Der „rote“Roland will Gerechtigkeit
Roland Meier will durch Unangepasstheit und sympathisches Auftreten punkten. Der Bundestagskandidat der Linken legt besonders Wert auf soziale Gerechtigkeit, Frieden und ein nachhaltiges Verhalten
Am Sonntag haben die Bürger im Wahlkreis Ingolstadt die Qual der Wahl unter elf Kandidaten, die als Wahlkreisabgeordnete in den Bundestag einziehen möchten. Die Neuburger Rundschau begleitet sechs von ihnen bei einem Wahlkampfauftritt. Es sind die Kandidaten derjenigen Parteien, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Bundestag gewählt werden. Roland Meier will für die Linke in den Bundestag. Wir waren dabei, als er in der Neuburger Innenstadt für sich warb. Neuburg Es hat zu nieseln angefangen und jetzt will sich keiner der vorbeihuschenden Passanten mehr auf ein Gespräch einlassen mit Roland Meier. Etwas bedröppelt stehen wir so unter dem großen, roten Schirm, der wie ein Fanal den Wahlinfostand der Linken in der Weinstraße/Ecke Schrannenplatz signalisiert. Ob der bajuwarische Himmel ob dieser Farbwahl zürnt und sich an diesem Tag partout nicht weißblau zeigen will?
Die Mitstreiter des Bundestagskandidaten ficht das Schmuddelwetter nicht an. Die „Parteisoldaten“, wie sich Linke natürlich nur ungern titulieren würden, drücken jenen Vorbeieilenden, die sich nicht sträuben, einen Flyer mit dem Parteiprogramm in leicht lesbarer Kurzfassung in die Hand. Auch Lokalmatadorin Eva-Bulling-Schröter aus Ingolstadt, Landesvorsitzende der bayerischen Linken und Noch-Bundestagsabgeordnete, ist sich als Wahlhelferin nicht zu schade.
Vorhin war die Szene noch eine andere. Ein junger Mann diskutierte mit Verve mit dem Linken-Kandidaten über Weltfrieden, Bundeswehr, Cannabis und die Avantgarde der Besitzlosen. Fotografieren lassen wollte sich der Bartträger dabei jedoch nicht. Er strebe eine Anstellung im Staatsdienst an, ein Auftritt am Wahlinfostand der Linken erschien ihm da nicht zuträglich. „Nicht wenige finden unsere Ideen gut, fremdeln aber, sich zu uns zu bekennen“, hat Roland Meier auf der Straße gelernt. Doch er stört sich daran nicht, als engagierter Streiter für die linke Sache diskutiert er gerne und unterhält sich in seiner angenehmen, unaufgeregten Art auch mit mir, dem interviewenden Journalisten, ausgiebig.
Ja, er sei ein Spätberufener und habe vor seinem Eintritt bei der Linken andere Parteien ausprobiert – die Grünen, die Piraten, auch die Bürgergemeinschaft Ingolstadt. Überzeugen von einem politischen Engagement konnte ihn erst Eva Bulling-Schröter. Schließlich kandidierte er für die Linke bei der Kommunalwahl. Und jetzt als Bundestagskandidat, „von null auf 100
praktisch“, schmunzelt der 52-Jährige. Wichtig sind Roland Meier neben dem Einsatz für Menschen ökologische Themen. Der überzeugte Veganer, seine Frau und die beiden Kinder teilen diese Einstellung, redet von Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Ein Grüner könne er aber nicht sein, „die sind mir nicht friedlich genug.“
Womöglich ist es der überschaubaren Frequenz der Passanten an diesem Vormittag in Neuburg geschuldet, Roland Meier hat viel Muße und fachsimpelt weiter, etwa über den Auftritt von Punkröhre Nina Hagen am Abend zuvor im Kulturzentrum Ingolstadt. Für einen Linken ist der Auftritt des schrillen Bürgerschrecks selbstredend ein Pflichttermin. So tröpfelt der Vormittag dahin, doch dann passiert’s. „Zwei Erstwähler, da müssen’s zuhören, des müssen’s schreiben“, bricht bei Kreisvorsitzendem Roland Keller plötzlich Euphorie aus.
Die junge Generation gilt als politikverdrossen, gar apolitisch und schwer zu überzeugen. Doch diese Mär wischt die junge Frau, die nun am Stand steht, bestimmt zur Seite. Sie weiß sehr genau, wem sie am Sonntag ihre Stimme geben wird. Die Linke sei, weil authentisch und mit einem sozialen Gewissen ausgestattet, die einzig wählbare Alternative, findet sie. „Sie hat mich schon beeinflusst“, gibt ihr Begleiter lächelnd zu, will sich aber noch weiter überzeugen lassen und hat ein paar Fragen an Roland Meier. Jetzt ist der Kandidat gefordert – mit Eva Bulling-Schröter an der Seite. Der Abiturient möchte Pfleger werden. „Wie also steht die Linke zur Pflege?“Pflegekräfte seien total unterbezahlt, diese wichtige Tätigkeit müsse besser entlohnt werden, erklärt der Wahlkämpfer. Die Linke möchte eine gesetzliche Personalbemessung einführen und 160 000 neue Fachkräfte in Krankenhäusern einstellen, davon 100 000 in der Pflege. Deutschland sei, durch den politisch gewollten Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern, Schlusslicht beim Pflegepersonal, was sich prekär auf die Patientenversorgung auswirke. „Deutschland ist eines der reichsten Länder und bringt da nichts zuwege. Es fehlt der politische Wille“, tadelt Meier und ist gleich beim nächsten Thema – Arbeit. Er wettert gegen Werkverträge und Leiharbeit. Angestellt bei einem großen Ingolstädter Unternehmen, wisse er, wie Belegschaften dadurch gespalten würden.
Ob der junge Mann sich überzeugen hat lassen? Das will er nicht verraten und natürlich ist die Argumentation mit offenem Ausgang das Schicksal aller Wahlkämpfer. Das „Zeugnis“gibt’s erst am Wahlsonntag ab 18 Uhr. Bis es soweit ist, wartet auf Roland Meier noch viel politische Kärrnerarbeit. Schon am Nachmittag folgt der nächste Auftritt bei der Rede von Dietmar Bartsch, Spitzenkandidat und Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag, auf dem Ingolstädter Rathausplatz.