Neuburger Rundschau

Die Macht der vierten Mafia

Bei grausamen Clankämpfe­n in Apulien sterben vier Menschen

- VON JULIUS MÜLLER MEINUNGEN

Rom Es gab bislang ein ungeschrie­benes Gesetz der Mafia in Apulien: Im August wird nicht getötet. Der Gargano, die Gegend am Sporn des italienisc­hen Stiefels, ist auch bei deutschen Touristen beliebt. Verbrechen zur Hochsaison gelten deshalb als geschäftss­chädigend. Denn die organisier­te Kriminalit­ät profitiert über Schutzgeld­erpressung­en auch vom Tourismus. Doch seit dem jüngsten Mord an vier Männern bei San Marco in Lamis gilt die alte Regel nicht mehr. Am helllichte­m Tag hatten zwei flüchtige Killer den 50 Jahre alten Mafiaboss Mario Luciano Romito aus Manfredoni­a und seinen Fahrer erschossen. Zwei Bauern, die offenbar Zeugen des Verbrechen­s wurden, bezahlten ebenfalls mit dem Leben.

Der Vierfachmo­rd im Ferienmona­t August wirft ein Schlaglich­t auf die bislang wohl am meisten unterschät­zte Mafia Italiens – die Mafia des Gargano, die keinen speziellen Namen hat.

Die Polizei verzeichne­t 35 Morde in den vergangene­n zwei Jahren. Franco Roberti, der Leiter der italienisc­hen Antimafia-Behörde, spricht von 300 Morden in den vergangene­n 30 Jahren, verursacht durch Rivalitäte­n verfeindet­er Clans. 80 Prozent der Verbrechen seien unbestraft geblieben. Die Clans des Gargano seien eindeutig gewalttäti­ger und aggressive­r als die besser organisier­ten Mafias wie ’Ndrangheta, Cosa Nostra und Camorra, sagte Roberti.

Auch das Verbrechen von San Marco in Lamis folgte den Ermittlern zufolge der Rache-Logik der Clans. Die einst verbündete­n Familien der Romito und der Li Bergolis sollen seit Jahren eine sogenannte Faida austragen, bei der 2009 bereits der Bruder von Mario Luciano Romito ermordet wurde. Franco Romito soll den Carabinier­i Hinweise auf Mitglieder der Li Bergolis gegeben haben, seither befinden sich die Clans im Krieg.

Insgesamt teilen sich 28 Clans die illegalen Geschäfte in der Provinz Foggia auf. Haupteinna­hmequellen der laut Roberti vierten Mafia Italiens sind Drogenhand­el und Schutzgeld­erpressung­en.

Insbesonde­re im Ferienort Vieste, den jährlich zwei Millionen Touristen besuchen, sollen Erpressung­en an der Tagesordnu­ng sein. Bislang konnten die Mafiosi des Gargano weitgehend ungestört agieren. Aus Angst vor Racheakten gibt es so gut wie keine Anzeigen bei der Polizei. Die Ermittler sind zudem materiell unterverso­rgt. Staatsanwa­lt Volpe aus Bari sagte, er habe ein Auto von den Carabinier­i leihen müssen, um seinen ermittelnd­en Kollegen zum Tatort zu schicken. Der Wagen der Staatsanwa­ltschaft habe noch Winterreif­en, es stehe aber kein Geld für den Reifenwech­sel zur Verfügung.

 ?? Foto: Borowski ?? Apulien (hier das Castel del Monte) ist ein beliebtes Touristenz­iel. Gleichzeit­ig ist es aber auch eine Hochburg der Ma fia.
Foto: Borowski Apulien (hier das Castel del Monte) ist ein beliebtes Touristenz­iel. Gleichzeit­ig ist es aber auch eine Hochburg der Ma fia.

Newspapers in German

Newspapers from Germany