„Ich werde mich immer dafür hassen“
In dem Totschlagsprozess verteidigt sich der 32-jährige Angeklagte erneut vehement: Er sei weder eifersüchtig noch habe er seine Frau vor dem tödlichen Streit jemals geschlagen
Ingolstadt Das Bedürfnis zu reden, sich mitzuteilen, Dinge, die im Raum stehen, aus seiner Sicht zurechtzurücken, war groß. Vor allem, nachdem die Aussage seiner früheren Schwiegermutter von Landgerichtsvizepräsident Jochen Bösl verlesen worden war. Und so machte der Angeklagte im Totschlagsprozess zum Familiendrama von Denkendorf gestern erneut eine längere Aussage vor dem Landgericht.
Wie berichtet, muss sich der 32-Jährige vor der Großen Strafkammer verantworten, weil er am 2. Januar dieses Jahres seine Frau ums Leben gebracht haben soll.
Auslöser war eine verfängliche Chat-Nachricht gewesen, die sie mit einem anderen Mann ausgetauscht hatte. Er habe sie zur Rede gestellt, sie habe ihn daraufhin zuerst geschlagen und angekündigt, ihn zu verlassen.
Er soll ihr dann in dem schnell eskalierenden Streit im Badezimmer mehrfach wuchtig mit einem Keramikbecher und einer Glasflasche auf den Kopf geschlagen haben. Es sei immer heftiger geworden. Letztlich, als sie nicht aufgehört habe, ihn zu beleidigen, habe er mit einem T-Shirt gegen ihr Gesicht gedrückt, bis sie erstickte. So habe er ihren Tod „billigend in Kauf“genommen, wie es in der von Staatsanwältin Sandra von Dahl vorgetragenen Anklageschrift heißt. Das „billigend in Kauf genommen“ist die entscheidende Formulierung. Und genau diesen Punkt bestreitet der Angeklagte vehement. Die Schläge gab er zu. Er habe sie beruhigen wollen, den Mund zugehalten, damit der Sohn nichts mitbekomme. Als sie ihn in den Finger biss, habe er, quasi zum Schutz, ein Shirt dazu genommen. Und nicht erkannt, dass sie keine Luft mehr bekam. Ihren Tod habe er keinesfalls gewollt. Ihre Ehe sei zuletzt schwierig, seine Frau auch dominant, immer wieder auch hysterisch gewesen, aber: Sie hätten sich geliebt.
Die frühere Schwiegermutter des Angeklagten, eine Französin, hatte bei der Polizei eine Aussage gemacht, die gestern von Richter Bösl verlesen wurde.
Und diese enthielt schwere Vorwürfe: Sie hatte den Beamten von Blutergüssen am Hals ihrer Tochter berichtet, die sie bemerkt habe. Sie habe zudem gesehen, wie der Angeklagte seinen Sohn bei einem Besuch hinterhältig gezwickt habe. Er habe ihren Enkel nicht geliebt. Und er habe ihrem Lebensgefährten einmal zudem Gewalt angedroht. Sie werfe sich vor, die Polizei nicht schon früher in Kenntnis gesetzt zu haben, sie habe zu spät den Zustand der Ehe ihrer Tochter erkannt. Sie wisse, was sie sage, bringe ihr ihre Tochter nicht zurück. Aber: Sie wolle andere Menschen „vor Verbrechen bewahren“.
Ihr früherer Schwiegersohn wehrte sich gestern daraufhin. Seinen Sohn könne er nichts antun. Er sei auch noch nie gewalttätig gegenüber Frauen gewesen. Schon gar nicht gegenüber seiner eigenen Frau. Umgekehrt habe die einmal die neue Partnerin ihres Vaters bei einem Besuch geschlagen.
Außerdem: Eifersüchtig auf den Kollegen seiner Frau, von dem die den tödlichen Streit auslösende Nachricht kam – und mit dem diese geflirtet hatte, wie die Beweisaufnahme ergeben hat – sei er auch nicht gewesen. Überhaupt sei er kein eifersüchtiger Typ. Er betonte erneut, dass das Verhältnis seiner Frau zu dem Kollegen transparent und eine „reine Arbeitsbeziehung“gewesen sei. Die Chat-Nachrichten, die seine Frau mit dem anderen ausgetauscht habe, seien sogar teilweise über sein Zweithandy gelaufen. Das habe er seiner Frau gegeben, damit sie mit dem Mann weiter in Kontakt bleiben könne.
Allerdings habe seine Frau ihn zuletzt unter Druck gesetzt. Sie habe in den letzten drei Monaten immer wieder damit gedroht, dass es irgendwann vorbei sei und er seinen Sohn dann nicht mehr wiedersehe. Eine Zeugin, eine Freundin der Frau, hatte vor Gericht gesagt, dass zu diesem Zeitpunkt diese schon innerlich mit der Beziehung abgeschlossen gehabt habe. Auch wenn sie ihren Mann wegen des Sohnes nie habe verlassen wollen.
Er, so sagte der Angeklagte weiter, habe sich bemüht, neben der Arbeit den Haushalt am Laufen zu halten und seine Frau immer unterstützt. Aber diese sei oft aggressiv gewesen. Am nächsten Morgen habe sie ihm dann wieder ihre Liebe beteuert. Ja, es sei schwierig gewesen zuletzt. Aber grundsätzlich hätten sie „perfekt zusammengepasst“. Und: „Meine Frau ist tot, und dafür werde ich mich den Rest meines Lebens hassen.“
Als sie ihn am 2. Januar schlug, habe sich sein Blickfeld verengt. Er habe zurückgeschlagen und dann in Grautönen nur noch einzelne Bilder gesehen.