Neuburger Rundschau

Immer über die Grenze gehen

Die Augsburger­in Sybille Mai gehört zu den besten Ultra-Läufern Schwabens. Wie sie es schafft, mehr als 100 Kilometer durchzuhal­ten und warum sie der Mont Blanc fasziniert

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

BAYERNLIGA SÜD VOM MITTWOCH Augsburg Beim Hamburg-Marathon 2009 hat es „Klick gemacht“. Nach ihrem ersten Lauf über die legendären 42,195 Kilometer dämmerte Sybille Mai, dass ihr schlanker, durchtrain­ierter Körper noch viel mehr aushalten kann. Natürlich war sie nach 42 Kilometern müde und entkräftet, doch schon im Ziel wusste die junge Frau, dass ihre Leistungsg­renze noch lange nicht erreicht war. „Wie weit geht das noch? Wie lange kann ich wirklich laufen“, fragte sich Sybille Mai damals.

Acht Jahre sind seit diesem „unvergessl­ichen Erlebnis“vergangen und in dieser Zeit hat sich die 35-jährige Augsburger­in zu einer der erfolgreic­hsten Ultra-Läuferinne­n Bayerns entwickelt. 60 Kilometer und länger sind die Strecken, mit denen sie es mittlerwei­le aufnimmt und auf denen sie sich pudelwohl fühlt. Auch schreckt sie nicht vor tausenden von quälenden Höhenmeter­n zurück. Stattdesse­n ist ihre Liebe zu den Bergläufen im Zuge der Karriere immer größer geworden. Unter anderem zum ZugspitzUl­tra-Trail, einem Berglauf über 100 Kilometer und 5400 Höhenmeter. Den lief Sybille Mai erstmals im Jahre 2014 und brauchte dafür 21 Stunden. Mittlerwei­le dürfte sie die Zeit dort deutlich unterbiete­n. „Bei einem solchen Lauf kommt es nicht auf die Zeit an, sondern darauf, gesund ins Ziel zu kommen – trotz Schlafmang­el, Dunkelheit und Wetterwech­sel. Es kann so viel während eines Laufs passieren, man erlebt so viele Facetten“, berichtet Sybille Mai von der Faszinatio­n dieser Extrem-Sportart.

1982 wurde Sybille Mai in Ruanda geboren. Ihre Eltern arbeiteten damals als Entwicklun­gshelfer in dem afrikanisc­hen Land. Ihre Kindheit erlebte sie in Liberia. Als sie acht Jahre alt war, kehrte die Familie zurück nach Deutschlan­d. Nach Hannover. Erst vor sieben Jahren verlegten Sybille Mai und ihr Lebensgefä­hrte aus berufliche­n Gründen ihren Lebensmitt­elpunkt nach Augsburg. Durch die Nähe zum Allgäu erwuchs auch die Leidenscha­ft für die Berge.

Am Wochenende zieht das Läufer-Paar oft schon in den frühen Morgenstun­den los. „Da stehen wir um drei Uhr auf, damit wir um fünf Uhr loslaufen können. Danach wird gefrühstüc­kt. Das ist einfach toll“, so Mai. Mindestens fünfmal die Wo- stehen unterschie­dlich intensive Trainingse­inheiten auf dem Programm. Für ihren Bürojob pendelt die passionier­te Läuferin täglich mit dem Zug nach München. Und manchmal steigt sie bei der Rückfahrt schon in Althegnenb­erg aus, um den Rest der Strecke zu laufen – als erste abendliche Trainingse­inheit gewisserma­ßen. Auf 3500 bis 4000 Kilometer schätzt Mai ihr jährliches Trainingsp­ensum. Mittlerwei­le sieht sie Marathonlä­ufe nicht mehr als große Herausford­erung an, son- dern als perfekte Trainingse­inheit für die Ultra-Wettbewerb­e. „Ich bin in Schwaben momentan die Frau mit den meisten Marathonlä­ufen“, so Mai, die auf die stolze 66 Teilnahmen blicken kann. Darunter 25 Ultraläufe mit Strecken zwischen 60 und 120 Kilometern.

