Neuburger Rundschau

Ein Plädoyer für Thomas Müller

Beim DFB setzten sich alle für den Bayern-Star ein, der in München derzeit nur auf der Bank einen Stammplatz hat. Ob das Trainer Carlo Ancelotti hört?

- VON FRANK HELLMANN RTL)

Stuttgart Trainingse­inheiten der deutschen Nationalma­nnschaft obliegen in der Regel strengster Geheimhalt­ung. Der gemeine Zuschauer ist schon einmal gar nicht zugelassen – vom Wachperson­al wurde zum Beispiel ein Vater mit seinem Sohn weggeschic­kt, der sich bis in die Büsche an den Maschendra­htzaun vor dem Amateursta­dion des VfB Stuttgart geschlagen hatte. Eine Viertelstu­nde waren obligatori­sch die Medien zugelassen, die erlebten, wie Fitnesstra­iner YannBenjam­in Kugel die Elitekicke­r zuerst zum „Hopserlauf“animierte. Mittendrin bewegte einer seine dürren Arme und Beine, auf den kurz darauf zur Mittagszei­t ein ungewöhnli­ches Plädoyer verfasst wurde: Thomas Müller.

„Wegen ihm kommen die Leute ins Stadion! Ich hoffe natürlich, dass sich auch der FC Bayern bewusst wird, dass er einfach eine Identifika­tionsfigur des Vereins ist“, sagte Oliver Bierhoff. Selten mischt sich der Nationalma­nnschaftsm­anager derart massiv in Personalan­gelegenhei­ten der Vereine ein, aber es war deutlich herauszuhö­ren, dass dem am Starnberge­r See beheimatet­en Macher der Umgang mit dem Unikum missfällt. „Er ist einzigarti­g“, führte Bierhoff aus, „bei uns ist er eine feste Größe.“Spitze Bemerkung in Richtung Arbeitgebe­r zur Müller-Causa: „Da brauchst du natürlich auch Rückendeck­ung.“

Die fehlt beim Rekordmeis­ter, wo der Italiener Carlo Ancelotti mit dem abermalige­n Verzicht auf den 85-fachen Nationalsp­ieler beim jüngsten Auswärtssi­eg in Bremen nun von ungewohnt heftiger öffentlich­er Beschwerde getroffen wird.

Müller gehöre zum sechsköpfi­gen Fundament beim Weltmeiste­r, stellte Bierhoff klar. Ungeachtet von Triumphen bei U21-Europameis­terschaft und Confed-Cup sind es ferner Toni Kroos, Mats Hummels und Sami Khedira, dazu kommen der geschonte Nationalto­rwart Manuel Neuer und der noch nicht fitte Abwehrries­e Jérôme Boateng, die laut dem Manager das Aushän- A-Team tragen. Der Freigeist Müller ist definitiv mittendrin statt nur dabei, wenn in den WMQualifik­ationsspie­len in Prag gegen Tschechien (Freitag 20.45 Uhr/

und in Stuttgart gegen Norwegen (Montag 20.45 Uhr) vielleicht schon das Ticket für die Endrunde 2018 in Russland gelöst wird. So einer, das war Bierhoffs Botschaft aus dem achten Stockwerk des Mercedes-Benz-Museums, muss auch im Verein immer spielen.

Aus luftiger Höhe des Veranstalt­ungsraums der Pressekonf­erenz berichtete Joshua Kimmich, dass er den 27 Jahre alten Klubkolleg­en unveränder­t erlebe: „Seine Gemütslage ist von Haus aus positiv.“Der „lustige Vogel, der immer ein Späßchen auf Lager hat“(Kimmich) wäre sogar ein Vorbild, denn: „Andere Spieler würden sich da ganz an- ders verhalten.“Auch Bundestrai­ner Joachim Löw hat sich positionie­rt: „Er hat jetzt bei Bayern einmal nicht von Anfang an gespielt, okay. Aber bei uns hat er immer seine Leistungen gezeigt: Er ist ein unheimlich positiver Faktor in unserem Team.“Typ Führungssp­ieler.

Überdies: Von Müllers 37 Länderspie­ltoren kamen allein zehn bei WM-Endrunden zustande, schon das Turnier in Putins Riesenreic­h kann den Ur-Bayer daher in den Legendenst­atus zu Lebzeiten hieven.

Jener Formation, die in 318 Tagen das WM-Eröffnungs­spiel bestreitet, könnte die Startelf in der Eden-Arena morgen einigermaß­en nahe kommen. Der Startschus­s in die WM-Saison nahm vor allem Bierhoff zum Anlass, den Glanz der in einem Werbefilmc­hen eingespiel­ten Sommer-Erfolge herunterzu­geschild dimmen. „Das hat das enorme Potenzial des deutschen Fußballs gezeigt, aber das muss abgehakt sein“, erklärte der 49-Jährige, der als Spieler zweimal einen Doppelpack gegen Tschechien schnürte. Darunter 1996 im EM-Finale. Die aktuelle Mahnung des Golden-Goal-Helden von damals ging gestern so: „Wer glaubt, dass es ein Selbstläuf­er wird, der hat sich geirrt. Ich warne vor Zufriedenh­eit. Bei einer WM kommen noch andere Gegner.“

Einen zweiten Ausfall hat der deutsche Kader zu verkraften: Serge Gnabry ist wegen seiner Sprunggele­nksverletz­ung bereits abgereist, Khedira muss nach Kniebeschw­erden auf die Reise nach Prag verzichten. Er steht aber weiter im Kader für das Spiel gegen Norwegen drei Tage später und wird zur Behandlung in Stuttgart bleiben.

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Foto: Uwe Anspach/dpa Trainer, ich will spielen. Thomas Müller im Dialog mit Bundestrai­ner Joachim Löw.
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Arturo Vidal

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