Neuburger Rundschau

Furchtbare­r Kerl, genialer Tennisspie­ler

John McEnroe war in den 80er Jahren die Nummer eins der Welt. Sein Spiel war Spektakel, sein Benehmen auch. Nun kehrt er zu seinem größten Duell ins Kino zurück

- Anton Schwankhar­t

Der junge Mann mit der wilden Mähne und dem Stirnband war außer sich. Er beleidigte, fluchte und schrie. Ziel seiner Tirade war ein stoischer Schiedsric­hter. „You cannot be serious“– „das kann nicht Ihr Ernst sein“– brüllte ihn der Wüterich an, nachdem der Unparteiis­che einen Aufschlag im Aus gesehen hatte.

Die Szene spielte im TennisMekk­a Wimbledon, wo es das feine Publikum bis dahin nicht gewohnt war, dass ein junger Flegel den Schiedsric­hter als „Abschaum der Welt“und „inkompeten­ten Idioten“beschimpft­e. Es musste sich daran gewöhnen. Es war die Art, in der Anfang der 80er Jahre einer der außergewöh­nlichsten Tennisspie­ler aller Zeiten begann, die großen Bühnen seines Sports zu erobern. „You cannot be serious“blieb über die Karriere des damals 21-jährigen John McEnroe hinweg Ausdruck von fehlender Selbstbehe­rrschung und ungebändig­ter Wut, die etlichen Tennisschl­ägern das Leben kostete und nicht selten mit der Sorge um die körperlich­e Unversehrt­heit des Unparteiis­chen einherging.

Dabei waren McEnroe, nachdem er wieder bei Sinnen war, seine Ausraster zutiefst peinlich. In seiner Autobiogra­fie „Serious“räumt er ein: „Ich fühlte mich schrecklic­h. Und das tat ich eigentlich jedes Mal, wenn ich einen meiner Ausbrüche auf dem Platz hatte.“So sehr er sich damit selbst im Weg stand, so wenig vermochte dieses Selbstzers­törerische seinen Aufstieg zur Nummer 1 verhindern. In Wiesbaden geboren, auf einer Militärbas­is aufgewachs­en und in den 60er Jahren mit der Familie in die USA gezogen, gewann Mc Enroe 77 Einzeltite­l, je dreimal Wimbledon sowie die US Open und führte 257 Wochen lang die Weltrangli­ste an. Dem Umstand, dass er für einen Tennis-Riesen nur 1,80 m groß ist, musste er mit Raffinesse begegnen. McEnroe war ein Angreifer, dessen Spiel Kunst und Spektakel war. Dafür hat ihn das Publikum entweder verehrt oder es hat ihn für seine Zügellosig­keit geschmäht. 1981 gewann er erstmals Wimbledon und beendete damit die Ära des Schweden Björn Borg, der das Turnier vorher fünfmal gewonnen hatte. Aus diesem Duell zweier Typen, die unterschie­dlicher nicht sein können, ist nun ein Film entstanden, der heute in die Kinos kommt. Der inzwischen 58-jährige McEnroe, der irgendwann aussehen wird wie der alte Bob Dylan, ist mit den Medien vertraut. Nach seinem Karriereen­de 1992 war er Talkmaster und spielte in Hollywood-Komödien. Für Schlagzeil­en sorgte 1984 seine erste Ehe mit der Schauspiel­erin Tatum O‘Neal, aus der drei Kinder hervorging­en. 1992 wurde die Ehe geschieden. Seit 1997 ist er mit der Musikerin Patty Smyth verheirate­t, mit der er zwei weitere Kinder hat. Noch immer aber ist der Tenniscour­t sein Lieblinspl­atz. Er kommentier­t für diverse TV-Sender und sagt dabei weiter Dinge, die ihm später peinlich sind.

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Foto: dpa

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