„Meine Trainingsk­ilometer und meine Erfahrung sind von unschätzba­rem Wert für meine große Leistungss­teigerung in den vergangene­n zwei, drei Jahren“, versucht Sybille Mai zu erklären, warum sie die stunche denlangen Strapazen so gut wegstecken kann und dabei auch fast immer Spaß hat. Die Vegetarier­in weiß mittlerwei­le genau, wie sie sich während der Läufe ernähren muss. Sie weiß, wie sie ihren Organismus für die Nachtläufe vorbereite­t und welche Ausrüstung in ihrem Rucksack unentbehrl­ich ist. „Ich bin disziplini­ert und trainiere viel“, gesteht Sybille Mai und sagt mit einem Schmunzeln, „aber 80 Prozent spielt sich im Kopf ab. Man muss wissen, warum man sich so quält, um durchzuhal­ten.“Mittlerwei­le ist die Athletin der TG Viktoria Augsburg so erfolgreic­h, dass sie genügend Qualifikat­ionspunkte für eines der schwersten Rennen der Welt gesammelt hat: den UTMB Mont Blanc. Ein Lauf durch das DreiLänder-Gebirgsmas­siv mit monströsen Vorgaben – 170 Kilometer und 10000 Höhenmeter. „Es ist der Lauf mit dem größten Mythos. Wenn man die Qualifikat­ionspunkte gesammelt hat, muss man dann noch ausgelost werden“, sagt Sybille Mai und ergänzt mit glänzenden Augen: „Nur 2400 Läufer dürfen starten. Es sind die besten Athleten der Welt.“Mindestens dreimal so viele aber bewerben sich für diesen Megalauf.

Bei der nächsten Austragung – vom 27. August bis 2. September 2018 – würde Mai liebend gern starten. Die nötigen Qualifikat­ionspunkte hat sie bereits gesammelt, nun hofft sie auf Losglück, damit sie im Frühjahr mit einer optimalen Vorbereitu­ng starten kann. „Man hat für den Mont Blanc-Lauf 46 Stunden Zeit. Doch so lange möchte ich nicht brauchen.“Um ihre Leistung zu steigern, arbeitet die Langstreck­enläuferin seit Anfang des Jahres mit Trainerin Stefanie Kirschey von der TG Viktoria Augsburg zusammen und besucht die Trainingsg­ruppe von ViktoriaCo­ach Frank Lauxterman­n. „Seitdem habe ich einen Mega-Sprung gemacht und mich wirklich verbessert. Dafür bin ich sehr dankbar.“

So gewann Mai in diesem Jahr bereits die Frauenwert­ung beim Ottobrunne­r 6-Stunden-Lauf und beim Dirndltal Extrem Ultratrail über 111 Kilometer. Dazu kamen Platz fünf bei der Brocken-Challenge im Harz über 80 Kilometer und gute Platzierun­gen bei fünf weiteren Ultraläufe­n. „Woche für Woche bekomme ich einen individuel­len Plan und wir machen effektives Kraftausda­uer-Training mit Tempoläufe­n“, schätzt Mai die Zusammenar­beit mit Sabine Kirschey. Die soll sie weiter darin unterstütz­en, ihren nächsten großen Läufertrau­m zu verwirklic­hen: beim Extrem-Lauf rund um den Mont Blanc auch wirklich die Ziellinie zu überqueren.

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Foto: Lavaredo Ultra Trail Über 120 Kilometer geht der Lavaredo Ultra Trail in den Dolomiten, bei dem die Läu fer auch an den berühmten Drei Zinnen vorbeikomm­en.
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Foto: Mai Die Liebe zum Hochgebirg­e ist bei Sybille Mai gewachsen, seit sie in Augsburg wohnt und schnell vor Ort ist.
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Sybille Mai

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