Diesel Skandal setzt Autohändler unter Druck
Der Streit um manipulierte Abgaswerte und mögliche Fahrverbote für Innenstädte hat die Verbraucher verunsichert. Das bekommen Neuburger Autohändler zu spüren. Und auch die Kunden selbst
Neuburg Wenn Selçuk Saygili dieser Tage über das Gelände seines Gebrauchtfahrzeughandels an der Münchener Straße läuft, dann überziehen Sorgenfalten sein Gesicht. Rund 120 Fahrzeuge hat er hier, und auf einer zweiten Verkaufsfläche nicht weit entfernt, im Angebot. Doch derzeit läuft das Geschäft schlecht. Aufgrund der aktuellen Debatte um den Diesel-Skandal, möglichen Fahrverboten in Innenstädten und einer drohenden Klage der Deutschen Umwelthilfe sind vor allem Diesel Ladenhüter. „Seit Frühjahr sinken die Verkaufszahlen unserer Diesel-Fahrzeuge deutlich. Die meisten meiner Kunden wollen derzeit kein solches Fahrzeug haben“, sagt der Händler.
Er geht sogar noch weiter: „Die Leute haben regelrecht Panik.“Gerade Besitzer von Dieselfahrzeugen, die die Euronormen 1 bis 4 erfüllen, seien verunsichert. „Keiner weiß, ob man damit künftig noch in große Städte wie Augsburg, München oder Nürnberg fahren darf.“Auch wenn er nicht davon ausgeht, dass Städte wie Neuburg, Ingolstadt oder Pfaffenhofen von einem Fahrverbot betroffen sein werden, bliebe bei den Autofahrern die Ungewissheit. Denn: „Unabhängig von einem Fahrverbot kann es zum Beispiel auch sein, dass die Zulassungsstellen die Autos nicht mehr auf die Straße lassen.“
Benziner könnte er dagegen gut verkaufen, nur bekommt er weniger davon. „Die Menschen verkaufen gerade ungern ihre Benziner. So gern ich welche ankaufen würde, ich bekomme kaum welche“, sagt Saygili. Doch was für den Gebrauchtwagenhändler ein Problem ist, ist es auch für den Kunden: „Die Leute, die ihren Diesel verkaufen wollen, bekommen keinen guten Preis oder müssen gar damit rechnen, dass der Händler das Fahrzeug gar nicht annimmt. Denn er bekommt es selbst ja auch kaum wieder los.“Seine Dieselfahrzeuge exportiert er derzeit vorwiegend in ehemalige Ostblock-Länder, in denen die Umweltauflagen noch nicht so streng seien.
Manfred Prüller vom gleichnamigen Autohaus bestätigt, dass es bei den Kunden eine Verunsicherung – insbesondere eventuelle Fahrverbote für große Städte betreffend – gebe. „Kunden wissen oft nicht und fragen nach, welche Diesel betroffen sind“, sagt der Vertreter von VW und Audi. Aufgrund der Umweltprämie für alte Dieselfahrzeuge und dem immer noch niedrigen Zinsniveau sei jedoch nach wie vor eine große Nachfrage nach Neu- und jungen Gebrauchtwagen da. Generell liege die Quote für verkaufte Diesel und Benziner momentan
noch bei 50:50. Allerdings sei eine immer höhere Nachfrage nach Benzinmotoren und alternativen Antrieben wie Elektro und Hybrid festzustellen. Lediglich bei Geschäftskunden, deren Autos eine hohe jährliche Laufleistung haben, oder bei Transportern und großen Fahrzeugen sei die Nachfrage nach Dieselmotoren nach wie vor groß.
Die Geschäftsführerin des Autohauses Schweitzer, Eveline Hölzl, stellt weder im Neu- noch im Gebrauchtwagensegment große Verkaufseinbrüche fest: „Die Nachfrage ist nach wie vor da, lediglich ei-
Kunden warten lieber ab und vertagen den Autokauf.“Klar, sei auch bei Kunden des BMW-Händlers eine Unsicherheit zu spüren. Aber: „Viele Menschen gerade bei uns in der Region sind auf Mobilität angewiesen und brauchen einfach ein Auto“, sagt Hölzl. Vielfahrer wie Außendienstmitarbeiter würden nach wie vor Dieselfahrzeuge kaufen, höchstens bei Privatkunden sei eine kleine Trendwende festzustellen. „Es kommt durchaus vor, dass Wenigfahrer, die eigentlich einen Diesel kaufen wollten, jetzt zu einem Benziner greifen“,
sagt sie. Generell glaubt sie, dass spätestens nach der Wahl und etwaigen Koalitionsverhandlungen von politischer Seite aus Klarheit herrschen wird.
So entspannt kann Gebrauchtwagenhändler Selçuk Saygili die Lage nicht sehen. „Ich kann die Unsicherheit der Kunden verstehen: Fahrzeuge, die vor einem Jahr noch als technisch neu galten, sollen möglicherweise bald nicht mehr in die Innenstädte fahren dürfen.“Zwar würden Umrüstungen diskutiert, aber was beispielsweise Updates in der Praxis bringen und welche Konnige
sequenzen daraus folgen, das wisse bisher niemand. Er fordert: „Wir und auch die Kunden brauchen so schnell wie möglich Klarheit. Es muss endlich eine Entscheidung geben, ob ein Fahrverbot kommt und wenn ja, ab wann und wie nachgerüstet werden soll.“Noch kann er seine Umsatzeinbußen verschmerzen und mit Einnahmen aus seinem angrenzenden Reifenhandel kompensieren. Aber auf Dauer sei das keine Lösung. Vor allem kleinere Autohändler mit nur 20 bis 30 Fahrzeugen seien durch die derzeitige Lage in ihrer Existenz bedroht.