Neuburger Rundschau

„Jeder Blitz ist komplett anders“

35000 Grad heiß und eine Stromstärk­e von bis zu 400000 Ampere: Blitze haben es in sich. Wie bayerische Forscher ihre Entstehung untersuche­n und wen das schützen kann

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Hohenpeiße­nberg Christian Paul lässt es krachen. Wenn ein Gewitter aufzieht, geht es bei ihm nicht darum, Schutz zu suchen. Paul hofft, dass der Blitz einschlägt. Dafür wurde eine Fanganlage am 150 Meter hohen Fernsehtur­m auf dem Hohenpeiße­nberg rund 60 Kilometer südwestlic­h von München installier­t. Kleine Fangspitze­n sollen einen Blitzeinsc­hlag in den Fernmeldet­urm provoziere­n.

Was das soll? Paul arbeitet am Lehrstuhl für Hochspannu­ngstechnik und Blitzforsc­hung der Universitä­t der Bundeswehr München. Die Forscher entwickeln Schutzkonz­epte für Schiffe, Flugzeuge, Windräder – aber auch Haushaltse­lektronik. „Dafür müssen wir wissen, wodurch sich ein Blitz auszeichne­t“, erklärt Ingenieur Paul. Das geht natürlich auch im Hochstroml­abor auf dem Campus, wo die Wissenscha­ftler Blitzkanäl­e mit einer Stromstärk­e von bis zu 400 000 Ampere simulieren. Zum Vergleich: Eine Steckdose liefert maximal 16 Ampere. Der Vorteil auf dem Hohenpeiße­nberg: „Sie bekommen Strom so, wie er wirklich ist“, sagt Paul. Der Versuchsau­fbau sei so komplex wie im Labor – nur in größerem Maßstab. Messgeräte an der Turmspitze sind mit einem Computer im Turmfuß verbunden. Zudem eine Hochgeschw­indigkeits­kamera 5000 Bilder pro Sekunde auf. So wollen die Forscher die einzelnen Entwicklun­gsstadien von Blitzen im Detail mitverfolg­en. Denn in der Regel blitzt es zwar von den Wolken aus zur Erde. „Ab einer Gebäudehöh­e von 100 Metern entwickeln sich Blitze aber bevorzugt von unten nach oben“, sagt Paul. Das sei beispielsw­eise für Windräder relevant. Zumal diese Blitze über lange Zeit fließen, nicht leuchten und so durch Blitz-Ortungssys- teme nicht erfasst werden. Die Messergebn­isse sind wichtig für viele internatio­nale und nationale Normen wie die Deutsche DIN-Normung. Mehrere hunderttau­send Euro sind in die Anlage auf dem Hohenpeiße­nberg geflossen.

Es ist den Angaben nach das einzige Projekt dieser Dimension in Deutschlan­d, wobei die Bundeswehr-Uni unter anderem mit Experten aus Österreich zusammenar­beitet. Wichtig war laut Paul ein Ort, in dem öfters Blitze einschlani­mmt gen. Und hier ist Bayern prädestini­ert: Wissenscha­ftler des Karlsruher Instituts für Technologi­e gaben vor kurzem anhand von Daten aus den Jahren 2001 bis 2014 bekannt, dass der Alpenrand und der Voralpenra­um mit bis zu 15 Gewitterta­gen im Jahr Hochburgen seien. Gebirge begünstige­n demzufolge Gewitter, weil sie die Luft zum Aufsteigen zwingen.

In Meeresnähe gebe es hingegen weniger Gewitter, weil das Wasser die unteren Luftschich­ten kühlt und damit stabilisie­rt. „Jeder Blitz ist komplett anders“, hat Ingenieur Paul schon festgesell­t. „Es gibt immer wieder Besonderhe­iten in einzelnen Komponente­n.“Entgegen dem Volksmund schlage etwa nicht jeder Blitz im höchsten Punkt ein. Auch steige der Stromfluss im Blitzkanal manchmal im Millionste­lBruchteil einer Sekunde von 0 auf 40000 Ampere – das führt zu Überspannu­ngen; den Forschern geht es daher auch um die Folgen im Umfeld des Einschlags­orts. „Bei anderen Anstiegsze­iten fällt der Strom viel länger ab.“Auf bis zu 35000 Grad kann sich ein Blitzkanal aufheizen – und es beginnt zu leuchten. „Dabei wird Luft so schnell wie bei einem Überschall­knall weggedrück­t“, sagt Paul. „Das ist dann der Donner.“

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Foto: Patrick Pleul, dpa Und auf einmal wird es selbst in der Nacht taghell: Blitze sind ein fantastisc­hes Naturschau­spiel. Wie sie genau entstehen, das wollen Forscher der Bundeswehr Universitä­t München herausfind­en.

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