Die Stunde der Vampire
Heute Abend, wenn es dunkel wird, beginnt die 21. Internationale Fledermausnacht. Wo man die nachtaktiven Tiere beobachten kann und was es mit dem Mythos des Blutsaugers auf sich hat
Neuburg Die Jäger der Nacht umweht seit jeher eine schaurige Anziehungskraft. Flatternd ziehen sie im Zick-Zack-Kurs ihre Himmelsbahnen, gerade so erkennbar im fahlen Mondlicht. Das Kino drapiert sie gern als stille, vielsagende Statisten um Türme längst verlassener Burgruinen und Schlösser: unmissverständliche Boten drohenden Unheils – wo sie auftauchen, wird es spannend, wo sie fliegen wird Blut fließen. Der kleine Vampir, Dracula, die Popkultur ist fasziniert von den nachtaktiven Säugetieren. Gleichwohl wird längst nicht alles, was die Leinwandbilder an Legendenbildung transportieren, der Realität gerecht.
Eine, die wissen muss, was dran ist am Mythos blutrünstiger Vampire, ist die Neuburger Fledermausexpertin Birgit Schwark. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit den Tieren und gibt Entwarnung: „Das Wenigste von dem, was man über Fledermäuse sagt, stimmt.“Die Geschichten hätten zwar einen gewissen historischen Ursprung, seien dann aber von Mund zu Mund weitergegeben und ausgeschmückt worden. Etwa die weit verbreitete Legende, Fledermäuse würden wortwörtlich auf Haare fliegen. „Vielleicht hat sich im Mittelalter einmal eine Fledermaus in den aufgetürmten Haaren einer Frau verfangen – aber mehr auch nicht“, sagt Schwark. Ihr sei in all den Jahren noch kein Fall zu Ohren gekommen, in dem sich die Tiere ein Menschenhaupt als bevorzugten Landeplatz auserkoren hätten. Ihr Echolot, mit dem sie sich orientieren, sei viel zu fein – selbst Fangnetze weitaus dünner als Haare, würde es erkennen und die Tiere ausweichen lassen. So viel zum wahren Kern der Geschichten. Die Legenden halten sich dennoch.
Wie die des sagenumwobenen Vampirs Graf Dracula – der Fledermausikone schlechthin. In ihr verschmelzen legendäre Teufelsgestalten Vampir und Fledermaus in einer Person. Ein Umhang, gleich Fledermausflügeln, ein lichtscheues Wesen, das fliegen kann und sich von Blut ernährt. Klingelt was? „Dabei ernähren sich Fledermäuse gar nicht von Blut“, wendet die Expertin ein. Zumindest nicht die 24 in Deutschland bekannten, erst recht nicht die 18 in Neuburg nachgewiesenen Arten, sagt sie. Allein in Lateinamerika gäbe es welche, die tatsächlich auf Blut stehen. Denen sei ihre Vorliebe dann auch namentlich eingeschrie-
Vampirfledermäuse. Allerdings fallen die tierischen Vampire nicht filmreif Hälse argloser Menschen an, sondern ritzen die Haut von Säugetieren auf und lecken das austretende Blut, erklärt die Expertin. Auch nicht gerade appetitlich, aber von Mordlust und Lebensgefahr keine Spur.
Alle anderen Fledermäuse machen lediglich Jagd auf Insekten: Motten, Mücken, Spinnen – das ist ihr ganz und gar unblutiger Speiseplan. Dafür hält ihr Hunger das ökologische Gleichgewicht in Ba-
lance, betont Schwark. Wer sehen will, wie sich die Jäger der Luft in Neuburg im Kampf gegen die Mückenplage verdient machen, brauche nur bei Einbruch der Dunkelheit an die Donau gehen. Mit Taschenlampe ausgestattet, über die Wasseroberfläche geleuchtet, schon kann man tierische Abfangjäger beobachten wie sie gegen – ihrerseits tatsächlich blutrünstigen – Stechmücken fliegend anfressen. Alle zwei Jahre gibt es anlässlich der Internationalen Fledermausnacht in Neuburg eine entspreben:
chende Fledermausführung. Im vergangenen Jahr hatten sich 100 Besucher beteiligt. „Die Faszination Fledermaus ist ungebrochen“, sagt Schwark, die im kommenden Jahr wieder eine Führung anbieten möchte. In diesem Jahr können sich Interessierte selbst auf die Suche begeben, vor allem an der Donau seien sie mit etwas Geduld leicht zu entdecken.
Dabei geht es der Fledermaus langsam aber sicher selbst an den Kragen. Lebensräume werden knapp, das Nahrungsangebot kleiner, dazu kommt, dass die Tiere pro Jahr nur ein Junges bekommen. „Abgemähte Wiesen, versiegelte Flächen und komplett isolierte Häuser, die nicht den kleinesten Ritz als Unterschlupf lassen, machen den Tieren das Überleben schwer“, sagt Schwark. Alle in Deutschland vorkommenden Arten stünden auf der roten Liste, seien vom Aussterben bedroht. So wird aus dem Jäger ein Verjagter, aus dem Täter ein Opfer. Im Gegensatz zum Mythos des Vampirs sind die flatternden Tiere eben nicht unsterblich.