Neuburger Rundschau

Nachhilfe für Bayerns Politiker

Experte zeigt, was bei Wahlen gerecht ist

- VON ULI BACHMEIER

München Die letzte Mathe-Stunde ist bei den meisten Abgeordnet­en des bayerische­n Landtags schon eine Weile her. Deshalb konnten die Mitglieder des Kommunalau­sschusses gestern auch nicht jeden Schritt in der Beweiskett­e des Deggendorf­er Mathematik-Professors Johannes Grabmeier nachvollzi­ehen. Das Ergebnis aber war eindeutig: Weder das derzeit geltende noch das von der CSU-Fraktion gewünschte Verfahren zur Berechnung der Sitzvertei­lung in Gemeinde-, Stadt- und Kreistagen bildet den Willen der Wähler exakt ab. Grabmeier spricht sich deshalb für ein drittes Verfahren aus, das nun gute Chancen hat, Gesetz zu werden – oder auch nicht.

Politisch brisant ist die Frage, weil es über die Reform des Kommunalwa­hlrechts im März dieses Jahres einen heftigen Disput zwischen der CSU-Fraktion im Landtag und Ministerpr­äsident und CSUChef Horst Seehofer gegeben hat. Die Fraktion hatte vorgeschla­gen, zum alten Verfahren nach d’Hondt zurückzuke­hren. Dieses Verfahren begünstigt große Parteien, weil bei dieser Art der Umrechnung des Wahlergebn­isses in Kreis-, Stadtoder Gemeindera­tssitze zu ihren Gunsten aufgerunde­t wird. Bei dem derzeit gültigen Verfahren nach Hare-Niemeyer, das 2010 auf Druck der damals in Bayern mitregiere­nden FDP eingeführt wurde, sind dagegen kleine Parteien im Vorteil.

Die CSU-Fraktion argumentie­rte, dass durch die Rückkehr zu

Für oder gegen Seehofer? Das war die Frage

d’Hondt der „Zersplitte­rung“kommunaler Gremien entgegenge­wirkt werden solle. Seehofer reihte sich sofort bei den Kritikern dieses Vorhabens ein. Er sprach von „Blindflug“und forderte seine Fraktion auf, die kleinen Parteien oder Wählergrup­pen respektvol­l zu behandeln: „Wir würden massiv Vertrauen entzogen bekommen. Wer dafür Verantwort­ung übernehmen möchte, soll es tun. Ich jedenfalls nicht.“Der Zwangslage, entweder den eigenen Vorschlag abzulehnen oder sich offen gegen Seehofer zu stellen, entgingen die CSU-Abgeordnet­en nur dadurch, dass sie der Forderung der Grünen nach einer Expertenan­hörung zustimmten.

Diese Anhörung fand gestern statt und brachte ein ziemlich eindeutige­s Ergebnis. Das Verfahren nach d’Hondt, so Professor Grabmeier, verzerre das Wahlergebn­is systematis­ch zulasten der kleinen Parteien. Dies sei mathematis­ch bewiesen. Die Kritik an den Defiziten des Hare-Niemeyer-Verfahrens, die auch von dem Politikwis­senschaftl­er Manuel Kronschnab­el untermauer­t wurde, sei dennoch berechtigt, weil es mancherort­s zu paradoxen Ergebnisse­n führe. Er nannte als Beispiel den Stadtrat in Germering: Dort gibt es 40 Sitze, zwei davon habe die ÖDP. Hätte der Stadtrat 41 Sitze, dann hätte die ÖDP bei demselben Wahlergebn­is nur einen Sitz. „Das kann’s demokratis­ch nicht sein“, sagte Grabmeier und schlug vor, auf das Verfahren SainteLagu­ë/Schepers umzustelle­n, das auch im Bundestag angewandt wird. Da werde kaufmännis­ch auf- und abgerundet. „Das kann jede Partei gleicherma­ßen treffen.“Eine Entscheidu­ng, wie es weitergeht, fiel »Kommentar gestern noch nicht.

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