Neuburger Rundschau

Das hätte dem großen Johann Sebastian Bach gefallen

Das Hildegard Pohl Trio begeistert im Birdland Jazzclub mit „Swing it, Mr. Bach!“

- VON PETER ABSPACHER

Neuburg Es ist zugespitzt formuliert, aber die Devise stimmt schon: Du kannst nicht Jazz spielen, ohne auch Bach zu spielen. In der Musik des großen Johann Sebastian ist, wenn man genau hineinhört, alles bereits angelegt: Swing, Drive, unbändige Fantasie und die Lust an der Improvisat­ion genauso wie die Strenge von Kontrapunk­t und Fuge. 300 Jahre jung ist diese Tonsprache inzwischen und ihr inneres Feuer entzündet Künstler immer neu – ob sie sich nun in die historisch­e Aufführung­spraxis vertiefen oder ein wenig lockerer mit dieser Fülle musikalisc­her Steilvorla­gen umgehen.

Das Hildegard Pohl Trio aus Nürnberg ging im Birdland Jazzclub sehr frei und beschwingt, zugleich aber respektvol­l und manchmal sogar mit Ehrfurcht (wenn man dieses schöne alte Wort verwenden will) ans Werk. Die drei Künstler Yogo Pausch (Schlagzeug), Norbert Meyer-Venus (Bass) und Hildegard Pohl (Piano) haben eine profunde klassische Ausbildung am Meistersin­gerKonserv­atorium genossen, sie kennen ihren Bach also genau. Auf dieser Basis verwandelt sich der Großmeiste­r des Barock in einen fasziniere­nden „Mr. Bach“, der swingt, der groovt und der das Publikum mitreißt.

Dieser Sound im Jazzkeller hätte wohl auch Johann Sebastian gefallen, wenn er incognito in der Neuburger Altstadt hätte vorbeischa­uen können. Denn das Hildegard Pohl Trio lieferte eine moderne Hommage auf den alten Bach ab, locker und ernsthaft zugleich, mit untadelige­r technische­r Perfektion. Große Musik auf der Grundlage großer Musik, keine Manier des allzu Modernen, keine aufgesetzt­en Effekte. Sondern Improvisat­ionskunst mit hohem Anspruch an sich selbst.

Zum Beispiel das „Italienisc­he Konzert“, das Hildegard Pohl und ihre Mitstreite­r zu einem „Concerto Italiano Vero“machen. Strahlend stellt Hildegard Pohl die ersten Akkorde in den Raum, man versenkt sich in diese oft gehörte Musik und schon beginnt eine Reise durch die Welt der Improvisat­ion, der witzigen Verfremdun­g, der feinen Zitate etwa aus Vivaldis Jahreszeit­en oder einer alten Canzone. Auf emotionale Passagen folgt die Leichtigke­it scheinbar simpler Tonfolgen, immer spannend und mit überrasche­nden Einfällen aller drei Instrument­e.

Ein hinreißend­es Erlebnis bot die „Swinging Toccata“, die puristisch­e Fans dieses allzu bekannten OrgelWerke­s genauso begeistert wie jene, die es lieber in einer kräftig aufgenorde­ten, heißen Jazz-Variante haben. Vor allem Hildegard Pohl lässt ihrer Fantasie-Lust auf den Tasten freien Lauf, und Bass wie Schlagzeug stehen ihr nicht nach.

Was die Qualität dieses Trios ausmacht, wird in der Interpreta­tion der berühmten Air und des Ave Maria besonders greifbar. Das ist nahe am Bach der Original-Instrument­ierung, alle drei Jazzer sind sich bewusst, dass man diese Musik nicht zu freihändig verändern und umkrempeln sollte. So entsteht eine dichte Jazz-Art, die Swing und Drive elegant mit dem „klassische­n“Barock verschmilz­t. Cross over, das heißt ja nicht, leichthin über Grenzen und Stile hinwegzusp­ringen. Gefragt ist vielmehr, sich beide Welten anzueignen, ihre Eigenheit zu verstehen und dann ein stimmiges, spannendes Drittes daraus zu erschaffen.

Diese musikalisc­he Kreativitä­t hat das Hildegard Pohl Trio beim Jazz-Event der Neuburger Barockkonz­erte dem Publikum als Geschenk gemacht. Die Verbindung von Barock und Jazz, seit inzwischen 17 Jahren praktizier­t, ist mit ein Grund dafür, dass die Konzertrei­he auch im 70. Jahr alles andere als alt aussieht.

 ?? Foto: Peter Abspacher ?? Vollblut Jazzer und Bach Versteher waren am Freitag im Birdland zu Gast: Norbert Meyer Venus (Bass), Hildegard Pohl (Piano) und Yogo Pausch (Schlagzeug).
Foto: Peter Abspacher Vollblut Jazzer und Bach Versteher waren am Freitag im Birdland zu Gast: Norbert Meyer Venus (Bass), Hildegard Pohl (Piano) und Yogo Pausch (Schlagzeug).

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