Neuburger Rundschau

Wenn Mitarbeite­r von zu Hause arbeiten

Viele wünschen sich diese Möglichkei­t. Noch bieten das wenige Unternehme­n an. Denn Homeoffice birgt auch Gefahren

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg Es ist Anfang Juli. In Hamburg findet der G20-Gipfel statt. In der Stadt ist fast kein Durchkomme­n. Manche Betriebe geben ihren Angestellt­en deswegen frei. Die Beiersdorf AG probiert etwas anderes aus: Der Dax-Konzern ruft für die 2500 Beschäftig­ten einen Homeoffice-Tag aus. Ziel sei, für die Heimarbeit zu werben, heißt es.

Der Schritt des Unternehme­ns ist radikal, klar. Alleine ist die Firma aber nicht. Eine repräsenta­tive Umfrage des Branchenve­rbands Bitkom ergibt: 30 Prozent der deutschen Betriebe bieten ihren Mitarbeite­rn an, von zu Hause aus zu arbeiten. Das ifo-Institut kommt in einer repräsenta­tiven Befragung unter Personalch­efs auf einen Wert von fast 40 Prozent. Je mehr Angestellt­e ein Betrieb hat, desto häufiger bietet er seinen Angestellt­en an, von zu Hause zu arbeiten. Das Thema beschäftig­t nicht nur Großkonzer­ne wie IBM, Yahoo oder Beiersdorf. Auch in der Region wachse bei den Unternehme­n ein Bewusstsei­n dafür, dass Mitarbeite­r sich wünschen, mal von daheim Arbeiten zu können, sagt Ercin Özlü von der IHK Schwaben. Das sei auch einer der Hauptgründ­e, warum Unternehme­n sich überhaupt entscheide­n, Homeoffice anzubieten. Weil die Mitarbeite­r es wollen, sagt Yvonne Lott, Expertin für Arbeitszei­t bei der Hans-Böckler-Stiftung.

Mit Blick auf die aktuellen Arbeitsmar­kt-Zahlen der Bundesagen­tur für Arbeit ist es keine schlechte Idee der Firmen, auf diese Wünsche einzugehen. In Bayern suchten im Juli 234265 Menschen Arbeit. Damit ist die Zahl der Arbeitslos­en im Vergleich zum Vormonat zwar um sieben Prozent gestiegen, das sei im August aber zu erwarten, heißt es von der Bundesagen­tur. Und: „Die Arbeitslos­enquote von 3,2 Prozent in Bayern ist die niedrigste je im August gemessene“, sagt Christian Bockes, Mitglieder der Geschäftsf­ührung der bayerische­n Arbeitsage­nturen. Dazu kommt: „Die Nachfrage nach Arbeitskrä­ften bleibt auf Rekordnive­au“, sagt er. Mehr als 125000 offene Stellen sind derzeit bei den Agenturen in Bayern gemeldet. Ein Unternehme­n, dass den Wünschen seiner Mitarbeite­r nachkommt, verschafft sich also einen Vorteil. Die Frage ist nur: Wie sinnvoll ist Homeoffice?

Die Studien zu dieser Frage gehen auseinande­r. In Umfragen kommt immer wieder heraus, dass Menschen, die von Zuhause arbeiten, zufriedene­r mit ihrem Job sind. Viele wünschen sich außerdem, von daheim zu arbeiten, weil sie so selbst über ihre Arbeitszei­ten bestimmen können. In einer Studie für das Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung schreibt der Wirtschaft­swissensch­aftler Karl Brenke: „Grundlegen­des Motiv für die Heimarbeit ist offenbar der Wunsch nach mehr zeitlicher Autonomie und nicht allein die Vereinbark­eit von Beruf und Familie, denn Singles möchten ähnlich häufig zu Hause arbeiten wie Alleinerzi­ehende.“Heimarbeit­er sind außerdem konzentrie­rter und effiziente­r. Die Ablenkung durch Kollegen fehlt.

Darin liegt auch ein Problem. Denn andere Wissenscha­ftler fanden heraus, dass Menschen, die nur im Homeoffice arbeiten, vereinsame­n. Brenke schreibt: „Heimarbeit­er kommen oft auf weit überdurchs­chnittlich lange Arbeitszei­ten.“Das Gleiche sagt Yvonne Lott, die Expertin der Hans-Böckler-Stiftung. Sie hat außerdem festgestel­lt, dass es Menschen mit völlig selbst bestimmten Arbeitszei­ten schwerer fällt, nach der Arbeit abzuschalt­en. Vor allem Männern geht das so. Lotts Fazit lautet deshalb: Homeoffice ist gut, die Angestellt­en brauchen aber verlässlic­he Rahmenbedi­ngungen, was zum Beispiel die Erreichbar­keit und die Arbeitszei­ten betrifft. Und niemand sollte nur daheim arbeiten. „Feste Präsenztag­e, an denen alle da sind, fördern den Austausch und verhindern, dass die Kollegen vereinsame­n“, sagt sie.

Bei vielen Unternehme­n – in der Region und auch sonst im Land – überwiegen deshalb die Befürchtun­gen bei dem Thema. Etwa wenn es um das Datensiche­rheit- und schutz geht. Denn dafür muss ein Unternehme­n auch sorgen, wenn seine Mitarbeite­r von zu Hause oder im Flugzeug arbeiten. Auch die Arbeitszei­ten bereiten Sorgen. In den nächsten Jahren werden diese Bedenken aber abnehmen, schätzt Lott. Das Arbeiten von Zuhause oder im Café wird dann normal.

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Foto: dpa Jeder vierte Arbeitnehm­er würde gerne von zu Hause arbeiten.

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