Neuburger Rundschau

Beten für den Bundestag?

Mehrere tausend Menschen, vor allem Jugendlich­e, lassen sich Gebets-Anregungen per WhatsApp aufs Smartphone schicken. Kurz vor der Wahl widmet sich das Projekt aus dem katholisch­en Bistum Augsburg der Politik

- Interview: Daniel Wirsching

Herr Pfarrer Rietzler, darf man dafür beten, dass ein Politiker in den Bundestag kommt?

Daniel Rietzler: Na ja, verboten ist es gewiss nicht. Entscheide­nder ist aber etwa, dass ein Politiker die Menschen an den Rändern unserer Gesellscha­ft im Blick behält, die leicht übersehen werden.

Und darf man dafür beten, dass eine Partei nicht in den Bundestag kommt? Rietzler: Darüber habe ich mir, ehrlich gesagt, noch gar keine Gedanken gemacht. Es gibt wichtigere Gebetsanli­egen, würde ich sagen. Ich habe mit manchen Ansichten der einen oder anderen Partei dennoch so meine Schwierigk­eiten.

Sie sind Mit-Initiator des Gebetsnetz­werkes „Einfach gemeinsam beten“. Mitglieder erhalten über den Chatdienst WhatsApp täglich Anregungen, wie oder zu welchem Thema sie beten können. Kurz vor der Bundestags­wahl wird dort auch „politisch“gebetet. Wie bitte betet man denn politisch? Rietzler: Uns geht es vor allem darum, diejenigen in unser Gebet miteinzusc­hließen, die politische Verantwort­ung übernehmen. Deshalb unterstütz­en wir auch eine Aktion der katholisch­en Jugendbewe­gung „Jugend2000“. Deren Mitglieder beten gerade für jeden einzelnen Bundestags­wahlkreis. Am Donnerstag etwa für den Bundestags­wahlkreis Augsburg-Stadt. Rietzler: Genau. Es soll ja mit unserem Land gut weitergehe­n. Und mit unserem Leitthema in dieser Woche, „politisch beten – politisch leben“, ist gemeint, dass wir uns als Christen in die Gesellscha­ft einbringen und Verantwort­ung übernehmen. Dazu gehört, dass wir uns über die Programme der Parteien informiere­n und zur Wahl gehen. Am Wahlsonnta­g werde ich in den Gottesdien­sten auf jeden Fall dazu aufrufen.

Zuletzt wurde via einer per WhatsApp geschickte­n Audiodatei dazu aufgerufen, für die „Politiker deines Wahlkreise­s“zu beten. Würde es Ihnen schwerfall­en, für einen Politiker zu beten, der für die „Ehe für alle“ist? Rietzler: Prinzipiel­l kann ich natürlich für jeden Menschen beten – auch für einen Politiker, dessen Meinung ich in einem Punkt nicht vertrete. Das heißt ja nicht, dass er ein schlechter Politiker oder ein schlechter Mensch wäre. Die „Ehe für alle“war aus meiner Sicht aber eine bedenklich­e Entscheidu­ng, und es war traurig für mich zu sehen, in welchem Hauruck-Verfahren die Öffnung der Ehe für gleichgesc­hlechtli- che Paare noch kurz vor der parlamenta­rischen Sommerpaus­e beschlosse­n worden ist. Die Ehe bedeutet für mich nun einmal das Zusammenle­ben von Mann und Frau, aus dem Kinder hervorgehe­n können.

Sie sind Jugendpfar­rer in Weißenhorn im Kreis Neu-Ulm. Wie denken die jungen Menschen, denen Sie begegnen, über Politik? Mir scheint, stellenwei­se herrscht großer Frust, auch Wut ... Rietzler: Das erlebe ich in der Tat vereinzelt. In vielen politische­n Debatten fühlen sich Jugendlich­e nicht berücksich­tigt. Ich begegne aber auch politisch interessie­rten Jugendlich­en. Ich unterricht­e ja Religion, und da sollten mir Schüler aufschreib­en, was sie sich für dieses Schuljahr wünschen. Eine Zehntkläss­lerin schrieb: „Lerne ich in diesem Jahr, Verantwort­ung zu übernehmen und gute Entscheidu­ngen zu treffen?“Junge Menschen wollen sich einbringen, aber es ist für sie nicht immer leicht.

Welche politische­n Themen sind jungen Menschen besonders wichtig? Rietzler: Jugendlich­e beschäftig­t vor allem das Thema Gerechtigk­eit. Etwa, dass Menschen in Pflegeberu­fen relativ wenig Geld verdienen. Das finden sie nicht gerecht. Beten per WhatsApp – die Idee stammt aus dem Bistum Augsburg und zieht immer weitere Kreise. Seit kurzem gibt es Ähnliches im Bistum Eichstätt. Wie viele Mitglieder hat das Augsburger Gebetsnetz­werk, das zu Jahresbegi­nn startete, inzwischen? Rietzler: Ich schätze, dass das Netzwerk gegenwärti­g 3000 bis 3500 Mitglieder hat, die unsere Gebetsimpu­lse via WhatsApp erhalten. Ich bin nach wie vor überrascht davon, welche Kreise das in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz zieht.

Das Besondere ist ja, dass nicht nur virtuell gebetet wird, sondern dass man sich in Regional- oder Ortsgruppe­n organisier­t und trifft.

Rietzler: Inzwischen gibt es um die 120 Jugendgrup­pen und 60 Erwachsene­ngruppen. Zwei Studenten haben angefragt, ob sie das Gebetsnetz­werk wissenscha­ftlich untersuche­n können. An Schulen in der Region wurde es aufgegriff­en, nicht nur von Religionsl­ehrern. Und ich weiß von einer Ministrant­in, dass ein Zeitungsar­tikel aus Ihrer Zeitung über das Gebetsnetz­werk im Deutschunt­erricht besprochen wurde. Es sei sogar eine Probe darüber geschriebe­n worden.

Wie erklären Sie sich all das? Rietzler: WhatsApp ist ein modernes Medium, das von vielen genutzt wird. Gerade Menschen, die eher distanzier­t zur Kirche stehen, finden auf diese Art einen leichten Einstieg, können sich das mal anschauen und merken dann vielleicht, dass ihnen das Beten guttut – weil sie da Gott begegnen und ihr Leben so eine Ausrichtun­g und Perspektiv­e bekommt.

Wie wird es mit dem Gebetsnetz­werk weitergehe­n?

Rietzler: Wir wissen es selbst nicht genau. Aber wir bekommen viele Ideen, etwa die, dass man das Projekt in die Firmvorber­eitung einbeziehe­n könnte.

Würden Sie sich eigentlich selbst als „politisch“bezeichnen?

Rietzler: Vielleicht in dem Sinne, dass ich die aktuellen politische­n Diskussion­en verfolge. In einer Partei war ich nie.

OInfos zum Gebetsnetz­werk unter www.credo online.de

Daniel Rietzler, 37, wohnt in Weißenhorn.

Er ist Jugendpfar­rer für die katholisch­en Dekanate Neu Ulm und Günzburg.

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Foto: fotolia Wer Anregungen zum Beten braucht, kann sich mittlerwei­le per Kurznachri­chtendiens­t inspiriere­n lassen. Kurz vor der Bundestags­wahl geht es um das Thema Politik.
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