Die ganze Welt sieht zu
YouNow ist der neueste Schrei unter Jugendlichen. Doch hinter dem scheinbar harmlosen Netzwerk verbergen sich Gefahren. Auch Facebook-Nutzer sollten aufpassen
Landsberg Die 15-jährige Elisa sitzt Mittwochvormittag in Hotpants und engem Oberteil auf ihrem Bett und spielt mit ihrem Handy. Warum sie nicht in der Schule ist, will sie nicht verraten. Das blonde Haar trägt das Mädchen offen und ihre kleinen Pickel hat sie mit viel Schminke überdeckt. Sie liegt auf ihrem lila überzogenen Wasserbett im Kinderzimmer. Im Hintergrund steht der Schreibtisch mit Schulunterlagen. Auf den ersten Blick wirkt alles harmlos. Doch das Erschreckende ist: Jeder kann mitsehen.
Elisa sendet nämlich per Tablet live aus ihrem Kinderzimmer in die Welt hinaus. Sie ist Mitglied bei YouNow, einer Onlineplattform, die es ihr ermöglicht, Live-Videos ins Internet zu stellen. Folglich können Tausende User weltweit Elisa auf ihrem Bett liegen sehen und in Form eines Live-Chats mit ihr kommunizieren. Da stehen dann Kommentare wie: „Steh mal bitte auf und zeig deinen Body“oder „Trägst du etwas drunter?“. Und das sind noch die etwas harmloseren Aufforderungen.
Elisa ist nicht die Einzige: Klickt man einen Link weiter, entdeckt man den 14-jährigen Jonny, der gerade im Muskelshirt Gewichte stemmt, oder die 13-jährige Janine, die gerade vor aller Welt ein Lied in die Kamera trällert. Aus ihrem Alter und ihrem Wohnort machen sie oft kein Geheimnis.
YouNow kann man als App oder am Laptop herunterladen und sich ganz einfach per Facebook-Account anmelden. Seit Weihnachten ist die Mitgliederzahl von YouNow in Deutschland förmlich explodiert. Laut Philipp von Röder von YouNow Deutschland ist der Anteil der deutschsprachigen Nutzer in den vergangenen beiden Monaten um 250 Prozent gestiegen. „Der Erfolg in Deutschland kam überraschend. Eigentlich ist YouNow als Plattform für Musiker und andere Kreativgeister jeden Alters gedacht. Doch es zeigt sich, dass vor allem die Jugend die Plattform nutzt“, beschreibt Röder den Hype. Mittlerweile verzeichnet die Plattform laut Röder allein in Deutschland monatlich 16 Millionen Sendungen. Es entwickelt sich also zu einem Massenmedium der Jugend. Auch der Pädophilen? Mitmachen kann nämlich jeder. Die einzige Hürde ist beim Draufklicken von YouNow lediglich ein kleines Fenster, wo bestätigt werden muss, dass man älter als 13 ist. Eltern sollten gewarnt sein.
Bundesjugendministerin Manuela Schwesig forderte jüngst: „YouNow hat dafür zu sorgen, dass das Angebot von Kindern nicht genutzt wird, und dass für Jugendliche geschützte Räume geschaffen werden, in denen sie nicht für alle sichtbar sind.“YouNow-Vertreter Röder verspricht, dass das Medium in Zukunft seine Benutzer verstärkt kontrollieren wird: „Wir haben derzeit deutschlandweit zwölf Beobachter, die zweifelhafte User jederzeit von der Seite entfernen können. Diese Zahl werden wir aufstocken.“
Ulrike Wiedenfels von der „Sicher-Stark-Stiftung“, einer Organisation, die sich bundesweit für Kinderschutz einsetzt, rät Eltern zur verstärkten Kontrolle des Internetkonsums ihrer Kinder. Sie sollten ein Auge darauf haben, mit wem ihr Kind im Internet kommuniziert und welche Informationen es preisgibt. Zudem sollte den Kindern wiederholt ein vorsichtiger Umgang mit dem Internet nahegelegt werden.
Die Polizei rät auf ihrer Homepage www.polizei-beratung.de Jugendlichen, im Netz geizig mit Information zu Alter und Wohnort zu sein und niemals den richtigen Namen zu verwenden. Man solle zudem den Kontakt mit jemandem abbrechen, sobald man unangenehme Nachrichten erhält, und eine Person des Vertrauens benachrichtigen. Dies gilt nicht nur für YouNow, sondern für alle sozialen Netzwerke – auch Facebook.