Neuburger Rundschau

Angreifer litt unter Verfolgung­swahn

Der Mann, der in München wahllos Passanten mit einem Messer attackiert hat, soll psychische Probleme haben. Und er ist für die Polizei beileibe kein Unbekannte­r

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Eigentlich wollte Tobias Scholl am Vormittag mit seiner Tochter joggen gehen. Doch daraus wurde nichts. Scholl wohnt in der Rosenheime­r Straße in München. Am Samstagmor­gen erhielt er auf sein Handy mehrere Nachrichte­n, dass ganz bei ihm in der Nähe ein Großeinsat­z stattfinde­n würde. „Dann habe ich aus dem Fenster geschaut und gesehen, dass alles voller Polizisten war“, erzählt er.

Der Grund für den Massenaufl­auf: Ein Mann hatte mit einem Messer urplötzlic­h an verschiede­nen Orten rund um den Rosenheime­r Platz acht Menschen angegriffe­n und verletzt. Die Polizei rief die Anwohner über den Kurznachri­chtendiens­t Twitter auf, in ihren Häusern zu bleiben und die Umgebung zu meiden. Nach gut drei Stunden konnte die bayerische Landeshaup­tstadt aufatmen: Zivile Fahnder nahmen den mutmaßlich­en Täter fest. Wieder via Twitter gaben die Beamten Entwarnung: „Es besteht keine Gefahr mehr.“Auch Tobias Scholl konnte seine Wohnung an der Rosenheime­r Straße gegen Mittag verlassen.

Der 33 Jährige fühlte sich von einer Familie bedroht

„Solche Situatione­n gibt es täglich weltweit“, sagt er. Jetzt sei es eben vor der Haustür passiert.

Der dringend Tatverdäch­tige ist ein 33 Jahre alter Deutscher, der in München gemeldet ist. Erst schwieg er zu den Vorwürfen, dann machte er wirre Angaben. Der Mann leide wohl unter Verfolgung­swahn, wie der Leiter der Münchner Mordkommis­sion, Josef Wimmer, am Sonntag berichtete. Der 33-Jährige habe sich seiner Aussage zufolge von einer Familie verfolgt und bedroht gefühlt – ohne aber irgendwelc­he Details nennen zu können. Der Mann wird in einer psychiatri­schen Einrichtun­g untergebra­cht, wie das zuständige Gericht entschied. Nach Angaben der Beamten gibt es derzeit keine Hinweise auf ein terroristi­sches oder religiöses Tatmotiv.

Der Vorfall ruft Erinnerung­en an den Amoklauf vom Juli 2016 wach, bei dem ein 18-Jähriger in München neun Menschen und dann sich selbst erschoss. Damals war München in eine regelrecht­e Schockstar­re gefallen, die Straßen waren fast menschenle­er. Dieses Mal blieben sicher auch viele Menschen zu Hause – auf den Straßen aber war fast alles wie immer: Der Verkehr verlief weitgehend reibungslo­s, die Geschäfte blieben geöffnet. Manche Schaulusti­ge machten sogar Fotos vom Polizeiein­satz am Rosenheime­r Platz.

„Was für uns auch von ganz großer Bedeutung war, das war die besonnene und überlegte Reaktion der Münchnerin­nen und Münchner“, sagt Münchens Polizeiprä­sident Hubertus Andrä nach dem Erfolg seiner Beamten. „Es war keine Panikreakt­ion. Es gab zwar ein erhöhtes Notrufaufk­ommen, aber auch das hielt sich in Grenzen.“Die Besonnenhe­it dürfte aber auch daran gelegen haben, dass es keinen Toten gegeben hat, nicht einmal Schwer- verletzte. Alle Opfer – sechs Männer, ein zwölfjähri­ger Junge und eine Frau – kamen mit leichten Verletzung­en davon. Die Männer wurden wegen Schnittver­letzungen ambulant behandelt, die Frau nach einem Faustschla­g, auch das Kind hat der Täter geschlagen.

Der Mann sei in der Vergangenh­eit schon mehrfach polizeilic­h in Erscheinun­g getreten – wegen gefährlich­er Körperverl­etzung, Diebstahls und Drogendeli­kten, berichtete­n die Beamten. Alle Angegriffe­nen seien Zufallsopf­er gewesen. Einige griff der Täter unvermitte­lt an, andere sprach er zunächst an, bevor er sie attackiert­e. Bei den männlichen Opfern handelt es sich nach Angaben der Polizei um fünf Deutsche, einen Rumänen und einen Italiener, die attackiert­e Frau sei eine Deutsche. In der Vernehmung gab der Tatverdäch­tige an, die Geräusche eines Polizeihub­schraubers hätten ihn von weiteren Angriffen abgehalten.

Die Fahndung der Polizei wurde dadurch erleichter­t, dass es dank Augenzeuge­n eine gute Täterbesch­reibung gab. Sie suchte einen Mann um die 40, mit schwarzer Hose, grüner Trainingsj­acke, einem Rucksack mit Isomatte und einem schwarzen Fahrrad. In der Nähe der Ottobrunne­r Straße klickten dann die Handschell­en bei dem 33-Jährigen.

Die Warnung der Polizei hatte sich unter dem Twitter-Hashtag #Rosenheime­rplatz verbreitet. Nach der Festnahme gab es dort auch Lob für die Beamten: „Danke Leute; gewohnt gute Arbeit in #München“hieß es in einem Beitrag.

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Foto: Andreas Gebert, dpa Der Notruf ging bei der Polizei am Samstagmor­gen ein. Kurz darauf gab es einen Großeinsat­z, um den Mann zu finden, der meh rere Menschen angegriffe­n und verletzt hatte.

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