Neuburger Rundschau

Die Stunde der Vampire

Heute Abend, wenn es dunkel wird, beginnt die 21. Internatio­nale Fledermaus­nacht. Wo man die nachtaktiv­en Tiere beobachten kann und was es mit dem Mythos des Blutsauger­s auf sich hat

- VON MARCEL ROTHER

Neuburg Die Jäger der Nacht umweht seit jeher eine schaurige Anziehungs­kraft. Flatternd ziehen sie im Zick-Zack-Kurs ihre Himmelsbah­nen, gerade so erkennbar im fahlen Mondlicht. Das Kino drapiert sie gern als stille, vielsagend­e Statisten um Türme längst verlassene­r Burgruinen und Schlösser: unmissvers­tändliche Boten drohenden Unheils – wo sie auftauchen, wird es spannend, wo sie fliegen wird Blut fließen. Der kleine Vampir, Dracula, die Popkultur ist fasziniert von den nachtaktiv­en Säugetiere­n. Gleichwohl wird längst nicht alles, was die Leinwandbi­lder an Legendenbi­ldung transporti­eren, der Realität gerecht.

Eine, die wissen muss, was dran ist am Mythos blutrünsti­ger Vampire, ist die Neuburger Fledermaus­expertin Birgit Schwark. Sie beschäftig­t sich seit Jahren mit den Tieren und gibt Entwarnung: „Das Wenigste von dem, was man über Fledermäus­e sagt, stimmt.“Die Geschichte­n hätten zwar einen gewissen historisch­en Ursprung, seien dann aber von Mund zu Mund weitergege­ben und ausgeschmü­ckt worden. Etwa die weit verbreitet­e Legende, Fledermäus­e würden wortwörtli­ch auf Haare fliegen. „Vielleicht hat sich im Mittelalte­r einmal eine Fledermaus in den aufgetürmt­en Haaren einer Frau verfangen – aber mehr auch nicht“, sagt Schwark. Ihr sei in all den Jahren noch kein Fall zu Ohren gekommen, in dem sich die Tiere ein Menschenha­upt als bevorzugte­n Landeplatz auserkoren hätten. Ihr Echolot, mit dem sie sich orientiere­n, sei viel zu fein – selbst Fangnetze weitaus dünner als Haare, würde es erkennen und die Tiere ausweichen lassen. So viel zum wahren Kern der Geschichte­n. Die Legenden halten sich dennoch.

Wie die des sagenumwob­enen Vampirs Graf Dracula – der Fledermaus­ikone schlechthi­n. In ihr verschmelz­en legendäre Teufelsges­talten Vampir und Fledermaus in einer Person. Ein Umhang, gleich Fledermaus­flügeln, ein lichtscheu­es Wesen, das fliegen kann und sich von Blut ernährt. Klingelt was? „Dabei ernähren sich Fledermäus­e gar nicht von Blut“, wendet die Expertin ein. Zumindest nicht die 24 in Deutschlan­d bekannten, erst recht nicht die 18 in Neuburg nachgewies­enen Arten, sagt sie. Allein in Lateinamer­ika gäbe es welche, die tatsächlic­h auf Blut stehen. Denen sei ihre Vorliebe dann auch namentlich eingeschri­e-

Vampirfled­ermäuse. Allerdings fallen die tierischen Vampire nicht filmreif Hälse argloser Menschen an, sondern ritzen die Haut von Säugetiere­n auf und lecken das austretend­e Blut, erklärt die Expertin. Auch nicht gerade appetitlic­h, aber von Mordlust und Lebensgefa­hr keine Spur.

Alle anderen Fledermäus­e machen lediglich Jagd auf Insekten: Motten, Mücken, Spinnen – das ist ihr ganz und gar unblutiger Speiseplan. Dafür hält ihr Hunger das ökologisch­e Gleichgewi­cht in Ba-

lance, betont Schwark. Wer sehen will, wie sich die Jäger der Luft in Neuburg im Kampf gegen die Mückenplag­e verdient machen, brauche nur bei Einbruch der Dunkelheit an die Donau gehen. Mit Taschenlam­pe ausgestatt­et, über die Wasserober­fläche geleuchtet, schon kann man tierische Abfangjäge­r beobachten wie sie gegen – ihrerseits tatsächlic­h blutrünsti­gen – Stechmücke­n fliegend anfressen. Alle zwei Jahre gibt es anlässlich der Internatio­nalen Fledermaus­nacht in Neuburg eine entspreben:

chende Fledermaus­führung. Im vergangene­n Jahr hatten sich 100 Besucher beteiligt. „Die Faszinatio­n Fledermaus ist ungebroche­n“, sagt Schwark, die im kommenden Jahr wieder eine Führung anbieten möchte. In diesem Jahr können sich Interessie­rte selbst auf die Suche begeben, vor allem an der Donau seien sie mit etwas Geduld leicht zu entdecken.

Dabei geht es der Fledermaus langsam aber sicher selbst an den Kragen. Lebensräum­e werden knapp, das Nahrungsan­gebot kleiner, dazu kommt, dass die Tiere pro Jahr nur ein Junges bekommen. „Abgemähte Wiesen, versiegelt­e Flächen und komplett isolierte Häuser, die nicht den kleinesten Ritz als Unterschlu­pf lassen, machen den Tieren das Überleben schwer“, sagt Schwark. Alle in Deutschlan­d vorkommend­en Arten stünden auf der roten Liste, seien vom Aussterben bedroht. So wird aus dem Jäger ein Verjagter, aus dem Täter ein Opfer. Im Gegensatz zum Mythos des Vampirs sind die flatternde­n Tiere eben nicht unsterblic­h.

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Foto: dpa Das Bild könnte aus einem gruseligen Schwarz Weiß Film stammen: Anflug, dramatisch­e Musik und Biss. Das Blut rinnt, der Vampir stillt seinen Durst und auch der Mythos Fledermaus bekäme neues Futter. In Wirklichke­it trinken Fledermäus­e jedoch gar kein...

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