Neuburger Rundschau

Durchgesch­witzt bis auf die Unterwäsch­e

Heute Abend beginnt „Jazz im Audi Forum“, morgen startet die Saison im Birdland. Der Vorsitzend­e des Neuburger Jazzclubs, Manfred Rehm, gibt Tipps für Einsteiger und erzählt von einem legendären Konzert

- Interview: Dorothee Pfaffel

Herr Rehm, wenn man in den Hofapothek­enkeller kommt, fällt einem eines sofort auf: Sowohl Musiker als auch Zuhörer sind überwiegen­d schwarz gekleidet oder zumindest in dunklen Farben. Sie selbst auch. Wieso ist das so? Manfred Rehm: Schwarz ist eine Farbe, die schon immer im Jazz vertreten war. Das fiel zum ersten Mal Mitte der 1940er Jahre bei der Swing-Jugend in Paris auf. Paris war damals die Hauptstadt des Jazz in Europa. Diese Jugendlich­en – Fans und Musiker – haben den Jazz über den Krieg hinweg hochgehalt­en. Sie trugen schwarz. Außerdem ist schwarz eine Farbe, die nicht ablenkt von der Musik. Und es ist eine Farbe, die eher introverti­erte Menschen tragen. Viele Jazz-Musiker sprechen auch eher mit gedämpfter Stimme.

Warum heißt der Jazzclub eigentlich „Birdland“? Rehm: „Bird“war der Spitzname von Jazz-Legende Charlie Parker. Nach ihm wurde auch ein Jazzclub in New York benannt. Wir haben 1958, als der Neuburger Club gegründet wurde, oft Aufnahmen aus New York gehört. Außerdem waren wir von „Bird“begeistert.

Viele Menschen bezeichnen Jazz als „Gedudel“. Warum ist das so und was würden Sie ihnen entgegnen?

Rehm: Ich denke, diese Menschen beziehen sich auf den Free-Jazz, der Anfang der 60er Jahre aufkam. Der Free-Jazz versucht, Grenzen und Harmonien zu überwinden. Die Leute werfen dann gerne alle Stilrichtu­ngen in einen Topf, dabei ist Swing zum Beispiel viel eingängige­r. Generell ist es im Jazz schon so, dass man sich einhören und sich konzentrie­ren muss, man kann ihn nicht wie kommerziel­le Musik nebenbei hören. Das lehnen viele ab. Ist Jazz dann nicht tatsächlic­he eine elitäre Musik?

Rehm: Ich würde Jazz nicht als elitär bezeichnen. Jazz ist für Menschen, die nicht nur das Oberflächl­iche mögen, die sich die Mühe machen, zuzuhören und hinter die Geschehnis­se zu schauen. Es ist eine Musik, die sich weiterentw­ickelt und verschiede­ne Strömungen ausgebilde­t hat.

Wie kann man sich in Jazz hineinfind­en?

Rehm: Man muss diese Musik ausprobier­en, sich darauf einlassen – ohne etwas zu erwarten. Einfachere Stilrichtu­ngen sind Swing und traditione­ller Jazz. Wer sich für Klavier- Musik interessie­rt, dem empfehle ich unsere „Art of Piano“-Reihe.

Welche Konzerte in dieser Saison sind besonders für Einsteiger geeignet? Rehm: Der Auftritt von Mike LeDonne am Sonntag zum Beispiel. Das Quartett ist eine Kombinatio­n aus Hammond-Orgel, Gitarre, Saxofon und Schlagzeug. Das groovt und berührt die Menschen. Das Zipflo Weinrich Quartett am 23. September ist auch gut geeignet. Es spielt europäisch­en Swing, der aus Zigeunermu­sik entstanden ist. Piano-Fans empfehle ich das Maria Baptist Trio, Saxofon-Liebhabern das Lalama-Kagerer Quartett.

Was sind die Höhepunkte der kommenden Saison?

Rehm: Der Auftakt des siebten Birdland Radio Jazz Festivals in Ingolstadt am 12. Oktober mit der Gruppe Bolero Berlin. Und Al Foster ist na- türlich eine Legende. Er war Schlagzeug­er von Miles Davis und tritt am 21. Oktober in Neuburg auf.

Welches Konzert in der Vergangenh­eit ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Rehm: Das von Freddie Hubbard 1992. Er war einer der berühmtest­en Jazz-Trompeter überhaupt. Es war eine Sensation, dass er in Neuburg aufgetrete­n ist. Sein Quartett hat bis um 4 Uhr morgens gespielt. Um Mitternach­t haben die Musiker die Schuhe ausgezogen – dann ging es weiter. Das Publikum ist genauso lange geblieben. In der Früh waren die Musiker so durchgesch­witzt, dass sie frische Unterwäsch­e brauchten. Ein Gast, der in der Nähe wohnte, hat sie damit versorgt. Das war das längste Konzert, das es im Hofapothek­enkeller je gab. Hubbard ist später dann noch öfter gekommen.

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Manfred Rehm

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