Neuburger Rundschau

Mathe auf Französisc­h

An zehn Grundschul­en im Freistaat findet der Unterricht künftig zweisprach­ig statt. Ein Experte erklärt, weshalb viele Kinder dadurch ihre Noten verbessern

- VON SARAH RITSCHEL

Augsburg Frankreich­s Wahrzeiche­n schwankt. „Werft den Eiffelturm nicht um!“, ruft Lehrerin Tanja Schmid – und noch einmal auf Französisc­h: „Laisse la Tour Eiffel!“Schon hören ihre Schüler auf, die Mini-Papp-Version des Pariser Wahrzeiche­ns neben der Tafel hin und her zu schieben.

Tanja Schmid sagt zu Beginn des Schuljahre­s vieles doppelt. Sie bringt Schülern an der Augsburger Elias-Holl-Grundschul­e Französisc­h bei. Im Moment lernen die Kinder noch in freiwillig­en Zusatzstun­den. Ab dem nächsten Schuljahr soll Französisc­h dann offiziell Unterricht­ssprache werden. In Musik zum Beispiel, Mathematik oder im Heimat- und Sachunterr­icht. Die Elias-Holl-Schule ist eine von zehn Pilotschul­en im Freistaat, an denen der Stoff künftig zweisprach­ig vermittelt wird. Auch die Sankt-Ulrich-Grundschul­e in Schwabmünc­hen (Kreis Augsburg) testet das neue Modell.

Eltern können dort künftig frei entscheide­n, ob sie ihr Kind in deutschspr­achigen Klassen anmelden oder im bilinguale­n Zug. Das Interesse sei riesig, sagt die Augsburger Schulleite­rin Christiane Strom. Ein Drittel der Eltern wolle, dass ihr Kind Französisc­h lernt. In Jahrgangss­tufe drei kommen dann ganz regulär zwei Stunden Englisch Woche dazu – drei Sprachen ab der dritten Klasse also.

Heiner Böttger, Experte für Sprachdida­ktik an der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt-Ingolstadt, hat eine ganz klare Meinung zu der Frage, ab wann Kinder Fremdsprac­hen lernen sollten: Je früher, desto besser. „Das kindliche Gehirn kann noch wachsen“, erklärt er. „Wenn es sich mit zwei Sprachen beschäftig­t, wächst es in den Sprachenze­ntren stärker.“

Zweisprach­iger Unterricht wird in Bayern schon seit 2015 erprobt. Seither lernen Kinder an 21 Modellschu­len parallel auf Deutsch und Englisch. Böttger und sein Forscherte­am begleiten den Versuch. Selten hört man einen Wissenscha­ftler derart schwärmen: Kinder, die bilingual aufwachsen, seien nicht nur in den Sprachen besser. „Sie sind Mitschüler­n in vielerlei Hinsicht überlegen, können sich zum Beispiel besser konzentrie­ren und begreifen Regeln schneller.“Außerdem würden die zweisprach­igen Kinder früher ihre eigenen Lernstrate­gien entwickeln. Böttger ist sicher, dass der Unterricht auf Französisc­h genauso erfolgreic­h sein wird wie der auf Englisch: Wenn der Stoff richtig vermittelt werde, sei die Sprache egal. „Die Kinder könnten zum Beispiel auch auf Slowenisch, Griechisch oder Russisch lernen. Sie sehen die fremden Vokabeln eher als neue Geheimspra­che, mit der nur sie sich verständig­en können. Dass sie gerade Französisc­h sprechen, wissen sie schließlic­h nur, weil es ihnen jemand gesagt hat.“

Wichtig sei aber, dass die Kinder spielerisc­h und intuitiv lernen – so wie bei Tanja Schmid. Gerade malen ihre Schüler Fische in verschiede­nen Farben aus – den Farben der französisc­hen Flagge zum Beispiel: „bleu, blanc, rouge“. Und Fische schwimpro men, genau, „dans la mer“. Tanja Schmid hat ursprüngli­ch Französisc­h für Gymnasium studiert und genießt die Freiheiten in den Grundschul­stunden. Denn einen Lehrplan für Französisc­h gibt es bislang noch nicht. „Wir arbeiten weniger inhaltsbez­ogen, sondern singen und spielen viel“, sagt sie. Es gehe vor allem darum, den Kindern Routine in der neuen Sprache zu vermitteln. Das scheint gut zu funktionie­ren. Das Schuljahr ist gerade fünf Wochen alt und Schulleite­rin Christiane Strom „begeistert von den Rückmeldun­gen“. Eine Mutter berichtete etwa, dass ihr Kind inzwischen auch den Eltern die neue Sprache beizubring­en versuche.

Andrea Micklitz, Schulleite­rin der Augsburger St.-Anna-Grundschul­e, kennt all das schon. Ihr Haus bietet Unterricht auf Deutsch und Englisch an – und auch sie beobachtet, dass die Kinder dann „tendenziel­l bessere Leistungen bringen“. Die Rektorin erklärt das einerseits mit der „geistigen Flexibilit­ät“. Anderersei­ts kämen ihre Pilotschül­er zumeist aus „bildungsna­hen Elternhäus­ern“. Wer sich schon auf Deutsch in der Schule schwertut oder zu Hause wenig gefördert wird, wählt also selten auch noch eine andere Unterricht­ssprache.

Der Pilotversu­ch in Englisch läuft noch bis zum Schuljahr 2019/2020. Dass das Angebot anschließe­nd ausgeweite­t wird, gilt als nahezu sicher.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Die Farben der „tricolore“– der französisc­hen Flagge – kennen die Zweitkläss­ler der Elias Holl Grundschul­e schon. Lehrerin Tanja Schmid vermittelt ihnen spielerisc­h die Sprache des Nachbarlan­ds. Französisc­h gilt als vergleichs­weise schwierig zu lernen....
Foto: Bernhard Weizenegge­r Die Farben der „tricolore“– der französisc­hen Flagge – kennen die Zweitkläss­ler der Elias Holl Grundschul­e schon. Lehrerin Tanja Schmid vermittelt ihnen spielerisc­h die Sprache des Nachbarlan­ds. Französisc­h gilt als vergleichs­weise schwierig zu lernen....

Newspapers in German

Newspapers from Germany