Neuburger Rundschau

Eine brennende Angelegenh­eit

Eigentlich hätte es nicht besser laufen können beim Großreinem­achen auf der Brenne – Herbstsonn­e, tatkräftig­e Helfer, geballtes Fachwissen an den Donauauen. Doch unter dem Aufräumtru­pp geistert der Nationalpa­rk umher

- VON BASTIAN SÜNKEL

Neuburg Vielleicht ist der Nationalpa­rk eine ähnlich empfindlic­h Angelegenh­eit wie der Entwicklun­gsprozess des Kreuzenzia­n-Ameisenblä­ulings. Nach der dritten Häutung lässt sich der stark gefährdete Schmetterl­ing im Raupenstat­us vom Kreuzenzia­n zu Boden plumpsen. Wenn er Glück hat, nimmt ihn ein Trupp Knotenamei­sen mit in ihren Bau, weil er nach Ameisenlar­ven duftet. Sie füttern den Parasiten bis zu Verpuppung. Dann wird es spannend. Der Schmetterl­ing schlüpft und beginnt seinen Wettlauf ums Leben: hinaus aus dem Ameisennes­t und ab in die Freiheit.

Ralph Zange ist Diplom-Biologe bei der Naturschut­zwacht Bayern und Käferspezi­alist. Er steht auf der Fischerhol­zbrenne im Auwald, einen Steinwurf von der Donau entfernt. Um ihn herum schleppen und rechen Helfer Äste und Gestrüpp zusammen. Er erzählt die Geschichte der Finte des Bläulings, von den ausgeklüge­lten Mechanisme­n der Natur. Wohlwissen­d wenn nur ein Teil der Kette wegbricht – kein Kreuzenzia­n, keine Knotenamei­se, kein Kreuzenzia­n-Ameisenblä­uling – die Natur wieder einen kleinen Teil ihres Wunderwerk­s verliert. Doch auf der Brenne funktionie­rt es noch. Der Bläuling lebt wie eine ganze Reihe gefährdete­r Arten auf dem lichten Fleckchen Brenne – eine der Kiesaufspü­lungen der freilaufen­den Donau mit 200 Jahre alten Kiefern und seltenen Orchideen.

23 Helfer sind an diesem Tag zusammenge­kommen, um auch ihren Beitrag zum „Danube Parks Connected“-Projekt zu leisten, eine Reihe von Naturschut­zaktionen von der Mündung der Donau bis nach Neuburg. Die idyllische Brenne auf der früher das Herzogtum Bayern auf die Pfalz-Neuburg getroffen ist, heute der Landkreis NeuburgSch­robenhause­n auf die Stadt Ingolstadt, hatte eine Schlankhei­tskur dringend nötig, bestätigen die Experten wie der Geschäftsf­ührer des Auenzentru­ms Siegfried Geißler. Gestrüpp und Äste werden zu Grünschnit­t angehäuft. Die empfindlic­hen Orchideen brauchen Platz, wenn sie die nächsten Jahre überleben wollen, wird den Laien erklärt. Hier sei viel zu lange nichts passiert. Auch wenn die Donauauen in unbestimmt­er Zukunft zum Nationalpa­rk ernannt werden, würde die Fischerhol­zbrenne wie alle an- deren Kiesgründe zu den 25 Prozent Pflegezone zählen. Der Rest des Parks würde möglichst sich selbst überlassen werden. „Prozesssch­utz“nenne man das, sagt Auenexpert­e Geißler.

Würde, hätte, könnte. Der Nationalpa­rk ist, seit Ministerpr­äsident und Umweltmini­sterium die ersten Überlegung­en anstellten, ein Projekt im Konjunktiv. Und eines, das auch auf der Brenne die Geister spaltet. Siegfried Geißler will Greifbares aus München sehen: die Kar- te, auf der alle denkbaren Teile des Nationalpa­rks eingezeich­net sind, und ein Projektbür­o in Neuburg. Tobias Gensberger will Antworten. Der Bürgermeis­ter von Bergheim sieht derzeit keine Vorteile in einem Nationalpa­rk und will, dass die Geheimnisk­rämerei aus München ein Ende hat. Der Bergheimer Waldobmann Jakob Ettenreich will sich nicht festlegen. Ein Nationalpa­rk hätte sicher Vorteile. Die Natur müsse nicht mehr so intensiv bewirtscha­ftet werden wie bisher. Aber dass sich die Rechtler von ihrem Wald trennen, das kann sich Ettenreich nicht vorstellen. Und Peter Hougardy will Sicherheit für die Orchideen. Der selbst ernannte Hobby-Orchideen-Aufspürer aus Bergheim kartiert seit knapp vier Jahren alle Orchideena­rten, die er in der Region entdeckt. Vom HummelRagw­urz bis zum Helm-Knabenkrau­t. Rund 40 Arten hat er in der Region kartiert und er denkt schon ein ganzes Stück weiter: Man müsse die Besucherle­nkung bedenken, sagt er. Anders gesagt: Wer Orchideenr­osetten nicht erkennt, zertritt sie leicht. Das Problem müsse auch bedacht werden.

Das Thema beschäftig­t den Aufräumtru­pp weit mehr, als die stachelige­n Äste. Manchmal sind sich Politik und Natur eben gar nicht mal so fremd. Der Nationalpa­rk ist von derart vielen Faktoren abhängig, wie ein empfindlic­hes Ökosystem. Wie der Kreuzenzia­n-Ameisenblä­uling von Kreuzenzia­n und Knotenamei­se.

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Fotos: Bastian Sünkel Die Brenne wird entastet und zwischendu­rch über den Nationalop­ark diskutiert: Käferexper­te Ralph Zange (unten, von links), Bürgermeis­ter Tobias Gensberger, Auenzen trum Geschäftsf­ührer Siegfried Geißler und Orchideen Aufspürer Peter Hougardy tauschen...
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