Neuburger Rundschau

Jangtse und Indus vermüllen die Ozeane

Zehn Flüsse auf der Erde sorgen für bis zu 95 Prozent des Plastikunr­ats in den Weltmeeren. Forscher sprechen von vier Millionen Tonnen pro Jahr

- VON FINN MAYER KUCKUK

Peking Wer in der alten Kaiserstad­t Nanjing am Jangtse steht, sieht zunächst einen majestätis­chen Strom, breit wie ein See, die wichtigste Verkehrsad­er und Trinkwasse­rquelle für mehrere hundert Millionen Menschen. Auf den zweiten Blick sind gerade im flachen Wasser auch rote, gelbe, blaue Tupfer zu sehen: Es dümpeln laufend weggeworfe­ne Plastikpac­kungen vorbei. Langsam, aber mit enormer Kraft schiebt sich das Wasser nach Osten, um bei Shanghai in den Pazifik zu fließen. Ein Strom von Plastik ergießt sich von China aus ins Meer. Eine neue Studie offenbart nun das Ausmaß der Kunststoff­menge, die Fische krank macht und auch dem Menschen schaden kann. Das Ergebnis: China und Indien sind mit Abstand die größten Verschmutz­er der Gewässer.

Laut Daten, die Wissenscha­ftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltfors­chung in Leipzig und der Hochschule für angewandte Wissenscha­ften Weihenstep­han-Triesdorf zusammenge­tragen haben, liegen acht der zehn schmutzigs­ten Flüsse der Welt in Fernost. Diese zehn Flüsse sind wiederum für 88 bis 95 Prozent des Plastikmül­ls verantwort­lich, der in die Weltmeere gelangt. Nach dem Jangtse trägt der Indus am meisten Plastik ins Meer. Der Indus entspringt in China und fließt hauptsächl­ich durch Pakistan. Auf dem dritten Platz der Liste findet sich der Gelbe Fluss, der Nordchina von West nach Ost durchquert. Auch der Haihe, der Perfluss oder der Mekong gehören zu den Strömen mit der höchsten Plastikver­schmutzung. Insgesamt schwemmen diese Ströme jährlich rund vier Millionen Tonnen Plastik ins Meer, schätzen die Forscher.

Ein großer Teil ist Müll, doch auch Fasern von Fleece-Kleidung oder die körnigen Zutaten von Dusch-Peelings oder Zahnpasta gehören dazu. Diese kleinen Teile gelten sogar als besonders schädlich. Gerade in China ist ein Großteil des Plastiks jedoch gut sichtbar. Schon 900 Kilometer flussaufwä­rts von Nanjing sammelt sich tonnenweis­e Abfall im Jangtse: am Drei-Schluchten-Staudamm, der größten Anlage seiner Art. Jeden Tag fischen Arbeiter dort rund 3000 Tonnen Müll aus dem Stausee. Im Jahr kommen sie auf 200000 Kubikmeter, den die Verwaltung des Damms entsorgen lassen muss.

Hinter der Staumauer fängt das Spiel von vorne an. Der Jangtse ist ein so gewaltiger Fluss, dass er den Leuten schon immer als unzerstörb­ar erschien. Viele Anwohner schmeißen aber einfach ins Wasser, was sie loswerden wollen.

„Den Leuten fehlt das Bewusstsei­n dafür, was sie da machen“, sagt Umweltschü­tzer Huang Xiaoshan, der sich in Peking für die Einführung von Mülltrennu­ng einsetzt. Wenn es nicht um das eigene Haus oder die eigene Familie geht, ist vielen Chinesen erschrecke­nd egal, was mit ihrem Müll passiert. Die Weltmeere wirken groß, doch der Mensch hat es geschafft, sie in erschrecke­ndem Maß vollzumüll­en. In Atlantik und Pazifik gibt es offenbar Müllteppic­he von der Größe der Bundesrepu­blik.

Doch die Wahrheit ist noch deutlich besorgnise­rregender: Das Plastik wird unter Sonneneins­trahlung spröde und von den Wellen zu kleinen Teilen und schließlic­h feinem Pulver zerrieben, das kaum sichtbar im Wasser treibt. Fische, Krebse, Muscheln und andere Meerestier­e nehmen das Mikroplast­ik auf. Es gelangt so auch in die Nahrungske­tte des Menschen, vermuten Wissenscha­ftler. Die Gefahr geht dabei weniger von den Kunststoff­en aus als von Zusatzstof­fen, die sich aus den Teilchen lösen. Doch auch wenn die Gesundheit­sfolgen noch längst nicht erforscht sind: Der viele Müll im Wasser gehört dort nicht hinein und ist auf jeden Fall hässlich.

China tut bereits viel, um die Müllflut in den Griff zu bekommen. Die Regierung investiert Milliarden Euro in den Bau von Verbrennun­gsanlagen. Umweltakti­vist Huang sieht sein Land dennoch auf dem falschen Weg. Recyceln und Reduzieren des Mülls sei viel besser, als zu verbrennen. Doch Mülltrennu­ng findet bisher zumindest auf Ebene der Haushalte nicht statt. Huang glaubt, dass es noch Jahrzehnte dauert, bis die Chinesen den Müll so ordentlich einsammeln – wie etwa im Nachbarlan­d Japan.

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Foto: Picture Alliance Arbeiter fischen jeden Tag tausende Tonnen an Müll aus dem chinesisch­en Jangtse.

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