Was ist nur mit der Schnur los?
Die Demokratie in Bayern hat bisher vorbildlich geklappt. Da war alles ganz klar geregelt. Nach dem Kirchgang und vor dem Schweinsbraten ging man gemeinsam zum Wählen, und am Abend dankte die CSU fürs große Vertrauen.
Das lag, wie Forscher inzwischen herausgefunden haben, an einer besonders klugen, demokratiefestigenden Anordnung in den Wahlkabinen: Die Schnur am Kuli war nämlich immer exakt so lang, dass selbst motorisch Auffällige, die den Stift nicht gerade halten können, davor geschützt wurden, das Kreuz an der falschen Stelle zu setzen. Diese Schnur der Vernunft, wie wir sie nennen wollen, war über Jahrzehnte lang der Garant für die Demokratie in Bayern.
Mit der Einführung der Briefwahl begann dann der langsame Niedergang. Zu Beginn musste der Wähler noch mühsam nachweisen, dass er auch garantiert sterbenskrank sei, um die Benutzung des amtlichen Kulis vermeiden zu können. Die bayerische Demokratie brachte das noch nicht ins Wanken. Die Bayern sind ja überwiegend gesund. Plötzlich aber durften auf einmal alle daheim wählen. Jeder, der wollte, konnte seinen ganz privaten Kuli nehmen und völlig unkontrolliert auch in den Niederungen des Wahlzettels herumkreuzen, obwohl er gar nicht krank war.
Das konnte eigentlich nicht gut gehen, wie wir jetzt auch eindrucksvoll miterleben durften. Selbst in der Wahlkabine ist der Wähler nicht mehr sicher: Die Schnur viel zu lang – und die Mine mancherorts im Freistaat soll, so hört man, inzwischen sogar rot sein.