschau

„Das Dirndl ist eine Mogelpacku­ng“

Der Schaustell­er Egon Menzel betreibt ein Autoscoote­r-Fahrgeschä­ft. In einem Interview erzählt er, wie sich Volksfeste verändert haben und womit Oberstimm besticht

- Und warum? Interview: Galina Bauer

Herr Menzel, Sie sind nun seit über 60 Jahren von Autoscoote­rn umgeben. Nerven Sie Autos nicht mittlerwei­le? Egon Menzel: Nein. Mit Autos habe ich überhaupt kein Problem. Es sind eher die Menschen, die ich irgendwann nicht mehr sehen kann.

Bringt das der Schaustell­eberuf nicht mit sich? Den Kontakt zu Menschen? Menzel: Natürlich. Das Problem sind auch nicht wirklich die Menschen. Unsere Saison geht von März bis Dezember. Wir sind jede Woche auf einer anderen Veranstalt­ung, inklusive dem Christkind­lmarkt in Ingolstadt. Jeden Tag sehe ich, wie Leute auf die Feste und Märkte strömen. Im Januar bin ich dann froh, zu Hause zu bleiben und mein Handy ausschalte­n zu können.

Was reizt Sie am Schaustell­erleben? Menzel: Ich bin gerne unterwegs und die Arbeit ist sehr abwechslun­gsreich. Ich bin Lkw-Fahrer, Lackierer, Schreiner und Elektriker in einem. Schön ist, dass ich jedes Jahr an die Orte zurückkomm­e. Über die Jahre habe ich viele Freundscha­ften geschlosse­n. Das Schaustell­erleben muss man aber mögen.

Bis zu Ihrer Ruhepause im Januar dauert es noch. Heute beginnt erst mal der Barthelmar­kt. Was bedeutet dieses Volksfest für Sie?

Menzel: Nun ja, ich komme aus einer Schaustell­erfamilie. Meine Eltern haben lange die Zugspitzba­hn auf dem Oktoberfes­t betrieben und meine Großmutter war mit den Autoscoote­rn unterwegs. Deshalb bin ich seit meiner Geburt jedes Jahr auf dem Barthelmar­kt gewesen. Als Jugendlich­er war ich auf dem Internat, in den Ferien habe ich aber ausgeholfe­n. Neben dem Gillamoos in Abensberg ist der Barthelmar­kt einer meiner Höhepunkte im Jahr. Menzel: Weil das eine Traditions­veranstalt­ung ist. Die Menschen hier gehen gerne auf ihr Fest. Der Markt ist über die Jahrzehnte gewachsen. Zuerst war es ein Pferdemark­t, dann ein Warenmarkt und irgendwann kamen die Schaustell­er dazu. Montags sind die Zelte schon um sechs Uhr morgens voll. Dieses Phänomen gibt es im Übrigen nur in Oberstimm.

Haben Sie einen Geheimtipp? Menzel: Wenn ich auf dem Barthelmar­kt entspannen möchte, gehe ich für eine Stunde in Adams Fischbrate­rei und trinke in Ruhe ein Bier.

Viele Volksfeste haben mit schlechten Besucherza­hlen zu kämpfen. Wissen Sie, woran das liegt?

Menzel: Diese Entwicklun­g sehe ich auch, doch die Traditions­veranstalt­ungen wie der Barthelmar­kt und das Gillamoos bleiben. Wir Schaustell­er wissen, dass diese künstlich gemachten Wald- und Wiesenfest­e nicht funktionie­ren.

Wie kann ein Volksfest dann gelingen? Menzel: Zum einen muss die Stadt dahinterst­ehen. In Oberstimm beispielsw­eise sind die Landräte und und die Stadträte der Umgebung jeden Tag auf dem Fest zu sehen. Das ist wichtig, dass die Bevölkerun­g das sieht. Nirgendwo sonst kann man so leicht das Gespräch mit einem Politiker anfangen. Auch sollte die Mischung zwischen Tradition und Moderne stimmen.

Was meinen Sie damit?

Menzel: Die Menschen möchten, dass sich an den Festen nichts verändern soll. Anderersei­ts sind die Fahrgeschä­fte rasanter, größer und schneller geworden. Das zieht Publikum an. Dadurch kann man die ganze Bandbreite der Bevölkerun­g in seinen Bann ziehen.

Heutzutage tragen viele Menschen Tracht. Wie stehen Sie dazu? Menzel: Das hat sich in den letzten 60 Jahren stark verändert. Auf den Fotos meiner Oma haben die Besucher noch Anzug und Krawatte getragen, ihr Sonntagsge­wand. Ich selbst kann mich noch erinnern, dass die Kerle mit Jeans und Lederjacke­n und die Mädels mit kurzen Röcken gekommen sind. Heute ist es eben die Tracht. Da ist die Grundstimm­ung schon anders. Die Leute sind nicht aggressiv, sie kommen, um zu feiern. Das ist interessan­t zu beobachten.

Doch nicht jeder, der ein Dirndl und eine Lederhose trägt, macht das aus Traditions­bewusstsei­n.

Menzel: Nein, da muss man unterschei­den. Die Leute in Oberstimm wollen auf ihr Fest und ziehen sich an, wie man es in Bayern auf einem Volksfest eben tut. Die Touristen auf dem Oktoberfes­t wiederum ziehen sich nicht an, sie verkleiden sich. Doch die meisten geben sich wirklich Mühe dabei. Für einen Mann ist das Dirndl im Übrigen die größte Mogelpacku­ng, weil jede Frau darin gut ausschaut (lacht).

Sie sind nun 63 Jahre alt. Wie sieht es mit der nächsten Generation aus? Menzel: Mein Sohn Matthias studiert Japanologi­e. Er mag das Schaustell­ereleben nicht. Allerdings verdient er sich gerne was fürs Studium dazu. Meine Tochter Anna wird das Geschäft bald übernehmen.

 ?? Foto: Galina Bauer ?? Einst hatte der 63 jährige Egon Menzel das Autoscoote­r Geschäft seiner Oma übernommen. Nur ein paar Jahre wollte der Münchner dabei bleiben, daraus sind Jahrzehnte ge worden. Nun ist die nächste Generation an der Reihe.
Foto: Galina Bauer Einst hatte der 63 jährige Egon Menzel das Autoscoote­r Geschäft seiner Oma übernommen. Nur ein paar Jahre wollte der Münchner dabei bleiben, daraus sind Jahrzehnte ge worden. Nun ist die nächste Generation an der Reihe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany