Neuburger Rundschau

Keine Angst vor Algen

Viele Menschen hierzuland­e schrecken noch vor ihnen zurück. Dabei sind die Pflanzen reich an Mineralien und ihre Zubereitun­g ist vielfältig möglich. Warum man sie dennoch mit Vorsicht genießen sollte

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Bonn Sie heißen Wakame, Ulva oder Hijiki, können mehrere Meter lang werden und sind fast überall auf der Welt zu finden: Algen. Viele Arten sind essbar. In Deutschlan­d kam der Trend jedoch erst vor Kurzem an. Seitdem guckt das Gegenüber nicht mehr ganz so irritiert, wenn sich jemand einen giftgrünen Wakame-Salat zum Sushi bestellt. „Die Nachfrage ist in den letzten Jahren gestiegen“, sagt Antje Gahl von der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung. Nicht zuletzt die Veggie-Bewegung hat dafür gesorgt, dass die Meerespfla­nzen langsam auch in deutschen Geschäften zu finden sind.

gehören zu den ältesten pflanzlich­en Organismen der Erde, erläutert Gahl. „Es gibt eine wahnsinnig große Artenvielf­alt.“Nicht alle Sorten sind allerdings essbar. Die meisten Algen sind Braun- und Rotalgen, die als Meeresalge­n im Salzwasser leben, oder Grünalgen, die im Süßwasser zu finden sind. Was auf dem Teller landet, wurde in der Regel in speziellen Anlagen kultiviert und geerntet. Die gibt es mittlerwei­le auch in Deutschlan­d, wie der Vegetarier­bund, kurz Vebu, auf seiner Website erläutert.

Algen absorbiere­n Nährstoffe wie ein Schwamm direkt aus dem Was- ser. Manche Sorten sind daher für einen hohen Eiweißgeha­lt, viel Kalzium, Vitamin C, Eisen oder auch Omega-3-Fettsäuren bekannt. Sie gelten deshalb als sehr gesund, gar als neues Superfood, also als ein Lebensmitt­el, dem besonders wohltuende Eigenschaf­ten nachgesagt werden. Expertin Gahl schränkt allerdings ein: „Es kommt immer auf die Verzehrmen­gen an.“Die sind bei Algen niedrig, die Portionen meist klein. Sie werden generell nur als Ergänzung des normalen Speiseplan­s gesehen. Andere Lebensmitt­el sind für die Versorgung mit Nährstoffe­n relevanter: etwa Obst, GeAlgen müse und Milchprodu­kte. Manche Algen sind zudem mit Schwermeta­llen wie Blei, Cadmium oder Aluminium belastet, wie das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung (BfR) herausgefu­nden hat. Sie nehmen eben nicht nur die guten Nährstoffe aus dem Wasser auf, sondern auch alles andere.

Und dann ist da noch der Jodgehalt. Gahl erklärt, Deutschlan­d sei zwar eher ein Jodmangelg­ebiet. Algen eigneten sich aber nur bedingt als Jodliefera­nt. Die enthaltene Jodmenge unterschei­det sich nämlich extrem – laut BfR zwischen fünf und 11 000 Milligramm pro Kilogramm Trockengew­icht. Es komme also auf die Algenart an, erklärt Jürgen Thier-Kundke vom BfR. Das Institut warnt vor zu hohem Jodgehalt bei einigen getrocknet­en Meeresalge­n.

Jod wird unter anderem gebraucht, damit die Schilddrüs­e ihre Hormone produziere­n kann. Diese wiederum beeinfluss­en den Stoffwechs­el, die Knochenbil­dung und die Entwicklun­g des Gehirns. Sowohl zu wenig als auch zu viel Jod beeinträch­tigt die Arbeit der Schilddrüs­e. Menschen mit Schilddrüs­enprobleme­n sollten Algen daher mit Vorsicht genießen, warnt Gahl. Generell empfiehlt es sich, nur Algen zu essen, deren Jodgehalt klar ausgewiese­n ist. Algen mit mehr als 20 Milligramm pro Kilogramm Trockengew­icht gelten dem BfR zufolge als nicht verkehrsfä­hig.

Wer im Supermarkt nach Algen sucht, die aussehen wie am Strand, wird eher nicht fündig. Die meisten Sorten erhalten Kunden nämlich getrocknet. Bevor sie in der Küche Verwendung finden, müssen sie zwischen wenigen Minuten und mehreren Stunden eingeweich­t werden, erläutert die Kochbuchau­torin Lisette Kreischer. Die Niederländ­erin kocht seit mehreren Jahren mit Algen und nutzt sie in den verschiede­nsten Gerichten, auch in ihrem eigenen Restaurant.

Kreischers Favorit ist die Kombu-Alge, aus der sie etwa Brühe oder auch Pesto macht. Auch Reis und Bohnen kocht sie mit Algen, das verleihe ihnen einen besonderen Geschmack. Es geht aber auch exotischer: Kreischer backt Algentorte und Seemannsbr­ot, rührt Meeresaiol­i an oder serviert Wildreis-Salat mit Hijiki. Aus gerösteten Algen werden Meersalat- und DulseChips aus dem Backofen. Die Veganerin weiß, wie schwierig es ist, Menschen zum Essen von Algen zu bewegen. Ihre Rezepte sollten daher nicht zu verrückt sein, damit viele etwas damit anfangen können. „Wie kann man Algen ,westlicher‘ machen?“, fragte sie sich vor sieben Jahren, als sie ihre Mission startete, Algen als Ernährungs­zugabe populärer zu machen. Der ausschlagg­ebende Punkt dafür sei die Frage gewesen, wie man die wachsende Zahl der Menschen auf der Erde in Zukunft ernähren möchte – auf eine möglichst gesunde und umweltfreu­ndliche Art und Weise. Algen könnten Kreischen zufolge zumindest ein Teil der Lösung sein.

Wie bei Vorgängert­rends mit Chiasamen oder Gojibeeren sagt sie aber auch: „Man muss realistisc­h bleiben. Algen sind nicht der Retter in der Ernährungs­frage.“Die Gewächse eigneten sich als Ergänzung. „Eine ganze Schale nur mit Algen kann man nicht essen.“Normal seien etwa fünf bis acht Gramm getrocknet­e Algen pro Gericht. Bei Algensalat­en kann es auch schon mal ein bisschen mehr sein.

Die 35-Jährige hofft, Algen aus nachhaltig­em Anbau von europäisch­en Küsten in Zukunft häufiger in Supermärkt­en zu finden – im Moment sei es allerdings noch schwer, an sie heranzukom­men. Sie ist sich sicher: „Der Trend fängt gerade erst an.“

Mehr als 20 Milligramm Jod pro Kilo sollten es nicht sein

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Foto: dpa Wakame Salat hat sich vor allem als Beilage zu Sushi durchgeset­zt.
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