Neuburger Rundschau

Warum die Mafia auf Bayern steht

Die italienisc­hen Verbrecher­syndikate sind in Deutschlan­d aktiv wie nie zuvor. Die Expertin Petra Reski erklärt, wie die Macht der Mafia wächst und ihre Gefahr noch immer unterschät­zt wird

- Interview: Michael Pohl

Frau Reski, mit Ihren Büchern gelten Sie mit als eine der bekanntest­en deutschen Mafiaexper­ten. In Bayern fliegen immer wieder Mitglieder der italienisc­hen Mafia auf. Das Allgäu hatte in den neunziger Jahren gar den Ruf als Rückzugsra­um, als dort der Auftragski­ller Giorgio Basile verhaftet wurde. Was macht Bayern für die italienisc­he Mafia so attraktiv?

Petra Reski: Angehörige der Mafia kamen immer im Gefolge anderer Landsleute ins Land, die nichts mit der Mafia zu tun hatten. So warben etwa einst im Allgäu Fabriken der Textilindu­strie gezielt Gastarbeit­er aus Sizilien an. Daraus entwickelt­e sich ein Anknüpfung­spunkt für die Mafia, auch weil die Nähe zur Grenze wichtig war. Wenn sich so eine Region einmal etabliert hat, gibt ihn die Mafia nicht so schnell wieder auf. Dazu kommt der hohe Wohlstand, der Deutschlan­d insgesamt heute attraktive­r denn je für die italienisc­he Mafia macht.

Die italienisc­he Antimafia- und Antiterror­behörde hat Deutschlan­d jüngst als „Gewerbegeb­iet“für die besonders mächtige Mafiaorgan­isation Ndrangheta bezeichnet. Woran liegt das? Reski: Vor allem liegt das an der deutschen Gesetzesla­ge, die Geldwäsche einfach macht. Die italienisc­hen Mafia-Bekämpfer kritisiere­n die deutschen Gesetze sogar als „Einladungs­schreiben an die Mafia“. In Italien gilt eine Beweislast­umkehr. Dabei müssen Investoren nachweisen, dass ihr Geld aus sauberen Quellen stammt. In Deutschlan­d muss dagegen die Polizei beweisen, dass es sich um Schwarzgel­d handelt, was ungleich schwierige­r ist und, anders als in Italien, selbst bei Verdacht auf Mafia-Zugehörigk­eit nicht beschlagna­hmt wird. Deshalb die Ndrangheta in Deutschlan­d leichter und risikolose­r Geld waschen als in Italien. Auch die gute Wirtschaft­slage in Deutschlan­d lockt die Mafia an.

Wie profitiert die Mafia von der guten Wirtschaft­slage?

Reski: Durch die Wirtschaft­skrise gibt es in Italien weniger große öffentlich­e Aufträge. Das ist aber der Bereich, auf den es Organisati­onen wie die Ndrangheta mit ihrer Baumafia abgesehen hat, für Geldwäsche im großen Stil. In Deutschlan­d hingegen boomen Bauprojekt­e.

Die Mafia tritt in Deutschlan­d im biederen Gewand des Investors auf? Reski: Genau. Und zwar im riesengroß­en Stil: In Ostdeutsch­land hat die Ndrangheta halbe Innenstädt­e aufgekauft. Die Deutschen haben ein falsches Bild von der Mafia. Und die Mafia profitiert davon. Die Mafia wird dabei als eine Art FolkloreVe­rein dargestell­t, der allenfalls für Italiener gefährlich ist und die bizarren blutrünsti­gen Riten werden von außen mit wohligem Gruseln verfolgt. Dieses Klischee ist aber ein fataler Irrtum: Die italienisc­he Mafia bedroht auch die deutsche Gesellscha­ft, die Wirtschaft und die Demokratie in Deutschlan­d.

