Ups, ich habe sie gekauft
Es gibt Dinge, die kommen einfach zu früh. Die Industrie bietet sie uns an – und der verführbare Konsument lässt sie sich verkaufen. Erdbeeren im Februar, Ostereier bereits zur Faschingszeit. Es wird nicht lange dauern und im Frühherbst stehen die ersten Nikolause in den Regalen. Wo bleibt der Rhythmus der Jahreszeiten? Wo unsere Orientierung am kirchlichen Kalender? Denke ich mir oft. Und doch ...
Da fällt noch vor Ende der Sommerferien das Thermometer auf Christkindlesmarkt-Temperatur. In der Familie kramen wir bibbernd die dicken Jacken hervor. Und das vor einigen Tagen heiß begehrte luftig-leichte Sommer-Eis im Gefrierfach wirkt plötzlich so verlockend wie ein Grünkohl-Gericht für einen Fünfjährigen.
Wen mag es da verwundern, dass auf unserer Wochenendeinkaufsliste neben all den wichtigen Dingen für das Überleben in der Wohlstandsgesellschaft (Küchentücher, Deodorant ...) plötzlich etwas Unverschämtes stand: Lebkuchen. Im September. In Erinnerung an zahlreiche Diskussionen, wie bizarr es ist, über drei Monate vor Weihnachten Lebkuchen zu kaufen, ist der Punkt selbstironisch-entschuldigend mit einem Smiley versehen.
Der Familienvater zieht los mit seiner Liste. Doch der Discounter im Gewerbegebiet hat zwar eine große Fläche freigeräumt. Doch Lebkuchen gab es diesen Samstag noch nicht. Erstaunen, aber auch Erleichterung. Wird der Verschiebung der Vorweihnachtszeit durch die Lebkuchen-Industrie immer früher in das Jahr hinein Einhalt geboten? Und der Versuchung damit auch? Zu früh gehofft.
Abends ein Sprung zu Tengelmann um die Ecke. Da standen sie. Nürnberger Oblaten-Lebkuchen. Zartbitter. 200 Gramm. Schnell hinein in den Einkaufswagen.
Mal ehrlich: Am besten schmecken Lebkuchen im Herbst. Zu Weihnachten kann man sie längst nicht mehr sehen. Und wenn das die größten Sünden sind …