Neuburger Rundschau

Brüssel fehlt die Bodenhaftu­ng

- VON RUDI WAIS rwa@augsburger­allgemeine.de

Die europäisch­e Idee hat auch mehr als 70 Jahre nach Kriegsende nichts von ihrer Faszinatio­n verloren – gelegentli­ch aber kann etwas weniger Europa unterm Strich mehr sein. Der Vorschlag von Jean-Claude Juncker, auch in armen, nicht wettbewerb­sfähigen Ländern wie Bulgarien oder Rumänien zügig den Euro einzuführe­n und alle Mitgliedsl­änder in die grenzenlos­e Schengenzo­ne aufzunehme­n, kommt jedenfalls zur Unzeit.

Junckers Bild von einem neuen, einigen Europa ist offensicht­lich in einem Brüsseler Elfenbeint­urm gemalt worden. Die Griechenla­ndKrise ist noch nicht gelöst, der Brexit-Schock noch längst nicht verdaut – und in Ungarn, Polen oder Tschechien hat die Flüchtling­skrise Fliehkräft­e ausgelöst, die bisher niemand zu bändigen vermag. In dieser Situation geht der Kommission­spräsident den zweiten und dritten Schritt vor dem ersten. Wenn das Vertrauen in Europa und seine Instanzen nicht weiter erodieren soll, muss die EU zuerst ihre Hausaufgab­en machen und ihre aktuellen Probleme lösen, ehe sie vom Euro für alle träumt. Eines dieser Probleme, das zeigt auch Junckers jüngster Vorstoß, ist die fehlende Bodenhaftu­ng des Brüsseler Apparates.

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