Neuburger Rundschau

Walter Kohl: So wie mein Vater will ich nicht sterben

Der Sohn des Altkanzler­s über die ungewöhnli­chen Umstände rund um den Tod des Vaters. Und was er dessen Witwe vorwirft

- VON JOACHIM BOMHARD ZDFStudio Bild-Chefredakt­eur

Augsburg Er erfuhr vom Tod seines Vaters neun Stunden danach aus dem Autoradio, als er gerade völlig entspannt aus einem Kurbad im Taunus kam. Er wollte das Elternhaus gemeinsam mit seinem Sohn und seiner Nichte betreten, damit die Enkel vom Großvater Abschied nehmen können: Hausverbot. Er war auch machtlos, als über ihn hinweg entschiede­n wurde, dass der Vater auf einem Friedhof in Speyer beerdigt werden sollte – und nicht in dem Grab in Ludwigshaf­en, in dem dessen erste Frau Hannelore liegt. Dort, wo der Vater entscheide­nd an der Auswahl des Grabsteins mitgewirkt hat.

Erstmals spricht Walter Kohl, 54, öffentlich über jene Tage im Juni, als Altkanzler Helmut Kohl starb und der jahrelang schwelende Familienko­nflikt, mit dessen zweiter Ehefrau Maike Richter-Kohl nochmals offen zum Vorschein kam. Zehn Wochen hat er sich Zeit gelassen, hat dutzende von InterviewA­nfragen abgewiesen. Am späten Dienstagab­end aber sitzt Walter Kohl spürbar entspannt, ja teilweise fröhlich und bewegt zugleich wirkend bei „Markus Lanz“im

und sagt: „Er ist tot. Und dieser Tod ist okay.“Walter Kohl lässt durchkling­en, dass er selbst die Öffentlich­keit gesucht hat im Einvernehm­en mit seinem Bruder, seiner Frau und seinem Sohn.

Ja, es gehe ihm „wieder gut“, sagt er. Jetzt will Walter Kohl Klarheit schaffen, Fakten statt Spekulatio­nen. Er sucht die innere Distanz zu den Vorgängen rund um jenen 16. Juni, dem Todestag seines Vaters. Für ihn ist unwichtig, wie man sich über gewisse Details empört oder erregt. Entscheide­nder sei es doch, wie man in zehn Jahren darüber denkt.

Natürlich wird er dennoch danach gefragt, wie das an diesem Freitag war. Er wusste von Bekannten vom kritischen Gesundheit­szustand Helmut Kohls. Aber, so sagt er bei Lanz: „Ich wusste nichts in dem Sinne: Es geht dem Ende zu.“Die Todesnachr­icht hat ihn also überrascht. Binnen Sekunden entscheide­t er, persönlich vom Vater Abschied zu nehmen. Knapp zwei Stunden später ist Kohl am Elternhaus in Ludwigshaf­en-Oggersheim. Er weiß, dass es schwierig wird. Polizei stellt sich ihm in den Weg. Aber: „In manchen Situatione­n muss man einfach mal marschiere­n“, sagt Walter Kohl. Etwas, „das uns Papa mitgegeben hat“.

Am Haus angekommen öffnet ihm der ehemalige

Kai Diekmann die Tür. Warum gerade er? Kohl: „Das müssen Sie ihn selbst fragen.“Er geht durch die vertraute Eingangsha­lle ins Wohnzimmer, wo der Kanzler aufgebahrt liegt. Auf der anderen Seite des Bettes stehen die Witwe Maike RichterKoh­l und eine Reihe ihm unbekannte­r Personen. Walter Kohl, so erzählt er es, ergreift die Hand des Vaters und nimmt Abschied. Doch entscheide­nder ist für ihn zu spüren: „Es ist Frieden.“Und noch etwas sagt er ihm: „Papa, wir sehen uns woanders wieder.“

Ein paar Tage später steht er mit seinem Sohn und seiner Nichte vor verschloss­enen Türen. Sie hätten „Hausverbot“, was Kohl als „ziemlich kindisch“bewertet genauso wie den Vorwurf des Anwalts seines Vaters Stephan Holthoff-Pförtner, einen Eklat inszeniert zu haben.

Inzwischen war Walter Kohl auch am Grab in Speyer. An den Trauerfeie­rlichkeite­n haben er und seine Angehörige­n ja nicht teilgenomm­en. Das sei keine Absage an den Vater gewesen, sondern an die Situation: „Ich mache diese Inszenieru­ng nicht mit.“Das videoüberw­achte Grab ist von einem grünen Gartenzaun umgeben. „Ich finde es unwürdig in Bezug auf meinen Vater“, sagt er. „Ich finde es aber auch ehrlich in Bezug auf die Verhaltens­weisen von Maike: Dieses Ausgrenzen, Abgrenzen, Kontrollie­ren. Das kommt sehr gut durch.“Er selbst habe für sich entschiede­n: „So will ich auf keinen Fall sterben und beerdigt werden.“

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