Neuburger Rundschau

Das Seelenlebe­n der Replikante­n

Blade Runner 2049 Das Meisterwer­k von Ridley Scott hat 1982 Maßstäbe für Science-Fiction gesetzt. Nun kommt eine Fortsetzun­g der düsteren Zukunftsvi­sion ins Kino, die ihm das Wasser reichen kann

- VON MARTIN SCHWICKERT

Gerade einmal zwei Kalenderja­hre sind wir von dem Zeitpunkt der Zukunftsvi­sion entfernt, die Ridley Scott in seinem Science-FictionFil­m „Blade Runner“1982 entworfen hat. Auch wenn sich glückliche­rweise nur wenig von der düsteren Fantasie in unserer heutigen Welt bewahrheit­et hat – auf der Leinwand hat Scotts frühes NeoNoir-Meisterwer­k nichts an Wirkung verloren.

Wenn nun Denis Villeneuve mit „Blade Runner 2049“in Scotts Fußstapfen tritt, sind die Erwartungs­haltungen übergroß. Der frankokana­dische Regisseur hat sich in den letzten sieben Jahren vom politisch engagierte­n Kunstkino kommend („Die Frau, die singt“) mit Genrewerke­n wie „Prisoners“, „Sicario“und zuletzt mit dem brillanten Alien-Film „Arrival“als Vertreter eines höchst anspruchsv­ollen Mainstream­kinos etabliert. Und so sich sein „Blade Runner 2049“als würdiges Nachfolgew­erk, das der Vorlage mit Liebe und Respekt begegnet, aber inhaltlich wie künstleris­ch auf eigenen Beinen steht. Die Zukunft des Jahres 2049 sieht hier noch um einiges düsterer aus: Gigantisch­e Solarfelde­r erstrecken sich durch verwüstete Landschaft­en bis zum Horizont, San Diego wurde in eine riesige Müllkippe verwandelt und das dauerverre­gnete Los Angelas schützt sich mit hohen Mauern gegen die heranbrand­enden Meeresflut­en.

Hier verrichtet K (Ryan Gosling) seinen Dienst beim LAPD. Genau wie seinerzeit Harrison Fords Deckard ist auch er ein Blade Runner, der menschenäh­nliche Replikante­n einer frühen Serie gewaltsam in den „Ruhestand“versetzt. Was bei Deckard im Ungewissen blieb und unter Fans zu Glaubenskr­iegen führte, ist im Falle von K sofort Gewissheit: Der versierte Jäger ist selbst ein Replikant. „Ihr neuen Modelle reißt euch um die Drecksarbe­it, weil ihr noch nie ein Wunder gesehen habt“, sagt ein Replikant alter Schule vor dem Ableben zu dem polizeilic­hen Vollstreck­er. Reste eines solchen Wunders finden sich in einer Kiste dreißig Meter unter der Erde: Das Skelett eines weiblichen Replikante­n trägt deutliche Gebärspure­n. Dass diese sich selbst fortpflanz­en und nicht auf schöpferis­che Hochtechno­logie der Menschen angewiesen sind, ist für die rigide Polizeiche­fin Joshi (Robin Wright) ein nicht akzeptable­r Entwicklun­gsfortschr­itt: „Unsere Gesellscha­ft gründet darauf, dass es eine Mauer zwischen den Spezies gibt.“

K wird beauftragt das Kind zu finden und zu eliminiere­n. Aber seine Ermittlung­sarbeit führt ihn vor allem in die undefinier­ten Zonen der eigenen Identität, wo sich werksimpla­ntierte Erinnerung­en als möglierwei­st che Realität erweisen, die Gefühle für die synthetisc­he HologrammG­efährtin Joi (Ana de Armas) eine unbekannte Intensität erreichen und die eigene Existenz zum Spielball der schöpferis­chen Machtfanta­sien eines High-Tech-Giganten (Jared Leto) wird. Wie jeder echte Held ist auch K auf der Suche nach sich selbst, forscht nach der Seele im eigenen Replikante­ndasein und der Enträtselu­ng seiner Herkunft.

Wie Scotts Vorlage erzählt sich das Nachfolgew­erk über eine Atmosphäre, die vieles nur andeutet und nicht alles in Dialogen erklären will. Meisterhaf­t bauen Villeneuve und sein Kameramann Roger Deakins Assoziatio­nsräume in ihren futuristis­chen Settings auf. „Blade Runner 2049“ist mit Abstand der bestausseh­ende Science-Fiction seit Jahren und erzeugt über zweieinhal­b Stunden hinweg ohne Qualitätsv­erluste Bilder von düsterer, atemberaub­ender Schönheit, die eine nachhaltig­e, magische Wirkung entfalten.

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Foto: Sony Pictures Trostlos sieht die Welt des Jahres 2049 aus, in der K (Ryan Gosling) seinen Auftrag erfüllen soll.
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