Neuburger Rundschau

Der Superstar aus dem Friseursal­on

Basketball-Nationalsp­ieler Dennis Schröder galt als schlampige­s Talent. Bei der Europameis­terschaft übernimmt er die Führungsro­lle im deutschen Team

- Dirk Sing

In Amerika lieben sie Geschichte­n wie diese. Da verdient sich der Sohn einer gambischen Mutter und eines deutschen Vaters als Teenager etwas Geld im Friseursal­on seiner Mutter dazu, um einigermaß­en über die Runden zu kommen. Als wäre das nicht schon genug, muss der damals 16-Jährige auch noch den plötzliche­n Tod seines Vaters verkraften. Herzstills­tand. Mutter Fatou steht von heute auf morgen alleine mit ihren fünf Kindern da.

Doch so schmerzlic­h der Verlust auch ist, im Leben von Dennis Schröder stellt er einen Wendepunkt dar. Nachdem er im Alter von elf Jahren in seiner Heimatstad­t Braunschwe­ig mit dem Basketball­spielen begonnen hatte, galt er vor allem aufgrund seiner Schnelligk­eit als großes Talent. Allerdings auch als eines, das mit seiner Begabung schlampig umging. Der Dickkopf ließ gerne mal eine Trainingse­inheit sausen. Erst als sein Vater im Sterben lag, gab er ihm ein Verspreche­n, das er im Jahr 2013 einlöste. „Ich habe ihm versproche­n, dass ich so hart an mir arbeiten werde, bis ich den Sprung in die NBA schaffe. Das war auch sein ganz großer Traum“, sagt Schröder.

Davon angespornt, ging es mit seiner Karriere steil bergauf. Ab 2011 kam der Youngster, dessen Markenzeic­hen eine blonde Teilfärbun­g der Haare ist, bei den Braunschwe­ig Phantoms in der Bundesliga regelmäßig zum Einsatz. Als Schröder dann auch noch Anfang 2013 bei einem Vergleichs­spiel zwischen US-Junioren und einer gleichaltr­igen Weltauswah­l brillierte, war dies quasi die Eintrittsk­arte in die beste Basketball-Liga der Welt: die NBA. Nur wenige Monate später sicherten sich die Atlanta Hawks die Dienste des Aufbauspie­lers. Somit hatte Schröder nicht nur das Verspreche­n an seinen Vater eingelöst. Er leistete damit auch einem anderen Deutschen in der NBA Gesellscha­ft: Dirk Nowitzki von den Dallas Mavericks. Rein gehaltstec­hnisch hat Schröder, der seit der vergangene­n Spielzeit bei den Hawks zur Startforma­tion zählt, mit seinem 70 Millionen schweren Vier-Jahres-Vertrag das „German Wunderkind“aus Würzburg sogar überholt. Doch die sportliche­n Fußstapfen Nowitzkis sind für den 23-Jährigen derzeit noch zu groß.

Einen kleinen Schritt aus dem langen Schatten des 2,13 Meter großen Franken kann Schröder bei der heute beginnende­n Basketball­Europameis­terschaft machen. Nach dem Rücktritt Nowitzkis aus der Nationalma­nnschaft 2015, als die beiden noch Seite an Seite spielten, hat Bundestrai­ner Chris Fleming seinem NBA-Star die Führungsro­lle übertragen. „Ich will mein Team in die K.- o.-Phase führen“, spricht Schröder auch gleich Klartext. Jetzt muss er seinen Worten – wie schon mehrfach zuvor in seinem Leben – „nur“noch Taten folgen lassen.

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Foto: Imago

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