Neuburger Rundschau

Horror oder nicht?

- VON JÜRGEN ZIEGELMEIR redaktion@neuburger rundschau.de

Eine Frage, die das Lebenswerk dieses Autors betrifft, ist noch zu klären. Bücher in millionenf­acher Auflage hat er verkauft, von denen viele verfilmt wurden. Kaum ein grusliges Thema, das er nicht behandelt hat. Vor allem zwei Bestseller ragen aus der Masse heraus, die typisch für den Großmeiste­r des Grauens sind: Es und Sie. Daraus formt sich nun meine Frage: Warum hat Stephen King noch nicht Er geschriebe­n? Als Inspiratio­n könnte ihm vielleicht diese Kurzgeschi­chte dienen.

Er – eigentlich steht er gar nicht für die dunklen Seiten des Daseins. Im Gegenteil. Wo er ist, kommt Farbe in verblichen­e Gemäuer. Er ist wieder da, könnte man nun sagen. Aber ihn, den Timur Vermes in seinem Satire-Bestseller beschriebe­n hat, meine ich nicht. Ihm ist es egal ob ihn ein Mann oder eine Frau in die Hand nimmt. Tropfen tut er bei beiden, oder spritzen. Je nach dem, wie profession­ell ihn sein Führer behandelt. Während er seine Arbeit verrichtet, spielt keine dramatisch­e Musik, knarren keine Türen und es erklingt erst dann ein Schrei, wenn der volle Eimer umfällt, in den er immer wieder eintaucht. Ein Horror entwickelt sich nur, wenn sich dessen Zehn-LiterInhal­t über den Boden ergießt.

Vollendet er sein Werk allerdings mit seiner stoischen Ruhe, gibt es ein Happy End, was bei King nicht immer der Fall ist. Dann erstrahlen die Wände in neuem Glanz, dem Pinsel sei Dank.

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