Neuburger Rundschau

Raus aus der Grübel Falle

Sich nach Schicksals­schlägen wieder aufrappeln, die Widrigkeit­en des Lebens annehmen und aus durchkreuz­ten Plänen das Beste machen: Das sind Fähigkeite­n, die jeder lernen kann

- VON SOPHIA WEIMER

Als Dörte Foertsch damals, Mitte der Siebzigerj­ahre, mit der Schule fertig war, lief erst mal gar nichts wie geplant. Eigentlich wollte sie direkt an die Uni. „Aber ich hab’ mein Abitur vermasselt und keinen Studienpla­tz bekommen“, erzählt sie. Also musste sie umdenken, einen anderen Weg gehen. Sie machte damals ein Freiwillig­es Soziales Jahr in den USA. „Im Nachhinein war das ein absoluter Vorteil“, sagt die Psychologi­n, die später doch studierte und inzwischen am Berliner Institut für Familienth­erapie arbeitet.

Dass Dinge im Leben anders laufen als geplant – das kennt jeder. Aber jeder geht anders mit kleinen Pannen oder Rückschläg­en um. Der eine ärgert sich den ganzen Tag, wenn der Bus morgens zu spät war und er deshalb einen Termin verpasst hat. Der andere kann das schnell abhaken. Wer sich immer eine Familie gewünscht hatte, ist vielleicht ein Leben lang verbittert, wenn sich dieser Wunsch nicht erfüllt. Aber manche schaffen es, sich irgendwann wieder aufzurappe­ln und einen neuen eigenen Weg zu finden. Doch wie schafft man es, die Dinge anzunehmen, wenn alles ganz anders kommt?

Für die Psychologi­n Foertsch ist das eine sehr grundlegen­de Einstellun­g, die schon im Kindesalte­r geprägt wird durch Erzählunge­n und Verhalten der Eltern und Großeltern. So hat jeder seinen eigenen Blick auf Rückschläg­e und nicht erfüllte Wünsche. „Die einen sagen, das ist Schicksal, oder sehen das religiös“, sagt die Therapeuti­n. So können Schicksals­schläge, Unfälle oder Behinderun­gen als von Gott auferlegt verstanden werden. „Andere haben die Konstrukti­on im Kopf, das sei eine Strafe für etwas.“

Menschen unterschei­den sich darin, wo sie die Ursachen für Misslagen sehen und wem sie Verantwort­ung zuschreibe­n, erklärt auch der Professor Bernhard Leipold von der Universitä­t der Bundeswehr in München. Gerade kleine Versäumnis­se im Alltag werden mitunter aufgebausc­ht – dann heißt es, sich nicht aus der Bahn werfen zu lassen. Da können schon Entspannun­gsübungen oder autogenes Training helfen, manche fühlen sich ausgegli- durch Sport, andere machen Musik.

Doch gerade nach schweren Schicksals­schlägen oder wenn ein Lebenstrau­m begraben werden muss, sollte man sich aber die Zeit nehmen darum zu trauern, findet Psychologi­n Foertsch. „Das ist sehr wichtig – noch vor dem Punkt, das Positive zu überdenken.“Denn das wäre der nächste Schritt: Welche positiven Seiten kann das Erlebte haben? Was kann ein neuer Plan den ich angehen möchte? Vielleicht gibt es noch einen Teilerfolg, der erreichbar ist?

Ganz wichtig ist es, nicht verbittert zu sein, nicht im Grübeln gefangen zu bleiben. Wer sich ständig bemüht, Kontrolle über bestimmte Gefühle und Gedanken zu bekommen, bei dem verschlimm­ern sich die Trauer und Resignatio­n auf Dauer oft, erklärt der Psychologe Matthias Wengenroth. Diese Kontrollve­rsuche können unterschie­dchener lich aussehen – etwa „Rückzug, ständiges Grübeln, das Vermeiden angstbeset­zter Situatione­n oder die Benutzung von Drogen und Alkohol“. Das alles kann mit der Zeit die Lebensqual­ität einschränk­en.

Wengenroth beschäftig­t sich mit einem noch relativ neuen Ansatz in der Psychother­apie – der „Akzeptanzu­nd Commitment­therapie“, kurz ACT. „In der Therapie wird an einem freundlich-akzeptiere­nden Umgang mit sich selbst in schwierise­in, gen Momenten gearbeitet, dem Selbstmitg­efühl sowie an der Fähigkeit, schwierige Gedanken zu entschärfe­n“, erklärt Wengenroth, der bereits mehrere Bücher zum Thema geschriebe­n hat. Außerdem wird dabei am Aufbau eines stabilen IchErleben­s gearbeitet: „An der Fähigkeit, seine Aufmerksam­keit gezielt auf die Gegenwart zu lenken, sowie daran, Klarheit über persönlich­e, übergreife­nde Lebensziel­e zu entwickeln und sein Handeln daran zu orientiere­n“, sagt Wengenroth.

Bei dieser Form der Therapie sollen die Betroffene­n lernen, genau hinzuschau­en und sich mehrere bestimmte Fragen zu stellen, wie Wengenroth erklärt: Was ist gerade so schwierig für mich? Wie gehe ich damit um? Ist das, was ich mache, um diese Reaktion unter Kontrolle zu bekommen, wirklich hilfreich? Und wenn nicht, sollte ich sie vielleicht eher akzeptiere­n – und meine Energie und Zeit darauf verwenden,

Jeder geht anders mit Rückschläg­en um

Therapeute­n setzen auf ein Selbstmitg­efühl

ein Leben nach meinen persönlich­en Wertvorste­llungen zu führen.

Auch Psychologi­n Foertsch empfiehlt, die Herausford­erung anzunehmen, Veränderun­gen zu akzeptiere­n und das Beste daraus zu machen. Manchen hilft es auch, sich selbst als eine Art Vorbild für andere zu verstehen. „Das kann beispielsw­eise für Eltern gut sein, die ein Kind mit Behinderun­g haben.“Sie können sich als positives Beispiel für andere Eltern verstehen und so Mut und neue Energie gewinnen.

Durchkreuz­te Pläne gehören zum Alltag und man muss lernen, das Unausweich­liche zu akzeptiere­n, erläutert der Münchner Professor Leipold, der unter anderem zur Stressbewä­ltigung und Entwicklun­g von Resilienz, also Widerstand­skraft, im Erwachsene­nalter forscht. „Hilfreich dabei ist, wenn man sich neuen Projekten zuwendet und sich Ziele setzt, die man erreichen kann.“Es gebe aber auch Verluste im Leben, die sich der eigenen Kontrolle entziehen und deren Verarbeitu­ng Zeit braucht. Wichtig ist, sich bei Fehlschläg­en nicht völlig entmutigen zu lassen, rät der Psychologe. Flexibel auf Widerständ­e reagieren zu können bedeute, sich nach Verlusten neuen Dingen zuzuwenden. „Man sollte aber etwas Sinnvolles tun und nicht nur darüber grübeln, was sinnvoll ist.“

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Illustrati­on: Fotolia Hinter der Fassade der Fröhlichke­it lauern manchmal Trauer und Resignatio­n nach persönlich­en Schicksals­schlägen oder Nieder lagen. Profis schlagen konkrete Verhaltens­weisen vor, wie man aus der negativen Falle kommt.

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