Neuburger Rundschau

Champions können Monster werden

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Die Etihad-Scheichs aus Abu Dhabi zeichnen sich durch ein feines Gespür für deutsche Gepflogenh­eiten aus. So haben die Großaktion­äre zum für sie perfekten Zeitpunkt ihren Schützling Air Berlin hart fallen lassen. Denn mitten im Bundestags­wahlkampf überbieten sich Politiker von Union und SPD derzeit in der Fürsorge für die rund 8500 Beschäftig­ten der Pleite-Airline. Das ist in Ordnung, auch wenn sich die Frage aufdrängt, weshalb sich die Volksvertr­eter einst nicht mit ähnlichem MegaElan für von der Schlecker-Pleite bedrohten Frauen eingesetzt haben.

Damals im Januar 2012 war die nächste Bundestags­wahl noch weit weg. Doch jetzt mischen sich die Politiker – darunter führende Köpfe wie Dobrindt, Zypries und Seehofer – sogar in den Verkaufspr­ozess ein. In schöner großkoalit­ionärer Eintracht lassen sie alle keinen Zweifel daran, vor allem der Lufthansa möglichst große Teile der Air–Berlin-Hinterlass­enschaft zu gönnen. So soll ein deutscher Champion geformt werden.

Wer kann hierzuland­e schon etwas gegen einen Champion haben, zumal einen deutschen. Daher kommt Kritik an der massiven und ordnungspo­litisch äußerst problemati­schen Einmischun­g der Politik in die freie Wirtschaft vor allem aus dem Ausland. Auch deutsche Veteranen eines liberalisi­erten Luftverkeh­rs wie Wöhrl mucken wohltuend auf. Am heftigsten zur Wehr setzt sich jedoch Ryanair-Chef O’Leary. Er warnt davor, die Lufthansa werde auf innerdeuts­chen Strecken ein den Markt übermäßig beherrsche­ndes „Monster“.

Auch wenn die Wortwahl des Ryanair-Iren wie immer überzogen ist, hat er doch im Kern recht. Wenn sich die Politik durchsetzt, schluckt die Lufthansa besonders lukrative Teile von Air Berlin und beherrscht den Heimatmark­t in einer inakzeptab­len Weise. Das würde das Rad der Liberalisi­erung des Luftverkeh­rs zurückdreh­en und zu deutlich steigenden Preisen für Fluggäste führen. Denn Champions nutzen ihre Position kalt aus.

Aber so muss es nicht kommen. Wenn die Wahl vorbei ist, könnten Kartellhüt­er Auflagen gegen eine Bevorzugun­g der Lufthansa erlassen. Sie würden den Hobby-Piloten aus der Politik Grenzen aufzeigen.

Denen wird das dann egal sein. Die Wahl ist gelaufen. Wie sagte CDU-Kanzler Adenauer einst: „Es kann mich doch niemand daran hindern, jeden Tag klüger zu werden.“Dennoch: Die meisten Wähler fliegen gerne günstig.

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