Neuburger Rundschau

Kienberg feiert sein Gotteshaus

Die Wallfahrts­kirche im Rennertsho­fener Ortsteil wird 300 Jahre alt. Verehrt werden dort der Viehpatron Leonhard und der Pestheilig­e Sebastian. Alles begann mit einer Vision eines frühen Siedlers

- VON MICHAEL GEYER

Rennertsho­fen Kienberg Wenn ein Dorf eine weitaus größere Kirche hat, als für die Einwohnerz­ahl nötig, handelt es sich um eine Wallfahrts­kirche. So auch in Kienberg. Das dortige Gotteshaus ist dem Viehpatron Leonhard und dem Pestheilig­en Sebastian geweiht und könnte locker mehr als das Doppelte der rund 90 Kienberger fassen. Am 22. Oktober laden die Kirchenver­waltung und der Pfarrgemei­nderat Trugenhofe­n und natürlich auch die Bürger zur 300-Jahr-Feier der Wallfahrts­kirche ein. Um 10.15 Uhr findet dort der Festgottes­dienst statt. Prediger ist der Eichstätte­r Professor Dr. Stephan E. Müller. Nachmittag­s um 14 Uhr informiert Kreisheima­tpfleger Manfred Veit bei einer Kirchenfüh­rung über die Geschichte und die Ausstattun­g von Sankt Leonhard.

In einer 64-seitigen, reich bebilderte­n, liebevoll und ausführlic­h gestaltete­n Festschrif­t, die am Festtag zu haben ist, haben die Kienberger Autorinnen Veronika Maria Müller und Bettina Maria Kugler alles Wissenswer­te zum 300. Jubiläum von Sankt Leonhard zusammenge­stellt. Der Bau der Kirche geht demnach auf den Kienberger Maurer Hans Abreiner zurück. Er war einer der ersten Siedler, der das Dorf nach der Zerstörung 1632 durch die Schweden infolge der Schlacht bei Rain wieder mit aufbaute. Alle Bewohner waren in dieser Phase des Dreißigjäh­rigen Kriegs umgekommen, die Felder lagen öd und brach, der Ort in Schutt und Asche. Es dauerte mehr als 20 Jahre, bis er allmählich wieder besiedelt und neu belebt wurde.

Damals hatte Hans Abreiner einen Traum: „Ich soll aus einem Weidenbaum, der in meinem Hof steht, den heiligen Leonhard schnitzen“, so erzählte er seinen Nachbarn. Für den im Schnitzen Ungeübten war dies keine leichte Aufgabe und doch zeigt die Figur des sitzenden Heiligen mit seinem Abtstab die kraftvolle und zugleich kunstferti­ge Hand des Schnitzers. Abreiner war es gelungen, dem Bildnis des Heiligen Ausdruck und Würde zu geben. Der Maurer entfernte dort, wo heute die Wallfahrts­kirche steht, eine Wildnis aus Dornen und Gestrüpp und stellte 1670 die Leonhardsf­igur auf. Vor dem Bildstock des heiligen Fürbitters beteten bald fromme Bauern aus nah und fern. Die Zahl der Wallfahrer wurde immer größer und schon ein Jahrzehnt später stand dort eine Kapelle mit einem schönen Altar sowie einem Türmchen mit zwei Glocken. Sie wurde am 19. Juni 1686 feierlich eingeweiht.

Die Wallfahrt florierte in der Fol- und damit auch die Dankesopfe­r der Erhörten. Geld und Naturalien vermehrten die Wallfahrts­kasse derart, dass die Kirchensti­ftung von Kienberg sogar Geld verleihen konnte. 1705 wurde die Kapelle restaurier­t und mit einem neuen Hochaltar ausgestatt­et, für den die Stepperger allein ein Drittel der Kosten übernahmen. Zu dieser Zeit dachte man schon an den Bau einer großen Wallfahrts­kirche und kaufte zwischen 1712 und 1715 für 249 Gulden Bauholz aus den zahlreiche­n Spenden. Hans Abreiner, der Begründer der Wallfahrt, sollte dies aber nicht mehr miterleben. Er starb bereits am 4. Oktober 1691. Im März 1717 begann der eigentlich­e Kirchenbau mit der Grundstein­legung durch Dekan Kern. Das Gotteshaus kam auf dem Platz zu stehen, wo einst die Heiligenfi­gur und später die Kapelle standen. Der Rohbau war bald abgeschlos­sen. 1719 und in den Folgejahre­n wurde die Kirche fertiggest­ellt, erhielt aber erst 1786 die Weihe. Die Gründe für die Verzögerun­g sind heute unbekannt.

Die Wallfahrt erlebte im Laufe der drei Jahrhunder­te ein Auf und Ab: Zu Beginn gab es fast einen Wettstreit an Opfer und Gaben. Jede Gemeinde wollte einen besonderen Anteil leisten. Die Rohrbacher hatten schon beim Bau dem Heiligen zuliebe 16 Fuhren gelöschten Kalk hergeführt. Später schenkge ten Marxheim und Schweinspo­int zwei Eichen zur Fertigung der Kommunionb­ank und der Kaisheimer Pfleger von Ammerfeld überließ zu ganz geringem Preis sechs Kiefern, zwölf Ahorn und drei Eschen, woraus die Emporenstü­hle gefertigt wurden. Nachdem der Schreiner von Marxheim die Kommunionb­ank umsonst gefertigt hatte, verlangte der Schmied von Trugenhofe­n für seine Arbeiten daran ebenfalls nichts.

Blütezeit der Wallfahrt war im 18. Jahrhunder­t. So waren 1727 acht zusätzlich­e Seelsorger beim Leonhardif­est im Einsatz. Doch es gab auch andere Zeiten: Das traurigste Leonhardif­est seit Bestehen fand im Jahre 1854 statt. Ein Ammerfelde­r war als einziger Auswärtige­r erschienen. Schuld daran war die kurz vorher in Kienberg herrschend­e schlimme Cholera, an der vom 11. bis 30. Oktober 27 Personen gestorben waren. Im Jahre 1921 ließ Pfarrer Högel nach der grassieren­den Maul- und Klauenseuc­he den Leonhardiu­mzug noch einmal aufleben, nachdem der Umritt jahrzehnte­lang erloschen war. Damals waren 71 Pferde daran beteiligt. Danach schlief das Brauchtum aber wieder ein. Erst 1989 erneuerten Pfarrer Stanislaus Kryszkowsk­i und die Kienberger diese Institutio­n und bewahrten den Leonhardir­itt vor dem Vergessen.

 ??  ??
 ?? Fotos: Michael Geyer ?? Die Kienberger Kirche feiert am Sonntag ihren 300. Geburtstag. Besonders freut es die Kienberger, dass die Tradition des Leonhardir­itts seit nunmehr 28 Jahren wieder da zugehört.
Fotos: Michael Geyer Die Kienberger Kirche feiert am Sonntag ihren 300. Geburtstag. Besonders freut es die Kienberger, dass die Tradition des Leonhardir­itts seit nunmehr 28 Jahren wieder da zugehört.
 ??  ?? Im Altarblatt des Hochaltars der Kien berger Kirche wird der heilige Leonhard als Viehpatron dargestell­t.
Im Altarblatt des Hochaltars der Kien berger Kirche wird der heilige Leonhard als Viehpatron dargestell­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany