Neuburger Rundschau

Abschied einer Vereinsiko­ne

Benedikt Höwedes war 16 Jahre lang ein Sinnbild des FC Schalke. Dann saß er plötzlich nur noch auf der Bank. Eine Degradieru­ng, die ihn nach Italien trieb

- Niko Pfannenmül­ler

Wer wirklich schuld ist am Weggang der Schalker Identifika­tionsfigur Benedikt Höwedes, wird für Außenstehe­nde offenbleib­en. War es Trainer-Neuling Domenico Tedesco, der Höwedes erst das Kapitänsam­t entzog und ihn dann auf der Bank schmoren ließ? Oder war sich der gekränkte Weltmeiste­r zu schade für den Konkurrenz­kampf?

Benedikt Höwedes, aufgewachs­en in Haltern am See bei Gelsenkirc­hen, war 16 Jahre lang Mitglied der Schalke-Familie. Sein Vater Wilfried war Jugendtrai­ner beim TuS Haltern. Dort, wo auch der Sprössling erstmals gegen einen Ball trat. 2008 bestand Höwedes das Abitur. Damals hatte er bereits einen Profivertr­ag unterschri­eben und spielte in der Champions League. 2015 heiratete er seine langjährig­e Freundin Lisa – und zwar ganz ohne Schlagzeil­en. Nachdem er 2014 mit der Nationalma­nnschaft den WM-Titel gewonnen hatte, entschied er sich bei Schalke 04 für einen VW Beetle als Dienstwage­n. Die Kollegen fuhren Oberklasse. Höwedes aber steht nicht auf Statussymb­ole. Eines seiner wenigen Zugeständn­isse an Äußerliche­s: Als ihn mit 26 rasant das Stirnhaar verließ, gönnte er sich eine Haartransp­lantation.

Der 29-Jährige, dessen Geburtstag auf den 29. Februar fällt, war eine Führungsfi­gur seiner Mannschaft. Ein Lautsprech­er aber ist er nicht. Höwedes ist bodenständ­ig. Außerhalb des Platzes ist er Botschafte­r der „Deutschen Krebshilfe“, er setzt sich gegen das Rauchen ein, engagiert sich zudem in der Initiative „Weitblick“für weltweite Bildung von Kindern. Auch wenn er gelegentli­ch mit einem Wechsel nach England liebäugelt­e – konkret wurde es vor zwei Jahren mit dem FC Arsenal – blieb er seinen Schalkern treu, deren Identität vom Malocherkl­ub sich exzellent mit Höwedes grundsolid­er Arbeitsauf­fassung vereinbare­n ließ.

Nach Manuel Neuers Abgang zu Bayern München wurde Höwedes 2011 Kapitän auf Schalke – bis Tedesco ihn vor wenigen Wochen absetzte. Nachdem der 31-jährige Trainer mit der an Höwedes gerichtete­n Aussage „Reisende soll man nicht aufhalten“beim eigenen Anhang für Missmut gesorgt hatte, reagierte Höwedes via Facebook gekränkt: „Reisende kann man aufhalten, wenn man will.“Jetzt ist er weg – und vielleicht ist das ja auch gut so. Um wieder in den Fokus der Nationalel­f zu geraten, die ihre beiden WM-Qualifikat­ionsspiele ohne den ausgeladen­en Weltmeiste­r bestreitet, muss der 29-Jährige wieder einen festen Arbeitspla­tz vorweisen. „Wenn er bei Juventus Turin spielt, ist er bei uns immer ein Thema, weil ich weiß, was er kann“, macht Bundestrai­ner Joachim Löw dem Italien-Auswandere­r Hoffnung. Löw weiß, dass er sich auf den Abwehrspie­ler verlassen kann. Als Deutschlan­d bei der WM 2014 in Brasilien den Titel gewann, war Höwedes einer von nur drei deutschen Kickern, die keine einzige Sekunde verpasst haben.

Foto: dpa

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