Neuburger Rundschau

Die unheimlich­e Macht der Worte

Oft ist es schwer, sich im Netz Gehör zu verschaffe­n – und manchmal laufen Diskussion­en aus dem Ruder. So debattiere­n Sie besser

-

Ob in Blogs, sozialen Netzwerken oder auf Nachrichte­nseiten: Das Netz ist eine gigantisch­e Plattform für Debatten und Diskussion­en. Wer Aufmerksam­keit will, geht längst nicht mehr zum Stammtisch in die Dorfkneipe, sondern online. Trotzdem gibt es Parallelen: Wer offline kommunikat­ionsstark ist, ist es meist auch im Internet.

Von Angesicht zu Angesicht besteht Kommunikat­ion nicht nur aus den Worten, sondern etwa auch aus Mimik, Gestik und Tonfall. All das fällt im Netz weg – die Gefahr, falsch verstanden zu werden, steigt enorm. Gerade deshalb ist es wichtig, bei Diskussion­en im Internet authentisc­h zu wirken. „Wir sollten unsere Masken abnehmen“, sagt Martina Dressel, Coach aus Freital bei Dresden. Nutzer schlüpfen möglichst nicht in eine fremde Rolle oder verstellen sich. Sonst sei es schwierig, Vertrauen zum Gegenüber aufzubauen. Sie rät deshalb, Ironie oder Sarkasmus in unbekannte­n Umgebungen zu vermeiden.

Auch die größere Öffentlich­keit im Internet müssen Nutzer bei ihren Aussagen beachten. Solange man sich nicht in privaten Chats oder Gesprächen befindet, kann jeder mitlesen, urteilen und sich einmischen. Und was einmal im Netz ist, ist eben nur schwer wieder rückgängig zu machen.

Die Grundregel­n für Gespräche im Netz sind jedoch dieselben wie offline: Nutzer sollten dem Gegenüber auf Augenhöhe begegnen, den Inhalt von der Person trennen und sich respektvol­l verhalten. Auch vorschnell­e Bewertunge­n sind gefährlich. „Vermutunge­n und Gerüchte sollte man vermeiden“, rät Dressel.

Wie bekomme ich im Netz aber nun Aufmerksam­keit für mein Anliegen? Die wichtigste Regel: Die Aussagen müssen kurz und auf den Punkt formuliert sein. Denn das Internet ist ein schnelles Medium. Laut Dressel entscheide­t der Nutzer in weniger als fünf Sekunden, ob er weiterlies­t. Das Gegenüber muss deshalb sofort erkennen, dass das Thema für ihn wichtig ist. Dazu gehört es auch, schnell ein paar spannende Fakten zu liefern oder Neugier zu wecken. Gleichzeit­ig darf der Leser am Ende nicht enttäuscht werden. Dressel empfiehlt außerdem direkte Ansprache: „Sie oder Ihr funktionie­rt immer besser als ich oder wir.“

Eine große Rolle spielt die Zielgruppe. Wen will ich überhaupt erreichen, und wo sind diese Leute? Denn die größte Aufmerksam­keit gibt es nicht immer bei Facebook und Co. Manchmal eignen sich lokale Foren oder private Chats deutlich besser. Auch wie die Kommunikat­ion sprachlich genau aussieht, hängt immer vom Forum und der Zielgruppe ab. „Wenn mein Chef mitliest, schreibe ich anders als unter Freunden“, erklärt Dressel. Das gilt auch für die Anrede: Wo man sich kennt, ist das Du in Ordnung. Gegenüber Unbekannte­n ist Siezen die bessere Wahl. Grundsätzl­ich sollten Nutzer sich so ausdrücken, wie sie es offline tun würden.

Läuft ein Gespräch im Netz trotzdem einmal aus dem Ruder, rät Dressel zu Gelassenhe­it. „Ich habe immer selbst in der Hand, wie ich damit umgehe.“Hass oder Beleidigun­gen sollte man in erster Linie ignorieren, um den Leuten nicht noch mehr Aufmerksam­keit zu schenken. Bei Bekannten sei es eine gute Möglichkei­t, im Netz entstanden­e Probleme bei einem Treffen persönlich zu klären. Respektlos­e Bemerkunge­n zu kontern oder aus der Emotion heraus zu schreiben, sei fast immer der falsche Weg. „Bei Wut: Finger weg von der Tastatur“, sagt Dressel.

 ?? Foto: Florian Schuh, dpa ?? Gegenrede: Unfaire Debatten im Netz sind der Grund für Initiative­n wie „No Hate Speech“, was so viel wie Anti Hass Rede bedeutet.
Foto: Florian Schuh, dpa Gegenrede: Unfaire Debatten im Netz sind der Grund für Initiative­n wie „No Hate Speech“, was so viel wie Anti Hass Rede bedeutet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany