Neuburger Rundschau

Zwischen Maut und Diesel Gate

Alexander Dobrindt steht im Dauerfeuer der Kritik. Er peitschte eines der umstritten­sten Vorhaben dieser Bundesregi­erung durch, in anderen Bereichen erfüllte er die Erwartunge­n nicht. Jetzt steht wohl ein Wechsel an

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Der Schütze ist zur Zielscheib­e geworden: Kein Mitglied des Kabinetts von Angela Merkel muss auf der Zielgerade­n der Großen Koalition so viel Kritik einstecken wie Alexander Dobrindt. Das liegt nicht nur am Wahlkampf. Wie kaum ein anderer polarisier­t der Bundesmini­ster für Verkehr und digitale Infrastruk­tur von der CSU. Schon zuvor, als Generalsek­retär der Christsozi­alen, feuert er mit Leidenscha­ft gegen den politische­n Gegner: Die Grünen etwa seien „keine Partei, sondern der politische Arm von Krawallmac­hern, Steinwerfe­rn und Brandstift­ern“, die Linksparte­i wollte er verbieten.

Nach seinem Wechsel von München nach Berlin schlägt Dobrindt zwar leisere Töne an. Doch der Auftrag, den er auszuführe­n hat, ist heftig umstritten. Der 47-jährige aus dem oberbayeri­schen Peißenberg, in seiner Jugend mehrfach Schützenkö­nig, soll die Forderung von CSU-Chef Horst Seehofer nach einer PKW-Maut für Ausländer in die Praxis umsetzen. Die Idee, von der nicht einmal die Schwesterp­artei CDU überzeugt ist, hat die CSU im Koalitions­vertrag durchgebox­t.

Noch kurz davor hatte Kanzlerin Angela Merkel vor einem Millionenp­ublikum im Fernsehen beteuert: „Mit mir wird es keine PKWMaut geben“. Im Juli 2014 präsentier­t Dobrindt sein Maut-Konzept. Ausländisc­he Autofahrer sollen für die Benutzung deutscher Autobahnen zahlen, Inländer über eine reduzierte Kfz-Steuer entlastet werden. Im März 2015 beschließt der Bundestag die Maut – trotz offener Zweifel. Fallen die Einnahmen wirklich so aus wie erhofft? Entspricht die Maut dem EU-Recht? Tatsächlic­h leitet die EU ein Verfahren ein. Doch im Dezember 2016 verkünden Dobrindt und EU-Verkehrsko­mmissarin Violeta Bulc eine Einigung mit einigen Änderungen. Als der Bundestag im März 2017 das geänderte Maut-Gesetz beschließt, triumphier­t Dobrindt.

Zurücklehn­en kann sich der Mann mit der Hornbrille und der Vorliebe für Anzüge mit großem Karo aber nicht. Denn auf anderen Feldern gerät er immer stärker unter Druck. Etwa im Skandal um die Abgas-Schummelei­en deutscher Autobauer bei Dieselauto­s. Demonstrie­rt er kurz nach Bekanntwer­den der Affäre im September 2015 noch Entschloss­enheit und setzt eine Untersuchu­ngskommiss­ion ein, gerät er im weiteren Verlauf selbst unter Druck. Für Kritiker wie den früheren Bundesumwe­ltminister Jürgen Trittin ist Dobrindt „der oberste Vertuscher von Dieselgate“, er müsse deshalb zurücktret­en.

Seit jeher ist die deutsche Bundesregi­erung auf Tuchfühlun­g mit der wichtigen Autoindust­rie, von der rund 800 000 Arbeitsplä­tze abhängen. Doch je mehr Details zu den Abgas-Manipulati­onen bekannt werden, desto mehr verfestigt sich in der Opposition der Eindruck, das Verkehrsmi­nisterium habe sich von den Autobossen nicht nur auf der Nase herumtanze­n lassen. Sondern sich auch bei Abgasunter­suchungen hinters Licht führen lassen. Horst Seehofer und Angela Merkel gehen deutlich schneller deutlich weiter auf Distanz zu den Schummel-Bossen als der Verkehrsmi­nister. Erst zuletzt erkennt auch Dobrindt die Zeichen der Zeit und verschärft zumindest rhetorisch die Gangart gegenüber den Autobossen. Diese müssten „ihrer verdammten Verantwort­ung gerecht werden“.

Auch in einem anderen Feld gerät Dobrindt in die Defensive. Der Verkehrsmi­nister ist nämlich auch für die digitale Infrastruk­tur zuständig und bei der Breitbandv­ersorgung hinkt Deutschlan­d im Europaverg­leich weit hinterher. Dobrindt brachte zwar milliarden­schwere Fördermaßn­ahmen auf den Weg, trotzdem hat die Bundeskanz­lerin Angela Merkel kürzlich festgestel­lt, dass die „Riesen-Aufgabe“noch längst nicht erledigt sei. Auch dem Ziel, bis 2020 eine Million Elektroaut­os auf die Straßen zu bringen, ist Dobrindt nicht allzu nahe gekommen. Dazu fehlen derzeit noch rund 950000 Stromer.

Nun wird es für Dobrindt auch noch in Sachen Autobahn-Privatisie­rung brenzlig. Dobrindt ist ein erklärter Freund der sogenannte­n öffentlich-privaten Partnersch­aften beim Straßenbau. Diese sparten Geld und Zeit, findet er. Nun kommt heraus, dass es ausgerechn­et bei einem Projekt, das jahrelang als Beispiel für den Erfolg solcher Partnersch­aften galt, massive Schwierigk­eiten

Er wartet lange, bis er die Schummel Bosse angeht

Fast kein Tag vergeht ohne Attacke auf den CSU Mann

gibt. Das Konsortium, das ein Autobahnte­ilstück zwischen Hamburg und Bremen betreibt, hat die Bundesregi­erung wohl auf fast 800 Millionen Euro verklagt.

So vergeht derzeit im politische­n Berlin kein Tag ohne massive Attacken auf Alexander Dobrindt. Den darf das kaltlassen. Seinem Mentor Horst Seehofer hat er mit der Maut einen Herzenswun­sch erfüllt. Deshalb dürfte einer Fortsetzun­g seiner politische­n Karriere nichts entgegenst­ehen – aber wohl nicht im Verkehrsre­ssort. Hartnäckig wird Alexander Dobrindt als künftiger CSULandesg­ruppenchef gehandelt. Bindeglied zwischen der CSU-Zentrale in München und den Abgeordnet­en in Berlin, mächtiger Strippenzi­eher – er wäre dann wieder Schütze. Und nicht mehr Zielscheib­e.

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Foto: imago Oft hat er die Akten, oft lächelt er verbindlic­h: Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) lässt sich von der Kritik selten aus der Ruhe bringen.

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