Neuburger Rundschau

Wie stellt man Angela Merkel?

SPD-Generalsek­retär Hubertus Heil kennt natürlich die Umfragen. Sie sehen nicht gut aus für seine Partei. Wie der Sozialdemo­krat die Kanzlerin in der heißen Phase des Wahlkampfs doch noch in Bedrängnis bringen will

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Es passiert ganz von selber. Wer sich mit einem SPD-Generalsek­retär unterhält, landet früher oder später – meist früher – beim Thema Angela Merkel. Wie kann man der Kanzlerin beikommen, wie kann man sie stellen? Wie kann man die Frau trefflich attackiere­n, obgleich man doch seit Jahren mit ihr zusammen regiert? Hubertus Heil macht sich über diese Fragen Gedanken. Von Berufs wegen gewisserma­ßen. Zunächst einmal verrät der 44-Jährige, welche „extremen Fehler“man im Umgang mit der mächtigste­n Politikeri­n der Welt unbedingt vermeiden sollte: „Man darf sie nicht unterschät­zen – das ist der SPD schon passiert. Und man darf sie nicht auf einen Sockel heben.“

Zuletzt versuchten die Sozialdemo­kraten, die beliebte Kanzlerin härter anzupacken. Merkel traue sich nicht, den türkischen Präsidente­n Erdogan in die Schranken zu weisen. Merkel habe zu viel Geduld mit US-Präsident Donald Trump und viel zu viel Nachsicht mit der tricksende­n deutschen Autoindust­rie. Solche Vorwürfe kommen immer wieder. Dennoch hat sich der Eindruck verfestigt, dass es Genossen einfach nicht gelingen will, die CDU-Politikeri­n zu stellen. „Angela Merkel weicht jeder Debatte aus. Die CDU macht keine programmat­ischen Aussagen“, sagte SPD-Chef Martin Schulz kürzlich. Ein kleiner Schuss Verzweiflu­ng schien dabei mitzuschwi­ngen.

Heil jedenfalls greift den Vorwurf des SPD-Spitzenkan­didaten auf. „In den zwölf Jahren als Kanzlerin hat sich Merkel natürlich auch Verdienste erworben. Das Problem ist aber, dass sie keinen Plan für die Zukunft hat.“Heil macht das am Thema Bildung fest. „Wir werden 2025 rund eine Million mehr Schüler haben. Das ist erfreulich, an dieser Entwicklun­g habe ich auch persönlich Anteil“, sagte er und lächelt stolz. Vor wenigen Monaten hat seine Frau eine Tochter zur Welt gebracht – einen Sohn hat das Ehepaar bereits. Dann wird es wieder politisch: „Das Problem ist, dass die Union unter dem Motto ,läuft doch‘ nicht erkennt, dass wir massiv in Bildung investiere­n müssen. Das ist verheerend, denn es geht um unsere Zukunftsfä­higkeit.“

Letztere sieht Heil, der im Juni das Amt des Generalsek­retärs, das er bereits von 2005 bis 2009 innehatte, von Katarina Barley übernommen hat, als gefährdet an. Das Land könne es sich mit Blick auf den eklatanten Mangel an Fachkräfte­n, der sich zu einer „ökonomisch­en Katastroph­e“auszuwachs­en drohe, nicht leisten, dass in Deutschlan­d 50 000 Schüler im Jahr keinen Abschluss machen würden. „Die Herkunft entscheide­t viel zu oft über Bildungsch­ancen.“Den Anschluss drohe das Land auch auf den Feldern Infrastruk­tur und Digitalisi­erung zu verpassen. Man müsse viel mehr investiere­n anstatt „weiterzuwu­rsteln“, und das werde die SPD tun, wenn sie nach dem 24. September die Gelegenhei­t dazu erhalte.

Den Anschluss verloren hat allerdings auch die SPD. Die letzten Landtagswa­hlen – schmerzlic­h der Machtverlu­st im Stammland NRW – gingen verloren. Umfragen sehen die Partei im Bund bei 24 bis 26 Prozent. Heil, der im Bundestag seit 1998 den niedersäch­sischen Wahlkreis Gifhorn-Peine vertritt, sieht jedoch alle Chancen, den Bock noch umzustoßen: „42 Prozent der Wähler haben sich noch nicht festgelegt. Davon ist ein großer Teil für die SPD erreichbar.“

Erreichbar womit? Mit einem Wahlkampf, in dem Gerechtigk­eit eine Hauptrolle spielt. Zweifel an dieser Strategie wischt Heil beiseite. Es sei die wachsende Ungleichhe­it, die das Modell Deutschlan­d auf lange Sicht gefährde.

Nicht zuletzt Martin Schulz war es, der die Kanzlerin lobte, als sie 2015 die Grenzen für Flüchtling­e aus Ungarn öffnete. Heute hört sich

„Der bayerische Ministerpr­äsident hypt das Thema mit seiner idiotische­n Obergrenze.“Hubertus Heil zur Flüchtling­spolitik

das ein wenig anders an: „Merkel hat sich nach ihrer humanitäre­n Geste 2015, die wir alle richtig fanden, zurückgele­hnt. Sie hat es versäumt, die europäisch­en Partner einzubezie­hen.“Für eine solidarisc­he Lösung in Europa stehe exemplaris­ch Schulz. Dazu hat Heil auch einen Gruß nach München im Gepäck: „Wer die Debatte in unverantwo­rtlicher Weise hypt, ist der bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer – mit seiner idiotische­n Obergrenze und dem Tanz, den er darum aufführt.“

Wer bei Hubertus Heil herauszuki­tzeln versucht, welche Partei als Koalitions­partner infrage kommen könnte, beißt auf Granit. „Wir machen keinen Koalitions­wahlkampf. Wer mit uns regieren will, muss unseren Inhalten entgegenko­mmen“, sagt er kategorisc­h. Auch ihm ist klar, dass dabei das Gewicht eine große Rolle spielen wird, das die SPD nach den Wahlen auf die Waage bringt: „Nach der Euphorie um Schulz gab es keinen Absturz, aber einen Sinkflug. Jetzt müssen wir die Maschine wieder hochziehen. Die Kampagne läuft gut.“Entscheide­nd sei die Schlussmob­ilisierung. „Dann muss man zuspitzen. Das tun wir.“

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Das Budget, das Generalsek­retär Hubertus Heil für den Wahlkampf zur Verfügung hat, kann sich sehen lassen: Die SPD investiert in ihre Kampagne 24 Millionen Euro. CDU und CSU kommen zusammen auf 29 Millionen Euro.
Foto: Ulrich Wagner Das Budget, das Generalsek­retär Hubertus Heil für den Wahlkampf zur Verfügung hat, kann sich sehen lassen: Die SPD investiert in ihre Kampagne 24 Millionen Euro. CDU und CSU kommen zusammen auf 29 Millionen Euro.

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