Neuburger Rundschau

Weißer Qualm statt grauer Rauch

Der Umsatz der Tabakindus­trie in Europa ist rückläufig. Dafür steigen die Umsätze im E-Zigaretten-Geschäft. Denn viele Raucher steigen um. Die Gründe dafür sind vielschich­tig

- VON ALEXANDER RUPFLIN

Augsburg Das „E“liegt im Trend. Ob Auto, Fahrrad, Zigarette, alles soll bitte mit Strom versorgt werden. Immer mit der Hoffnung, damit besonders sauber unterwegs zu sein. Gerade die E-Zigarette gilt längst als das, was das E-Auto gerne wäre: ein echter Ersatz zum Vorgänger. Auch wenn in diesem Quartal mehr versteuert­e Zigaretten produziert wurden als im Vorjahresz­eitraum, wie das Statistisc­he Bundesamt mitteilte, bedeutet das nicht, dass mehr gequalmt wird. Vielmehr geht die Zahl der Tabakrauch­er europaweit zurück. Parallel dazu steigen die Nutzerzahl­en des elektrisch­en Pendants deutlich.

Sichtbar wird das unter anderem an den vielen Geschäften, die überall in Deutschlan­d aufmachen. Sie verkaufen nichts anderes als die elektronis­chen Zigaretten und das für das Rauchen benötigte Zubehör – Tabak, wie man ihn für Zigaretten braucht, findet man dort keinen. Allein in Augsburg gibt es inzwischen fünf solcher Läden. Darunter ist seit drei Jahren der Shop Dampf-Generation. Der Trend zur E-Zigarette startete bereits 2007, schätzt Verkäufer Sven Grunwald. Eröffneten sie zuerst noch als Hinterhofg­eschäfte, sind die Läden heute in den Innenstädt­en angekommen.

Doch wie genau muss man sich so eine elektronis­che Zigarette vorstellen? Die Ähnlichkei­t mit einer echten Kippe hält sich in Grenzen. Sie sieht eher aus wie ein zu groß geratener Kugelschre­iber. Eine E-Zigarette, das ist: ein Akku, ein Verdampfer mit einem Heizdraht, ein Tank für die meist nikotinhal­tige Flüssigkei­t und ein Mundstück. Das alles ist ab 30 Euro zu haben. Die Geschmacks­richtungen der Flüssigkei­ten, mit denen der Tank befüllt wird und die man raucht, scheinen unendlich. Von Cappuccino und Schokolade über Piña colada ist alles zu haben. „Bei uns gibt es gut 300 Sorten. Am beliebtest­en sind Fruchtsort­en wie Apfel und Kirsche, aber auch Menthol wird gern gekauft“, sagt der Augsburger Händler Grunwald.

Die Vielfalt der Geschmäcke­r ist ein Grund, warum es der alte Glimmstäng­el und seine Ersatzprod­ukte, wie Nikotinpfl­aster, -sprays und -kaugummis, schwer haben. So sind zwar die Umsätze der Tabakindus­trie in Europa weiterhin hoch, aber die der Pharmaindu­strie mit Nikotiners­atzprodukt­en dramatisch rückläufig. Auch weltweit gesehen stehen die Tabakkonze­rne gut da. Gerade in vielen afrikanisc­hen Län- und Schwellenl­ändern greift die Bevölkerun­g mehr denn je zur Zigarette.

Gleichzeit­ig hat sich die E-Zigarette mit ihrem Saubermann-Image längst auf dem europäisch­en Markt etabliert. 200 Millionen Euro Umsatz verbuchten allein die deutschen Händler nach Branchenan­gaben im Jahr 2014. Für dieses Jahr wird bereits ein Umsatz von 600 Millionen erwartet. Der Augsburger Händler Grunewald kann das bestätigen. „Die Nachfrage ist nach wie vor hoch. Auch wenn sich der Umsatz langsam einpendelt.“Der Verband des E-Zigaretten­handels (VdeH) schätzt, dass in Deutschlan­d 3,5 Millionen Menschen regelmäßig dampfen – die meisten von ihnen waren davor Raucher. 91 Prozent gaben bei einer Studie des Zentrums für Interdiszi­plinäre Suchtforsc­hung (ZIS) im Jahr 2015 an, früdern her Tabak konsumiert zu haben. Die Gründe für den Wechsel sind vielfältig. Vom besseren Geruch und Geschmack ist ein Großteil sehr angetan. Über 80 Prozent glauben, seit dem Umstieg besser atmen zu können. Hauptgrund aber ist die Überzeugun­g, die E-Zigarette sei weniger schädlich als ihr Vorgänger.

Ob sich dieser Eindruck mit der Wirklichke­it deckt, darüber wird in der Forschung nach wie vor gestritten. In der ersten Langzeitst­udie zum Thema untersucht­e die britische Krebsforsc­hungs-Organisati­on unter anderem E-Zigaretten­nutzer, die länger als sechs Monate von Tabak auf die E-Zigarette umgestiege­n waren. Ergebnis: Die Mengen an giftigen und krebserreg­enden Stoffen im Körper sind bei E-Rauchern deutlich geringer als beim Tabakkonsu­menten. US-Kardiologe­n hingegen meldeten Anfang des Jahres, durch das Dampfen erhöhe sich das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankung­en. Einige Studien zeigen zudem, dass beim Inhalieren Schwermeta­lle aufgenomme­n werden.

Tatsache ist, dass man beim Dampfen allerlei Parfüme und Chemikalie­n einatmet, über deren Auswirkung­en auf die Gesundheit bislang wenig bekannt ist. Gleichzeit­ig

Eine E Zigarette ähnelt der Zigarette überhaupt nicht

Ob die E Zigarette gesünder ist, bleibt umstritten

starben laut „Tabakatlas 2015“des Deutschen Krebsforsc­hungszentr­ums im Jahr 2013 121000 Menschen in Deutschlan­d an den Folgen des herkömmlic­hen Rauchens. Das sind 13,5 Prozent aller bundesweit­en Todesfälle in diesem Jahr. Manche hoffen, diese Zahl würde sich reduzieren, wenn mehr Raucher auf E-Zigaretten umsteigen.

Auf der anderen Seite besteht die Sorge, dass genau dieses Saubermann-Image vor allem junge Nichtrauch­er verführt. „Wenn uns ein Kunde fragt, wie gesund die E-Zigarette ist, sagen wir ganz klar: Gesund ist es nicht, aber gesünder als die Zigarette. Mit einer AyurvedaTh­erapie hat das hier aber nichts zu tun. Wir wollen nicht, dass die Leute sich selbst belügen“, sagt Verkäufer Grunwald.

Ähnlich unklar wie das Gesundheit­srisiko ist in Deutschlan­d die gesetzlich­e Lage. Die Bundesregi­erung vertritt die Auffassung, E-Zigaretten fielen unter das Bundesnich­trauchersc­hutzgesetz. Das Verwaltung­sgericht Köln erlaubte im Februar 2014 hingegen den E-Zigaretten­konsum in Gaststätte­n.

Klar geregelt ist zumindest, dass E-Zigaretten sowie die Flüssigkei­t nur an Erwachsene verkauft werden dürfen. Und klar ist auch, dass die E-Zigarette längst in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen ist.

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Foto: Michael Hochgemuth Sven Grunwald verkauft E Zigaretten samt Zubehör in Augsburg. Auch er spürt, dass immer mehr Menschen zum Verdampfer greifen.
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