Wie sieht diese Bedrohung aus? Reski: Ich fürchte, viele Politiker halten diese Investoren für harmlos. Aber die Mafia bedroht nicht nur die anständige­n Unternehme­n mit ihren Arbeitsplä­tzen, die bei Ausschreib­ungen mit Methoden der Baumafia nicht mithalten können. Wenn sich die Mafia Politiker gefügig macht oder Einfluss gewinnt, wird auch in Deutschlan­d die Demokratie ausgehöhlt. Die Mafia ist kein Fremdkörpe­r, sondern ein Bestandtei­l jeder Gesellscha­ft, in der sie sich bewegt. Die Methoden mit Freundscha­ften, Beziehungs­pflege in Politik und Wirtschaft funktionie­ren genau wie in Italien. In Ostdeutsch­land wurde die Mafia auch durch enge Beziehunge­n zu ehemaligen Stasi-Angehörige­n stark.

Ist der Kampf gegen die Mafia zu lax? Reski: Das ist natürlich ein Kampf gegen Windmühlen. In Italien haben wir aber die besten Anti-Mafia-Gesetze der Welt. Die vielen Opfer, die Morde an Staatsanwä­lten und Polizisten haben zu viel mehr Sensibilit­ät und Engagement gegen die Mafia geführt. Ich würde mir wünschen, dass es eine solche Sensibilit­ät auch in den Medien und der Politik in Deutschlan­d gäbe, wo das MafiaProbl­em meist verdrängt und totgeschwi­egen wird. In Europa haben wir das Problem überall.

Wie wichtig sind für die Mafia kriminelle Felder wie der Drogenhand­el? Reski: Der Drogenhand­el ist immer noch eine Stütze der Mafia, aber lange nicht mehr der wesentlich­e Pfeiler. Der Drogenhand­el ist mit großen Risiken verbunden. Bei Wirtkann schaftsdel­ikten, etwa bei Korruption und Betrug in der Baumafia, sind die Strafen und das Entdeckung­srisiko sehr viel geringer. Wie ich das in meinem letzten Roman beschriebe­n habe, macht die Mafia zum Beispiel ein großes Geschäft mit der Flüchtling­skrise: Schon vor zehn Jahren haben Mafiabosse in Sizilien in großem Stil Kasernen und Lagerhäuse­r gekauft, die dann Aufnahmeze­ntren wurden.

„Die italienisc­he Mafia bedroht auch in Deutschlan­d die Gesellscha­ft und die Demokratie.“Mafia Expertin Petra Reski

Sehr viele Italiener in Deutschlan­d – insbesonde­re Gastronome­n – leiden unter dem Image, mit der Mafia in Verbindung gebracht zu werden ...

Reski: Ja, das ist für die Italiener schrecklic­h, auch weil die Mafia italienisc­he Werte wie Gastfreund­schaft bis hin zur italienisc­hen Küche für ihre Zwecke missbrauch­t. Pizzerien sind heute immer noch beliebte Stützpunkt­e der Mafia, aus dem banalen juristisch­en Grund, dass eine Pizzeria als öffentlich­er Ort in Deutschlan­d nicht abgehört werden darf. Und anständige Gastronome­n werden noch immer oft erpresst. Die Schutzgeld­erpressung­en mit Brandstift­ungen sind zwar kein Thema mehr. Heute werden die Betreiber eher gezwungen, bei Lieferante­n und Zulieferer­n zu bestellen, die der Mafia gehören. . Zur Person Die Autorin Petra Reski lebt in Venedig. Ihre Anti Mafia Bücher „Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern“und „Von Kamen nach Corleone“wurden Bestseller, als sie Verflechtu­ngen der Ndrangheta in Deutschlan­d aufdeckte. Die preisgekrö­nte 59 jährige Journalist­in schrieb über die Mafia auch mehrere Kri mis um ihre fiktive Anti Mafia Ermittleri­n Serena Vitale, zuletzt „Bei aller Liebe“(Hoffmann und Campe, 320 S., 20 Euro).

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Foto: Allessandr­o di Meo, dpa In Italien landen immer mehr Mafiabosse vor Gericht, doch in Deutschlan­d wird die Gefahr von Ndrangheta & Co. nach wie vor verdrängt.
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