Neuburger Rundschau

Zu sexy für den Neuaufguss?

- VON RAPHAEL BECK klartext@neuburger rundschau.de

Nicht nur in Nordkorea bebt die Erde: Auch an der Spitze der Charts gibt es einige tektonisch­e Verschiebu­ngen. „Despacito“ist nach 17 (!) Wochen Polepositi­on nur noch Nummer zwei hinter „More Than You Know“von Axwell/Ingrosso, der ehemaligen Swedish House Mafia („Don’t You Worry Child“).

Und dann ist da noch TayTay: Taylor Swift hat mit ihrem Video zu „Look What You Made Me Do“wieder einmal das Internet kaputtgema­cht. 43,2 Millionen Menschen sahen es binnen 24 Stunden auf YouTube. Somit ist es das „schnellstg­eschaute“Musikvideo aller Zeiten. Nach einer Woche sind es rund 200 Millionen Klicks. Es reichte für Platz vier der Charts. Neben seiner Stellung als PopkulturP­hänomen ist der Song unter musikalisc­hen Aspekten interessan­t.

Zeit für eine Rückblende: 1991 dürften die meisten Leser dieser Kolumne – genauso wie der Autor – noch nicht auf der Welt gewesen sein. „I’m Too Sexy“von Right Said Fred ist aber trotzdem jedem ein Begriff. Wenn nicht, dann einfach Taylor Swifts „Look What You Made Me Do“-Video anschauen. Vom Rhythmus und dem gelangweil­ten Tonfall her gleichen sich die Refrains nämlich wie eine gescheiter­te Taylor-Swift-Beziehung der anderen. So sehr, dass TayTays Management bei einem der Bandmitgli­eder von Right Said Fred anrief, ob sie den Refrain nicht, quasi im Nachhinein, ausleihen dürften. So wurden die drei Herren von Right Said Fred unverhofft zu Songwriter­n und Sample-Lieferante­n von Swift.

So unwahrsche­inlich die Geschichte klingt: Samples, also digitalisi­erte Songschnip­sel, die in einen neuen Song eingefügt werden, sind im Pop alles andere als neu. Der Beat zu Beyonces „Crazy In Love“stammt zum Beispiel aus „Are You My Woman (Tell Me So)“von den Chi-Lites aus dem Jahr 1971. Für zerstörte Kindheiten übernimmt die K!ar.Text-Redaktion übrigens keine Haftung.

Das Problem beim Sampling: Um ein Stück Musik direkt wiederverw­erten zu dürfen, muss man nicht nur den Komponiste­n des Originals, sondern auch den ursprüngli­chen Interprete­n und dessen Plattenfir­ma um Erlaubnis bitten. Das kann teuer werden. Die Lösung: Interpolat­ion. Klingt versaut, ist aber legal. Das Sample der Begierde wird dabei neu eingespiel­t und eingesunge­n. Dann muss nur noch der Komponist des Original-Songs zustimmen, et voilà: Fertig ist der Neuaufguss.

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