„Ich bin nicht wehmütig“
Oliver Mommsen spielt seit 2001 den Bremer „Tatort“-Kommissar Nils Stedefreund. Gestern lief einer seiner letzten Fälle. Weshalb er geht und was als Nächstes kommt
Herr Mommsen, nach 16 Jahren in der Rolle des Tatort-Ermittlers Nils Stedefreund ist er Ihnen bestimmt ein bisschen ans Herz gewachsen, oder? Oliver Mommsen: Auf jeden Fall. Wir drehen gerade den vorletzten und den vorvorletzten Film – und da merke ich schon, dass ich nach so vielen Jahren weiß, wie er tickt. So lange eine Figur spielen zu dürfen, ist selten in meinem Beruf. Wir durften zusammen reifen.
Macht es Ihnen das eher leicht oder schwer, den Tatort zu verlassen? Ist der Druck jetzt raus?
Mommsen: Wir wollen immer den besten Tatort machen, den es gibt. Insofern ist der Druck nicht weg, aber es ist ein Abschiednehmen. Alles, was ich mit Stedefreund erlebe, erlebe ich jetzt zum letzten Mal. Aber ich bin nicht wehmütig, sondern das spornt mich an.
Es ist also eine Trennung in beiderseitigem Einvernehmen zwischen Ihnen und dem Sender?
Mommsen: Total! Die Entscheidung kam von Sabine Postel (Hauptkommissarin Inga Lürsen) und mir, da war der Sender natürlich erst mal so ein bisschen vor den Kopf gestoßen. An so etwas denkt man ja nicht nach einer langen Ehe, dass einer plötzlich sagt: „Ich geh’ dann mal.“Aber die anschließenden Gespräche waren ruhig und auf Augenhöhe.
So eine Rolle aufzugeben, das reißt doch sicher eine Lücke in die eigene Routine?
Mommsen: Ja, und deswegen höre ich auch auf.
Springen Sie gern ins kalte Wasser? Mommsen: Ich glaube, sobald man als Schauspieler das Gefühl hat, eine Sache völlig im Griff zu haben, ist das eigentlich ein Warnsignal. Wenn man genau weiß, wie etwas funktioniert, sollte man dringend entweder einen Lehrgang machen oder ein neues Abenteuer wagen. Viele Kollegen haben gesagt: „Bist du bescheuert? In unserer Situation so eine Konstante aufzugeben?“Das ist natürlich alles richtig, aber für mich sind Worte wie Sicherheit und Routine Alarmglocken.
Mommsen: Ich will Herausforderung und Abenteuer, und ja, ich will auch die Angst. Das ist natürlich auch eine Existenzangst – wir sind zu viert zu Hause, die Kinder sind in einem Alter, wo es um die Ausbildung geht, da geht es so richtig los mit dem Rechnen. Aber auf der anderen Seite ist meine Frau jetzt wieder zurück im Berufsleben. Wir haben ja den klassischen Fehler ge- macht, dass einer komplett aufhört zu arbeiten. Meine Frau hat sozusagen die Homebase geleitet, während ich mir meine Karriere aufgebaut habe.
Also gilt für Sie: Hauptsache keine Routine?
Mommsen: Ja. Wenn wir uns jetzt nicht bewegen, wann dann? Man soll ja gehen, wenn’s am schönsten ist. Und ehrlich: Wir haben beim Drehen gerade einen Riesenspaß! Allein das sagt doch schon etwas darüber aus, ob wir uns richtig entschieden haben.
Auf welche Art von Projekten hoffen Sie denn jetzt?
Mommsen: Es ist noch einiges zu rücken in meiner Karriere, ich bin da noch heißhungrig.
Und was für Rollen dürften es sein? Mommsen: Im Januar hat erst mal „Die Tanzstunde“Premiere – ein ganz tolles Stück, in dem ich einen Menschen mit Asperger-Syndrom spielen darf – ab 10. Januar in der Berliner Komödie am Kurfürstendamm. Danach würde ich gern mal die Seite wechseln und zum Beispiel eine Bank ausrauben. (lacht) Ich bin Schauspieler – ich will spielen.
Sie leben in Berlin, haben aber auch Verbindungen in den Süden Deutschlands: Sie waren auf dem Internat auf Schloss Salem am Bodensee. Wie lange denn?
Mommsen:
Jahre. Nicht sehr lange, zwei
Lange genug, um gute oder schlechte Erinnerungen mitzunehmen? Mommsen: An die Gegend habe ich nur gute Erinnerungen. Ich bin ja in Kehl aufgewachsen – als ich fünf war, sind wir dorthin gezogen. Mein Sohn hat vorletztes Jahr ein Praktikum im Europapark Rust gemacht, und irgendwann habe ich ihn besucht und dann sind wir auf alten Pfaden gewandert. Wir waren in Freiburg, ich selbst war auch in Kehl und Straßburg. Das war toll! Das ist meine Kindheit – direkt hinterm Haus fingen die Felder an, und dort hat man mich im Sommer immer auf dem Kirschbaum gefunden. Das war wirklich eine Kindheit, die sich Eltern für ihre Kinder wünschen.